Mannheim. Die Staatsanwälte in Mannheim plädierten am Mittwoch auf schuldig. Vier Jahre und drei Monate Haft fordern sie für Wettermoderator Jörg Kachelmann. Sie werfen ihm weiterhin schwere Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung vor.
Sein Blick fixiert sie. Minutenlang. Kerzengerade sitzt Jörg Kachelmann da, den Oberkörper leicht nach vorne geneigt und richtet seine Augen unverwandt auf jene Frau, die ihn vor dieses Gericht gebracht hat. Man könnte diesen Blick als selbstbewusst interpretieren, als den eines Mannes, der sich nichts vorzuwerfen hat. Aber ist das wirklich so?
Die Staatsanwälte zumindest plädieren auf schuldig, werfen ihm weiterhin schwere Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung vor. Vier Jahre und drei Monate Haft lautet das von ihnen geforderte Strafmaß. Nach mehr als acht Monaten Verhandlung vor dem Mannheimer Landgericht, einem reinen Indizienprozess, gehen sie davon aus, dass der prominente Wettermoderator im Februar 2010 seine langjährige Geliebte mit dem Messer bedrohte und sie vergewaltigte. Sie hatte ihn mit Wissen über eine andere Frau, eine Nebenbuhlerin, konfrontiert.
Er hatte nach einigem Hin und Her gleich mehrere andere Verhältnisse gestanden. „Man kann alle Indizien auch anders werten, aber es kommt auf die Gesamtschau an“, sagt Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge.
„Bist Du noch im Büro, Schatzi?“
Die Gesamtschau jedoch ist es, die der Öffentlichkeit alles andere als leicht fällt. Monatelang hatten wesentliche Teile des Prozesses hinter verschlossenen Türen stattgefunden, und nur mit Mühe ließ sich das auch an diesem Tag des Plädoyers verhindern. Staatsanwalt Oltrogge hatte nämlich gleich zu Anfang aus einem intimen Chat vom Nachmittag des mutmaßlichen Tattages zitiert.
Durch das Publikum geht ein Raunen, halb amüsiert, halb erstaunt über das Gehörte, und Verteidiger Johann Schwenn eilt gestikulierend zum Richtertisch. Man habe doch vereinbart, auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten Rücksicht zu nehmen. „Nun sieht die Staatsanwaltschaft wohl ihre letzte Chance, dem Angeklagten zu schaden, ihn bloß zu stellen“, argumentiert Schwenn und fordert erneut, die Öffentlichkeit auszuschließen. Nach einstündiger Beratung einigen sich alle Parteien darauf, das zu vermeiden, wegen „der Transparenz des Verfahrens“, wie der Vorsitzende Richter Seidling es formuliert.
Dienstag geht’s weiter
Über fünf Stunden legen die Staatsanwälte ihre Sicht der Dinge dar. Wohl wissend, dass die ehemalige Kachelmann-Geliebte Simone D. sie anfangs belog, gehen sie davon aus, dass die Wunden, die Kratzer und Blutergüsse an ihrem Körper echt waren und nicht selbst beigebracht. Dass die unzähligen Gutachten der Rechtsmediziner und Psychologen kein eindeutiges Ergebnis hatten, werten sie nicht als Beleg, dass es sich nicht doch so abgespielt haben könnte, wie Simone D. aussagte. Sie sprechen über deren Todesängste, die sie hinderten, jedes Detail der mutmaßlichen Vergewaltigung im Nachhinein wiederzugeben. Sie berichten davon, dass auch andere Geliebte von Grenzüberschreitungen beim Sex durch den Angeklagten erzählt hatten. Sie zitieren aus Briefen, in denen er seine Geliebten belog, ihnen vorspielte, er sei sterbenskrank, wolle sich deshalb trennen. Als sie Mails vorlesen, in denen Kachelmann Simone D. das zukünftige gemeinsame Zuhause ausmalt, fließen bei ihr die Tränen. Verstohlen wischt sie durch ihr Gesicht.
Nächsten Dienstag (24. Mai) werden die Verteidiger Kachelmanns plädieren.