Essen. . In einem Punkt war sich die Talk-Runde bei Maybrit Illner weitgehend einig: In der medial hochgekochten Gerichtsshow um Kachelmann bleibt die Wahrheit auf der Strecke. Nur eine steht zweifelsfrei auf der Seite des Opfers: Alice Schwarzer.

An diesem Prozess verzweifeln Staatsanwälte, Verteidiger, mutmaßliches Opfer und der Angeklagte. Nach acht Monaten steht am kommenden Dienstag ein Urteil im Fall Kachelmann bevor. Egal, wie das Gericht entscheidet, Zweifel werden wohl auch über das Urteil hinaus bestehen bleiben. Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend mit einer Runde aus Journalisten und Gerichtsexperten über die ungewöhnliche Länge des Prozesses und die Frage, ob es sich dabei um einen Justizskandal handelt. Zwischen den flammenden Redebeiträgen geht dabei mitunter der Fokus verloren.

Von Alice Schwarzer ist man gewohnt, dass sie alle Argumente, die sich gegen ihre Überzeugung richten, trotzig wegbeißt. Gleich zu Anfang stellte sie klar, dass jedes Urteil richtig sei, solange es eindeutig getroffen wird. Dann ließ die Journalistin, die den Prozess für die Bild-Zeitung beobachtet, doch wieder keinen Zweifel daran, dass sie auf der Seite des mutmaßlichen Opfers steht. Über die Frage, ob Kachelmann von den Medien zum Opfer gemacht wurde, wurde nicht viel gesprochen.

Medien haben Prozess behindert

In erster Linie versuchte die Moderatorin mit ihren Gästen herauszufinden, wie der Prozess so lange dauern konnte. Dass die Medien, namentlich Illustrierte wie die „Bunte“, ihn wesentlich erschwert haben, sei als wichtiger Punkt genannt. Der ehemalige Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger beklagte, dass einige Zeitschriften die Zeuginnen gegen hohe Geldsummen zum Reden gebracht und dadurch störend in die Arbeit des Gerichts eingegriffen hätten. Mit der Vermutung, dass die Medien „die Öffentlichkeit interessierter machen als nötig“ traf er eine zentrale Aussage.

Im Allgemeinen fehlte es der Sendung allerdings an zentralen Aussagen. Lediglich Hans-Hermann Tiedje, ehemaliger „Bild“-Chefredakteur, vertrat die klare Meinung, dass der Kachelmann-Prozess einem Justizskandal gleichkomme. Er kritisierte die Staatsanwälte, die sich die Medien zu Nutze machten, um die Öffentlichkeit mit einzubinden.

Theater im Gerichtssaal

Den kühlsten Kopf bewahrte der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke. Er stellte fest, dass alle Beteiligten in der Gerichtsverhandlung Theater spielten und bedauerte mehrmals das Fehlen eines von Anfang an geführten Wortprotokolls über die Aussagen der Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt sei es schon längst nicht mehr möglich, die Wahrheit festzustellen, sagte er. Laut Rüdiger Bagger bliebe jetzt nichts anderes mehr übrig, als sich mit der Entscheidung der Justiz abzufinden.

Letztendlich sei man nach fast einem Jahr der Verhandlungen wieder am Ausgangspunkt angelangt, fand Strafverteidiger Gerhard Strate. „Der Prozess war überwiegend Show“, urteilte er. Aspekte wie Kachelmanns Verhalten gegenüber anderen Geliebten hätten in dieser Sache nichts verloren. Dadurch seien die Verhandlungen unnötig verlängert worden.

Dass es mühsam war, der Diskussion zu folgen, lag zum einen an der gereizt aufgeladenen Stimmung der Gäste. Zum anderen hatte Maybrit Illner teilweise Schwierigkeiten, sich auf klare Fragestellungen und eine zielführende Lenkung des Gesprächs zu konzentrieren. Statt eines Fazits blieben am Schluss denkwürdige Sätze wie der Ausspruch Schwarzers hängen, die „Bild“ sei anständiger als die „Zeit“.