Frankfurt. . Seit 15 Jahren schon kämpft die Stadt Flörsheim gegen die Landebahn, ging sogar vor Gericht. Zwei Millionen Euro hat das bislang gekostet. Nun ist die Nordwest-Landebahn da, überfliegen die Maschinen den Ort in einer Höhe von 250 bis 350 Metern, mit bis zu 95 Dezibel. Und Tausende Lärmgeplagte machen montags gegen die Landebahn mobil.

So etwas nennt man wohl eine Revanche. Sie lärmen bis die Ohren schmerzen. Sie skandieren, trillern und schlagen Topfdeckel oder Trommeln, dass es kaum zu ertragen ist. Ihre Demo zeigt nicht nur Protest, sie lässt ihn unerbittlich hören. Tatort: Flughafen Frankfurt, Terminal 1, Abflughalle B. Immer wieder montags drücken die vom Fluglärm Gequälten der Flughafen-Gesellschaft Fraport auf den Gehör-Nerv, stören sie die smarte An- und Abflugwelt. Wie Du mir, so ich Dir!

Jutta Keil kann sich noch genau an den Moment erinnern, als sie am 21. Oktober nach Dienstschluss zu Hause ankam. Direkt über ihr, gerade einmal 280 Meter hoch, senkte sich ein vierstrahliger Jet mit ausgefahrenem Fahrwerk, der ohrenbetäubenden Lärm verbreitete. „Ich habe mich aufs Sofa gesetzt und erst einmal eine Viertelstunde geheult“, sagt die Frau aus Flörsheim, einem 18 000 Einwohner-Städtchen bei Frankfurt, das in unmittelbarer Nähe des Flughafens liegt. Seitdem geht Jutta Keil, die als Personal-Sachbearbeiterin tätig ist, auf jede Montagsdemo gegen die neue Nordwest-Landebahn.

Die nämlich wurde genau am 21. Oktober in Betrieb genommen. Seitdem ist die Welt rund um den Flughafen alles andere als in Ordnung. Ob in Mainz-Oberstadt, in Flörsheim oder in den südlich des Mains gelegenen Frankfurter Stadtteilen. Morgens um 5 Uhr wachen sie auf, obwohl ihr Wecker gar nicht klingelt. 5.10 Uhr starten etwa freitags die LH 619 nach Muscat Riad und die LH 693 nach Amman.

Auch Giovanna, die elfjährige Tochter von Ela Strieder aus Mainz-Hechtheim, ist nun wach. Jedenfalls bei Ostwind, wenn die Maschinen über das Reihenhaus der Strieders fliegen. „Ein barbarischer Lärm ist das, gerade für uns, die wir unter dem Dach schlafen“, sagt Ela Strieder. Erst vor kurzem sind sie eingezogen, für die Strieders steht jetzt schon fest, dass sie wieder ausziehen.

Lärm macht krank

„Wer es sich leisten kann, zieht weg!“, sagt auch Flörsheims Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD), der kürzlich harsche Kritik kassierte, als er vor einer Ghetto-Bildung warnte. Jetzt nennt er das etwas vorsichtiger Segregation. Meint: Die Vermögenden gehen, den jungen Familien, die sich für ihr Häuschen verschuldeten, bleibt nichts als auszuhalten.

Seit 15 Jahren schon kämpft die Stadt Flörsheim gegen die Landebahn, ging sogar vor Gericht. Zwei Millionen Euro hat das bislang gekostet. Nun ist die Nordwest-Landebahn da, überfliegen die Maschinen den Ort in einer Höhe von 250 bis 350 Metern, mit bis zu 95 Dezibel. Antenbrink kennt viele, die ihre Schlafzimmer in den Keller verlegten, die Schallschutz einbauten. An mancher Schule tragen Kinder bei Klassenarbeiten Kopfhörer wie Bauarbeiter.

Dass der Fluglärm ihnen nicht nur den Schlaf raubt, sie auch krank macht, das wissen sie alle. Das hat eine Studie des Umweltbundesamtes rund um den Kölner Flughafen bestätigt. Herz- und Kreislauferkrankungen befördere er, Frauen würden verstärkt depressiv. Nun müssen die vom Lärm Betroffenen auch noch fürchten, dass ihnen das von 23 bis 5 Uhr geltende Nachtflugverbot genommen wird. Genau das versucht nämlich die hessische Landesregierung unter Ministerpräsident Bouffier (CDU) gerade vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu erreichen.