Mannheim. . Droht dem TV-Moderator Jörg Kachelmann eine Verurteilung wegen Vergewaltigung? Seine Verteidigung plädierte am Dienstag auf Freispruch und zerlegte die Argumente der Anklage. Der Prozess baue auf einer Lüge des mutmaßlichen Opfers auf.
Er hatte ihr Schokoladenkekse auf das Stehpult gelegt. Aber Andrea Combé, Jörg Kachelmanns Pflichtverteidigerin, hätte dieser rührenden Fürsorge gar nicht bedurft. Die 52-Jährige gilt als hervorragende Strafverteidigerin. Gestern, bei ihrem Plädoyer vor dem Landgericht Mannheim, beweist sie eindrucksvoll ihre Fähigkeit, die Schwäche einer Anklage zu analysieren. Den Mangel an Beweisen. Am Ende steht vor allem diese eine, ihre Frage im Raum: „Kann man so einer Frau noch glauben?“
Nun könnte man dies als ein Klischee bei Vergewaltigungsprozessen missverstehen, als Versuch, das mutmaßliche Opfer zu diskreditieren. Doch die vielen Ungereimtheiten im Fall Kachelmann, der seit über acht Monaten verhandelt wird, ließen alsbald allein Aussage gegen Aussage stehen. Combé zeichnet gestern das Bild einer von Rache und Hass getriebenen Frau. Einer intelligenten, ehrgeizigen Radiomoderatorin, die sich elf Jahre ihres Lebens immer mehr auf den prominenten Wettermoderator fokussiert hat. Mit „Kaltschnäuzigkeit und schauspielerischem Talent“ habe sie nach ihrer Strafanzeige erfahrene Ermittler getäuscht.
Sie horchte den Geliebten über Facebook aus
Und tatsächlich täuschte sie auch ihn, ihren langjährigen Geliebten. Ihm, der ihr vorgespielt hatte, mit ihr zusammenziehen zu wollen, spionierte sie monatelang hinterher. Über Facebook, mit geändertem Namen, horchte sie eine seiner anderen Geliebten aus. Ihm gegenüber gab sie sich harmonisch, ging, so Combé, noch bereitwilliger auf seine sexuellen Vorlieben ein. Als sie ihn am Ende stellte, verhielt er sich wohl anders als sie es erwartet hatte. Er verließ sie.
„Ich bin gestorben!“ berichtete Simone D. später der Aussagepsychologin Prof. Greuel. Für Combé war dies ein Moment „existenzieller Verunsicherung“ und die Motivation „ihn, Kachelmann, zu vernichten“. Noch in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar, nach der mutmaßlichen Vergewaltigung , habe sie sich Gedanken gemacht, wie sie ihre Glaubwürdigkeit erhöhen könne.
Die Verteidigerin geht sogar davon aus, dass sich Simone D. dazu die bis heute auch von Gutachtern nicht erklärbaren, untypischen Hämatome an den Innenseiten der Oberschenkel selbst beigebracht haben soll. Tatsächlich hatten mehrere Sachverständige vergeblich versucht, in Experimenten ähnliche Blutergüsse zu verursachen.
Verletzungen sind nur Teil der Beweise
Diese Verletzungen sind jedoch nur ein Teil der Beweise, die Combé in ihrem Vortrag als schwach darstellt, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt. Noch einmal listet sie auf: Das Messer, das er ihr während der angeblichen Vergewaltigung an den Hals gedrückt haben soll, an dem sich jedoch nur DNA-Spuren an der Grenze zur Nachweisbarkeit entdecken lassen. Ebenso wie am Strickkleid Simone Ds, das er ihr bei dem Gewaltakt nach oben geschoben haben soll und an dem sich trotzdem nicht der erwartete Hautabrieb feststellen ließ.
Auch dass sie keine deutlichen Erinnerungen an den Akt selbst habe, könne nicht erklärt werden. Eine posttraumatisch Belastungsstörung, wie ein Therapeut sie diagnostiziert habe, ließen namhafte Gutachter, wie etwa der Psychiater Hans-Ludwig Kröber, nicht gelten. Wo Aussage gegen Aussage stehe, so Andrea Combé, müssten diese um so kritischer analysiert werden. Simone D. habe so gut gelogen, dass sie die Staatsanwaltschaft überzeugte. So gut gelogen, dass „dieses Verfahren stattgefunden hat“.
Harte Worte in einem Verfahren, das mehr als jedes andere in den letzten Jahren die Öffentlichkeit polarisiert. Er, der Angeklagte, Jörg Kachelmann, sitzt am Dienstag wieder selbstbewusst, mit offenem Blick zwischen seinen Anwälten. Sie wendet dem Saal den Rücken zu, hält ihre Arme zumeist verschränkt. Zwischendurch lässt das Zucken ihrer Schultern erahnen, dass sie lautlos weint.