Essen. . Geben ist seliger denn nehmen. Das jedenfalls haben sich Microsoft-Gründer Bill Gates und weitere Big Spender auf ihre Fahnen geschrieben. Eine ARD-Doku folgt ihren Spuren. Doch obwohl „Das Gewissen der Superreichen“ sehenswert ist, schafft es der Film nicht, unter die Oberfläche der Menschenfreundlichkeit zu tauchen.
Die erste Einstellung zeigt einen leeren alten Ledersessel. Nach dem Runterzählen „drei, zwei, eins“ tritt ein zufriedener alter Mann ins Bild und setzt sich. Ja, die Filmemacher sind sichtlich stolz auf sich, einen der reichsten Männer der Welt vor die Kamera bewegt zu haben. Und dieser Warren Buffett will auch noch 99 Prozent seines nach Milliarden zählenden Vermögens spenden, auch noch andere Superreiche zum Mitmachen animieren. „Ich brauch’s nicht“, sagt der alte Mann.
Eine tolle Geschichte, die „Das Gewissen der Superreichen“ (ARD, Dienstag, 22.45 Uhr) erzählt, oder etwa nicht? Das Projekt „The Giving Pledge“ konnte 70 richtig Reiche in den USA zu der Selbstverpflichtung bringen, mindestens die Hälfte ihres Vermögens zu spenden, insgesamt bereits 200 Milliarden US-Dollar (was, nebenbei bemerkt, sicher auch zu einer schönen Steuerermäßigung führen dürfte und die Staatseinnahmen reduziert).
Den Multimilliardären nah gekommen
Die Autoren Gisela Baur und Ralph Gladitz sind den Multimilliardären nah gekommen, den Rothschild-Baronen mit dem alten Geld, Bill Gates mit dem Computer-Money und eben dem in den USA verehrten Finanzstar Warren Buffett: Buffett in seinem Auto (Mittelklasse), Buffett in seinem Stammlokal (gediegen), Buffett mit seinem Privatjet. Buffett mit dem Ehepaar Gates in seinem Stammlokal.
Zweifellos haben Baur und Gladitz ein sehenswertes Stück Dokumentation abgeliefert, filmisch gut umgesetzt, interessant gedreht, vertont, geschnitten. Auch Kritiker des „Gebe-Versprechens“ (so die Übersetzung von „Giving Pledge“) dürfen sich in den 75 Minuten äußern, der selbst schwerreiche SAP-Gründer Hasso Platner etwa und der kaum minder betuchte Peter Krämer. Der Reeder: „Es darf nicht im Belieben von Milliardären stehen, wofür was gespendet wird. Sondern es ist die Aufgabe des Staates, für das Richtige zu sorgen.“
Film kommt nicht unter die Oberfläche der Menschenfreundlichkeit
Und trotz dieses Versuchs der Ausgewogenheit schafft es „Das Gewissen der Superreichen“ nicht, unter die Oberfläche der Menschenfreundlichkeit zu tauchen. Warum gibt es kein Geld für die Impfung, wenn sie pro Kind in Afrika nur zehn Cent kostet? Wie gerecht ist es, dass in den USA (und sonst wo) die 100 Reichsten mehr haben als 90 Prozent der Bevölkerung zusammen? Und wie ungerecht ist die globale Wirtschaft sowie das soziale System, und wer profitiert eigentlich davon? Wenn Eigentum verpflichtet, warum zahlen die Dagoberts dieser Welt dann die geringsten Steuern?
Gerne hätten man beispielsweise auch die Meinung eines Franziskaners zum Thema aufgehäufte Besitztümer gehört, oder des Papstes. Der in den gläubigen USA gerne zitierte Jesus hatte sich bereits vor 2000 Jahren ausführlich zum Thema Reichtum geäußert. Die kleine Spende der armen Witwe war ihm viel mehr wert als die Abgabe des Überflusses, verbunden mit der Anweisung: Spende im Verborgenen. „Tue Gutes und rede darüber“, dieser Glaubenssatz findet sich nur in der Bibel der Werber.