Essen. Die Fluglärmgegner machen mobil. Initiativen finden immer mehr Zulauf, es geht um Gesundheitsbelastung und um Wertminderung von Häusern in neuen Einflugschneisen. Für Samstag hat die Bundesvereinigung der Fluglärmgegner einen Aktionstag ausgerufen, mit Aktionen in Frankfurt , Berlin und München. Im März ist Düsseldorf dran.
Am Frankfurter Flughafen hat es am Samstag die bisher größte Demonstration gegen Fluglärm nach der Eröffnung der neuen Landebahn gegeben. Die Polizei schätzte am Mittag die Zahl der Teilnehmer auf 6.000, die Veranstalter gingen von 10.000 Menschen aus. Zu der Kundgebung in und vor dem Terminal 1 hatten Bürgerinitiativen, Parteien und Verbände aufgerufen. Die Veranstaltung war Teil eines bundesweiten Aktionstages gegen Fluglärm.
Nach Angaben des Flughafens Frankfurt kam es trotz der vielen Menschen nicht zu Störungen des Flugbetriebs. "Wir haben die Lage im Griff", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Der Flughafenbetreiber muss die Kundgebung in seinem Gebäude dulden. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor einem Jahr bestätigt, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch für den Flughafen gilt.
Demos auch in München und Berlin
Auch in München, wo der Flughafen eine dritte Startbahn erhalten soll, machen Fluglärmgegner mobil. Und in Berlin. Sie kommen aus dem Südosten der Hauptstadt. Bald wird der neue Airport Berlin-Brandenburg eröffnet. Über Friedrichshagen am Müggelsee könnten künftig am Tag 200 Jets in 1000 Meter Höhe vorbeiziehen.
Es reicht, findet die Bundesvereinigung gegen Fluglärm. Sie startet ihren „nationalen Aktionstag“. Einen zweiten gibt es Mitte März. Dann werden sie auch in Düsseldorf demonstrieren. Die Initiativen stellen die Gretchenfrage: Warum das Wachstum des Luftverkehrs zu Lasten der Gesundheit der Anlieger gehen muss. Oder zu Lasten von deren Alterssicherungen. Denn die Jets ruinieren die Immobilienpreise. Am Müggelsee drohen 20 Prozent Wertverlust.
Neue, belastende Anflugrouten
Die Regierungschefs Klaus Wowereit (SPD) und Volker Bouffier (CDU) stecken in der Falle. Sie haben falsche Versprechungen gemacht, was die Lärmintensität nach dem Ausbau der Flughäfen Schönefeld und Rhein-Main betrifft. Im Fall der Hauptstadt sind noch kurz vor Ende der Bauarbeiten neue, belastende Anflugrouten festgelegt worden. In Frankfurt ging die lärmintensive Landebahn Nord in Betrieb, ohne dass die feste Zusage für ein totales Nachtflugverbot eingelöst wurde.
Landespolitiker, die das Drama um den Bahnhof Stuttgart 21 und den Sturz ihres baden-württembergischen Kollegen Stefan Mappus (CDU) miterleben mussten, fürchten: Fluglärmgegner könnten künftig den Kern massiver Protestbewegungen im bürgerlichen Lager bilden.
Starker Zulauf
Tatsächlich haben die 500 Einzelinitiativen starken Zulauf. Christoph Lange vom Verein „Bürger gegen Fluglärm“, der sich um Düsseldorfer Belange kümmert, rechnet vor, dass die Mitgliederzahl seiner Vereinigung von 2005 bis heute von 600 auf 4600 angestiegen ist. Ursula Wirtz, die den Widerstand rund um Dortmunds Airport managt, spricht von einer Verdoppelung seit 2006 auf jetzt 1500.
Erregungs-Potenzial gibt es genug. Die Luftverkehrsorganisation IATA glaubt, dass sich der weltweite Flugverkehr in den nächsten fünfzig Jahren versechsfacht. Deutschlands Luftfrachtaufkommen wird 2025 doppelt so hoch sein wie heute. Derzeit gibt es 6500 Flüge täglich über der Republik.
Grundrecht auf Unversehrtheit verletzt
„Der Fluglärm wird zunehmen“, sagt Jochen Flasbarth, Chef im Umweltbundesamt, und Airport-Kritiker Lange ist sicher: „Die Menschen werden sich mehr bewusst, dass ihr Schlaf rücksichtslos gestört wird. Das kann man messen. Hier wird das Grundrecht auf Unversehrtheit verletzt. Da hört der Spaß auf“.
Es ist der klassische Konflikt zwischen Umwelt und Arbeitsplätzen. Flughäfen sind Job-Maschinen. 70 000 Menschen arbeiten am größten Airport der Republik in Frankfurt, 100 000 sollen es werden. Der Düsseldorfer Flughafen ist immerhin für 17 000 direkter Arbeitgeber und indirekter für 50 000. Die Luftverkehrskreuze wollen in den nächsten Jahren 20 Milliarden Euro investieren. „Wir haben die Umwelt im Blick“, sagt die Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsflughäfen – seit 1970 habe sich der subjektiv empfundene Lärm um 70 Prozent verringert.
Höheres Infarktrisiko
Anders sieht das der Epidemologe Eberhard Greiser. Am Kölner Flughafen machte er die bisher größte Studie zur Gesundheitsbelastung, wertete dafür 800 000 Kassendaten aus. Ergebnis: Nächtlicher Fluglärm erhöhe das Risiko von Bluthochdruck, Infarkten, Schlaganfällen, Depressionen. Die Risiken, so Greiser, stiegen mit der Lärmbelastung.
Greisers Studie ist längst die Bibel der Lärmgegner.
In München entscheiden die Bürger
In den nächsten Monaten fallen wichtige Flughafen-Entscheidungen. Das Bundesverwaltungsgericht urteilt im März über ein Nachtflugverbot in Frankfurt zwischen 23 und 5 Uhr. Lufthansa warnt, dies könne massive Auswirkungen auf ihre Basis haben. Über den Bau der dritten Bahn für den Flughafen Erding werden die Münchner am 17. Juni in einem Bürgerentscheid abstimmen.
Düsseldorfer Lärmgegner haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen nächtliche Flüge geklagt und vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen die Einschränkung der Fluglärmzonen. (mit Material von dapd)