Essen. . Sex, Macht und Öffentlichkeit waren Maybrit Illners Themen im ZDF-Talk am Donnerstag – und die Runde ihrer Gäste war sich einig, dass Prominente wie Dominique Strauss-Kahn oder Jörg Kachelmann durch den „medialen Pranger“ keine Chance auf die Unschuldsvermutung haben.

Vor einer Woche war Dominique Strauss-Kahn einer der mächtigsten Banker der Welt; jetzt ist er seinen Job als Chef des Internationalen Währungsfonds los und wegen Vergewaltigung angeklagt. Vor über einem Jahr war Jörg Kachelmann einer der beliebtesten Moderatoren im deutschen Fernsehen und ein erfolgreicher Geschäftsmann, jetzt wartet der wegen Vergewaltigung angeklagte Mann auf das Urteil in seinem Prozess. Ob Prominente wie diese beiden eine Chance auf einen gerechten Prozess haben, hat ZDF-Polittalkerin Maybrit Illner sich und ihre Gäste am Donnerstagabend gefragt: „Sex, Macht und Öffentlichkeit - im Zweifel gegen den Angeklagten?“

Macht Macht anfälliger für sexuelle Übergriffe oder anfälliger für Vorverurteilungen? Machen die „Schauprozesse in den Medien“ die Rechtsprechung fast überflüssig? Ist die Unschuldsvermutung nichts mehr wert? Warum riskieren Mächtige ihren Status? Nähert sich das deutsche Rechtssystem dem amerikanischen an? Und wenn ja – wie schlimm ist das? Nur eine kleine Auswahl der Fragen, die Illner stellte – kein Wunder, dass es in 60 Sendeminuten auf die wenigsten befriedigende Antworten gab.

Erklärungsversuche für das Motiv der Tat

Zum Warmmachen animierte Illner ihre Gäste, ein wenig zu spekulieren: Was könnte einen maßlos mächtigen und richtig reichen Mann wie Strauss-Kahn dazu gebracht haben, eine solche Tat zu begehen? Die Äußerungen sind so einfach wie egal: von Kabarettistin Maren Kroymanns Sinnieren - „der könnte doch jede haben“ und „warum riskiert er alles?“ - bis zum fast rührenden Erklärungsversuch von FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, dass mächtige Männer nicht mit ihresgleichen reden können, weil das als Schwäche ausgelegt werde – und dann schon mal an unpassenden Stellen nach Zuneigung suchten.

In der Diskussion spielten alle ordentlich ihre Rollen: Die Journalistin Heather DeLisle gab die anstrengend-laute Amerikanerin, Kabarettistin Maren Kroymann die unterhaltsame Feministin, Promi-Anwalt Christian Schertz plädierte für mehr Promi-Privatsphäre, FDP-Politiker Wolfgang Kubicki erhellte die Schattenseiten der Macht und Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen tat wenig mehr, als zu beobachten.

Zum Glück nicht sensationslüstern

Einig waren sich die Gäste – mit Ausnahme der selbstdarstellerisch-unwirschen DeLisle – darüber, dass auch reiche und mächtige Verdächtige ein Recht auf Privatsphäre haben, weil allein der Vorwurf einer Straftat einen Ruf unwiederbringlich zerstören kann. Und darüber, dass die Medien eine große Rolle bei Vorverurteilungen spielen und diese Rolle verschärft überdenken müssten.

Die Sendung hätte mehr Tiefgang erreichen können, wenn Illner sich und ihre Gäste auf ein paar weniger Fragen konzentriert hätte, anstatt viele große in die Runde zu werfen und die kurzen Antworten allein stehen zu lassen. Sie hätte auch sensationslüsterner geraten können: Gut, dass sie so nicht konzipiert war.