Essen. . Der Münchner Sender wurde in der Goldgräber-Ära des Privatfernsehens gegründet. Längst hat der ehemalige Kabelkanal seinen Platz gefunden. Gelegentlich geht’s sogar nicht nur um Quote, sondern auch um Qualität.

Es war nicht ohne Ironie. Vor genau 20 Jahren, am 29. Februar 1992, um exakt 10.15 Uhr begann ein neues Fernsehzeitalter mit einer alten Kamelle: „Ein neuer Geist auf Schloss Rathbarney“ begrüßte Zuschauer zum Start des Senders Kabel 1, der anfangs als Kabelkanal firmierte. Dass die Ära des Kanals in Schwarz-Weiß begann, hatte nichts mit technischen Problemen zu tun. Vielmehr stammte der Streifen mit David Niven aus dem Jahre des Herrn 1954.

Kirch und Telekom wollten Schnitte von der Sahnetorte

Dabei war die Wahl des Films gut gemeint. Die Betreiber des Kanals, der selige Filmrechtehändler Leo Kirch und die Deutsche Telekom, wollten das Kabelnetz mit TV-Programm anklingeln, das eben nicht reißerisch war – im Gegensatz zur Konkurrenz von RTL und Sat.1. Die beiden Sender erwiesen sich, sieben Jahre nach ihrer Gründung, als Goldgrube. Anfang der 1990er explodierten Marktanteile und Werbeerlöse. Kirch und die Telekom wollten auch eine Schnitte von der Sahnetorte.

Der rosa Riese war in den 90ern Kabel-Monopolist

Anfangs lief Kabel 1 exklusiv im Kabelnetz. Kirch lieferte über seinen damaligen Sender ProSieben Programm, die Telekom kümmerte sich um die Verbreitung. Der rosa Riese war in den 90ern noch Monopolist. Dennoch gelang es dem ehemaligen Staatsunternehmen nicht, Satelliten-TV zu verdrängen. Es blieb bei einem Patt. Kabelfernsehen deckt inzwischen knapp die Hälfte des Marktes ab, 46 Prozent der Haushalte empfangen Satellitenfernsehen, und fünf Prozent haben bisher die gute, alte Zimmerantenne genutzt oder besitzen keinen Fernseher.

Drei Jahre nach dem Start des Kabelkanals hatten die Eigentümer verstanden. Erst wurde der verstaubte Name aufgehübscht; seither heißt der Kabelkanal Kabel 1. Ab April 1995 war der Kanal auch über TV-Satellit Astra zu empfangen – unverschlüsselt.

Platz gefunden

Als Schlüssel zum Erfolg erwies sich der schrittweise Ausbau des Programms. 1997 rückte Kabel 1 zum Vollprogramm auf, das rund um die Uhr sendet. Zu dieser Zeit schmolzen die Marktanteile von ARD und ZDF schneller als Schnee in der Frühlingssonne. Kein Wunder, dass das Erste nervös auf die Eins im Logo der privaten Konkurrenz reagierte. Erst jammerte die ARD, dann klagte sie. Kabel 1 machte die Zahl zunächst unkenntlich. Doch schließlich, 1999, setzten sich die Privatfunker juristisch durch.

Seit dem Jahr 2000 gehört Kabel 1 zum ProSiebenSat.1-Konzern, der seit dem Scheitern von Leo Kirch ein börsennotiertes Medien-Unternehmen ist. Der Konzern hat sich so aufgestellt, dass sich die Sender der Gruppe ergänzen: ProSieben bedient die jungen Wilden, Sat.1 zielt eher auf ein Publikum um die 50, und Kabel 1 liegt genau in der Mitte.

„Verblüffende Einsichten und überraschende Globalisierungsgewinne“

Besonders attraktive Programme wie die Casting-Show „The Voice of Germany“ laufen – leicht nachvollziehbar – bei der Hauptmarke Sat.1. Dennoch hat Kabel 1 in der zweiten Liga der TV-Sender seinen Platz gefunden. Seit drei Jahren erreicht er einen Marktanteil von etwas mehr sechs Prozent im Schnitt – und damit mehr als der glücklose Thomas Gottschalk mit seinem ARD-Vorabendtalk.

Das Programm des Jubiläumstages ist typisch für Kabel 1. Nachmittags setzt der Sender auf den immergrünen Comedy-Klassiker „Two and a Half Men“ mit dem durchgeknallten Charlie Sheen. Abends, um 20.15 Uhr, bringt Robin Williams die schulpflichtige TV-Jugend als wunderbare „Mrs. Doubtfire“ ins Bett. Das Nachtprogramm wird mit etwas härteren Filmen bestritten: „Good Morning Vietnam“ und „Platoon“.

Ach ja, eines noch. Kabel 1 kann auch Eigenproduktionen. Auch wenn unterhaltende Momente überwiegen, lassen sich Doku-Soaps wie „Stellungswechsel – Job bekannt, fremdes Land“ durchaus sehen. Mehr noch: Die Macher erhielten voriges Jahr den Deutschen Fernsehpreis. Die Jury lobte „verblüffende Einsichten und überraschende Globalisierungsgewinne“.