Im Westen. . Hunderte Winter-Fans tollen zurzeit auf den zugefrorenen Teichen und Seen der Region herum, und das, obwohl die Städte die Eisflächen nicht freigeben. Reinhold Messner kennt sich aus auf dem Eis und rät davon ab, ein Restrisiko bleibt immer, erzählt er im Gespräch mit der Westfälischen Rundschau - und erinnert sich an brenzlige Situationen.
Teiche, Seen und Tümpel von Westfalen sind zugefroren, viele laufen bereits Schlittschuh darauf. Nicht ohne Risiko. Verrät einer, der es wissen muss: Reinhold Messner, Extrembergsteiger, Abenteurer, Bezwinger des Ewigen Eises. Im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe erinnert er sich an heikle Tage und mahnt, dass auch ein zentimeterdick zugefrorener Teich noch Risiken bergen kann.
„Am Anfang friert ein Teich am schnellsten zu, später geht es langsamer. Denn die Eisschicht isoliert“, erklärt Messner, der als erster Mensch alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hat. Messner hat außerdem bereits Grönland und die Antarktis durchquert. Er kennt sich aus im Eis und weiß, welche Faszination es ausüben kann.
Gefährlich: Je tiefer ein See, desto mehr Wärme speichert er am Grund. Dazu kommt, dass einige Gewässer von einem Bach durchflossen werden und somit in Bewegung sind, wie etwa der Hammerteich in Witten. Wer dann einbricht, wird schnell unters Eis gezogen. Messner: „Man kann Kindern eine Freude machen, indem man mit ihnen auf einem Teich Schlittschuh fährt, aber dazu muss das Eis 20 Zentimeter dick sein.“
Eis steht unter Spannung
Um die Dicke der Eisschicht festzustellen, müsste sich also jemand finden lassen, der ein Loch bohrt. Doch selbst dann ist noch nicht garantiert, dass das Eis auch an allen Stellen des Teiches gleich dick ist, erklärt der Fachmann. Das Tückische daran ist, dass die zugefrorenen Gewässer schlecht einschätzbar sind. Das Eis steht unter Spannung, die zu Rissen führen kann.
Messner selbst ist noch nicht eingebrochen, hat das Schreckensszenario aber auf einer Expedition miterlebt: „Mein Bruder brach einmal ins Nordpolarmeer ein. Das war eine Überlebenssituation, einer der größten Schrecken meines Lebens. Die Eisschollen schlugen über ihm zusammen. er hat sich dann an einer Scholle herausgezogen, ich habe ihm geholfen. Das ist so schlimm, dass ich das niemandem wünsche“, erinnert er sich.
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Im Buch „Eis Pole“ verarbeitet Messner seine Erfahrungen, die er auf die Touren zum eisigen Ende der Welt gemacht hat: „Wie oft habe ich mir in diesem letzten Stück der Antarktis-Tour ein ,Nie wieder’ geschworen. Wenn der Treibschnee die Spurarbeit erschwerte, häufig, wenn ich im White-out schier irr wurde. ,Nie zurück’ aufs Eis wollte ich, und doch war ich wenig später – gute Sicht vor mir, die wärmende Sonne über mir – begeistert von diesem Tun.“
Diese Faszination der menschlichen Grenzen trieb den Abenteurer immer wieder in die entlegensten Regionen der Erde, auf Eisflächen, die über Landmassen liegen, aber auch auf Eis, unter dem Wasser lauert, „eine freie Eisfläche, groß wie Köln“.
Eis-Schollen, so groß wie Wohnzimmer
Auf einer Tour in Richtung Polarmeer in der Nähe von Sibirien hatte Messner eine weitere gefährliche Begegnung mit dem nicht ganz so ewigen Eis. „Die Eisdecke war nur rund zehn bis zwölf Zentimeter dick. Wir mussten von der Küste auf das dickere Eis gelangen.“ Dazu war eine Strecke mit dünnem Eis zu überqueren. „Das ist nicht ohne, denn man geht auf einer Eis-Decke, die auf dem Ozean schwimmt. Am Beginn ist das unangenehm, aber mit Skiern geht es. Doch das Eis brach irgendwann in viele Schollen, manche so groß wie ein Wohnzimmer, manche groß wie ein Haus. Das ist wie die Hölle, die Dante beschrieben hat.“