Washington. . 1983 traf Barack Obama die junge Genevieve Cook. Er war gerade 22 und hatte sein Jura-Studium abgeschlossen. Die beiden wurden ein Paar. Aber kein glückliches, wie seine Freundin später bekundete. Der heute meist lächelnde US-Präsident sei zu echter Nähe nicht fähig gewesen.
Was kann heikler sein für einen amerikanischen Präsidenten im Wiederwahlkampf als Tagebuch-Aufzeichnungen einer vor langer Zeit zerbröselten Liebe? Antwort: Tagebuch-Aufzeichnungen, die zwischen zwei Buchdeckel geraten. Und so gehypt werden, dass Mullahs Bombe und das ewige Haushalts-Defizit vorübergehend vom Radar verschwinden – und fast alle nur noch über eine australische Grundschullehrerin namens Genevieve Cook reden.
Geschafft hat das David Maraniss. Der aufs Menschelnde im Präsidentiellen spezialisierte Redakteur der „Washington Post“ hat die Zeitgeist-Postille „Vanity Fair“ aus seinem im Juni erscheinenden Werk „Barack Obama: Die Story“ vorkosten lassen. Vorweg: Wer Rotlicht oder Lewinskyhaftes erwartet, wird nicht mal halbsatt. Wer verstehen will, warum die Mischung aus ansteckender Wärme nach außen und kühler Abschottung nach innen Obama nicht erst seit Amtsantritt umgibt, ist bei Maraniss hingegen gut aufgehoben.
Das heißt eigentlich: bei Genevieve Cook. 1983 treffen sich die beiden auf einer Party in New York. Obama, 22, gerade mit Jura fertig geworden an der Universität, just die Beziehung zu der Kalifornierin Alex McNear hinter sich, macht in Jeans, T-Shirt, Lederjacke schwer Eindruck auf die drei Jahre ältere Diplomaten-Tochter. Wenige Tage später kocht er für sie. Man redet, findet sich nett, auch im Bett. „Es war alles ziemlich unausweichlich“, schreibt Cook in ihr Tagebuch über den Beginn der Romanze. Dann kommen ihr Zweifel.
„Wie kann er schon so alt wirken, im Alter von 22 Jahren?“
Obama kocht gut und gern, vor allem Ingwer-Rind und Thunfisch-Sandwiches. Nur echte Nähe kann der Alleszerdenker nicht. „Die sexuelle Wärme ist definitiv hier – aber ansonsten sind da scharfe Kanten, und ich fühle, dass ich mich zurückziehen will“, heißt es im Tagebuch. Was Genevieve Cook auffällt, ist die Fassade, die der junge Obama um sich herum errichtet hat. Sie hält in gewisser Weise bis heute. „Bei ihm geschieht so viel unter der Oberfläche, unerreichbar. Kontrolliert, geschützt.“ Einmal gesteht die Australierin ihm: „Ich liebe Dich.“ Seine Replik: „Vielen Dank.“ Romantik rustikal.
Nach 18 Monaten hat Genevieve Cook den Geruch aus seiner Studentenbude („Läufer-Schweiß, Deo, Zigarettenrauch, Rosinen”) über. Obama macht Schluss. Ohne Knall, „ruhig und überlegt“. Cook denkt: „Wie kann er schon so alt wirken, im Alter von 22 Jahren?“
Die eigene Geschichte als Quell einer langen Identitätssuche
Vor einigen Monaten hat Obama dem Biografen gestanden, dass er in jungen Jahren „tief in meinem eigenen Kopf drin war… auf eine Art, die ich rückblickend nicht für gesund halte.“ Seine eigene Geschichte – Sohn einer weißen Frau aus dem Mittleren Westen und einem schwarzen Vater aus Kenia – war der Quell einer langen Identitätssuche. „Die einzige Möglichkeit, mein Gefühl der Isolation zu beschwichtigen, ist, alle Traditionen und sozialen Klassen in mir aufzunehmen”, sagte Obama.
Genevieve Cook, die Frau, die Obama in seiner Autobiografie „Dreams From My Father“ 1995 anonym als „Freundin aus New York“ anführt, stand dabei im Weg. „Ich war offensichtlich nicht die Person, die ihn betörte“, vertraute sie ihrem Tagebuch an und fügte prophetisch hinzu: „Irgendwo wartet diese geschmeidige, sprudelnde, starke schwarze Lady.“ Vier Jahre später traf Barack Obama Michelle Robinson.