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Majestätisch reckt der Berg sich empor, die Kamera streift aus der Luft ehrfurchtsvoll über Steilwände und Gletscher des Nanga Parbat. Gustavo Santaolalla liefert dazu Klänge, die an Science-Fiction-Filme gemahnen, als handele es sich bei diesem Achttausender um ein gigantisches Raumschiff. So also sieht er aus, der bildgewaltige Prolog zu Joseph Vilsmaiers „Nanga Parbat“, der das Bergdrama der Brüder Reinhold und Günther Messner von 1970 thematisiert, das der eine bekanntlich nicht überlebt hat.
Vilsmaiers Film will vieles nicht, vor allem aber nicht der Wahrheit darüber nachspüren, was damals im pakistanischen Westhimalaya tatsächlich passiert ist. War Günther tatsächlich so ein „Leichtfuß“, der seinem Bruder viel zu schnell zum Gipfel nachgeklettert war und dem deshalb anschließend die Kraft zum Abstieg fehlte? Hat Reinhold ihn letztlich doch hinter sich gelassen, um den Ruhm des Gipfelstürmers ernten zu können? Liegt die Wahrheit vielleicht irgendwo dazwischen? Aus diesem Film werden wir es nicht erfahren, denn Vilsmaier hat sich für die parteiische Darstellung entschieden und Reinhold Messner als Berater engagiert.
Deshalb auch beginnt der Film gleich wie eine große Rechtfertigung: Da stürmt Reinhold (Florian Stetter) nur wenige Wochen nach den Ereignissen auf Krücken in den Münchner Salvatorkeller und unterbricht den Messner-kritischen Vortrag des Expeditionsleiters Karl Herligkoffer (Karl Markovics). Er will jetzt berichten, wie es wirklich war - deshalb stammt fortan jede Rückblende aus dem Blickwinkel des Erzählers. Das ist, gelinde gesagt, eine Gängelung des Zuschauers, die gleich eine Abwehrmotorik in Gang setzt. So dreist und simpel will man sich denn doch nicht vereinnahmen lassen.
Aber die Einseitigkeit ist nur der Anfang einer ganzen Reihe von Fehlern, die Vilsmaiers Sieben-Millionen-Projekt nie zu einem wirklich intensiven Bergfilm werden lassen. Da ist der seltsame Schnitt, der eine stetige Abfolge von Panoramen und seltsam isoliert wirkenden Nahaufnahmen der Bergsteiger produziert. Was nur das Resultat jener Zweiteilung ist, die Totalen tatsächlich im Himalaya zu filmen, das eigentliche Klettern aber in Süd- und Osttirol.
Die Welt der Vertikalen
Manchmal erscheint der Aufstieg deshalb fast wie ein erschwerter Spaziergang, es fehlt der Aufstiegskampf an der Steilwand, wie man ihn zuletzt in Philipp Stölzls „Nordwand“ schmerzhaft erleben konnte. Man sollte nicht vergessen, dass hier stets von der Rupal-Flanke die Rede ist, mit 4500 Metern die höchste Steilwand der Erde. Nur einmal erlaubt sich der Film aus diesem einengenden Bilderrhythmus auszubrechen: Dann fährt die Kamera über ein riesiges Eisfeld, auf dem zwei verlorene Menschenpunkte ins Nichts traben und einen Eindruck von der Verlorenheit in der Welt des Vertikalen geben.
Weder Florian Stetter als Reinhold noch Andreas Tobias als Günther erhalten Gelegenheit, ihren Figuren so etwas wie Tiefe zu geben - über die Typisierung als risikobereiter Einzelgänger oder ewiger Zweiter geht es da kaum hinaus. Allein Karl Markovics schafft es, seinem Herligkoffer interessante Konturen zu geben, wobei er sich gegen die Verteufelung stemmt, die ihm das Drehbuch zugedacht hat. Stattdessen erleben wir einen seltsam gestrigen Menschen, der Mannschaftsgeist und hierarchische Strukturen verteidigt, tatsächlich aber wohl seine innere Verzagtheit kaschieren will - sein Halbbruder hatte am Nanga Parbat 1934 sein Leben gelassen.