Essen. . Wer kennt sie nicht, die E-Mail-Offerten für Rolex-Uhren, nigerianische Millionenvermögen oder Viagra-Pillen in seinem elektronischen Postfach. Nun überschwemmt derartiger digitaler Unrat das soziale Netzwerk Facebook: Reißerische Video-Titel locken mit Sex und Gewalt zum Klick - wer nicht widerstehen kann, wird zur Werbe-Schleuder.

Facebook wird hierzulande immer beliebter: 13,5 Millionen Deutsche sind mittlerweile bei dem sozialen Netzwerk angemeldet. Auch viele Nordrhein-Westfalen sind bei der Internetseite registriert: Rund 99.000 Nutzer wies Facebook am Freitagmorgen für Essen aus, 198.000 für Dortmund, knapp 67.000 für Bochum und sogar rund 435.000 für Düsseldorf.

Sie alle lesen mit, wenn ihre virtuellen Freunde bei Facebook ihre Kommentare, Links ins Internet, Videos oder Bilder veröffentlichen: Facebook ist so angelegt, dass Nachrichten eines Mitglieds stets an alle „Freunde“ gehen - also Nutzer, die mit ihm verbunden sind. Die Nachrichten landen nicht nur im eigenen Profil, der Pinnwand - auch alle Freunde finden die Veröffentlichung auf ihrer Pinnwand vor.

Erfundene Überschriften sollen zum Klick reizen

Diese Funktionsweise machen sich gewiefte Geschäftemacher zu Nutze: Sie schieben ahnungslosen Facebook-Nutzern Links zu präparierten Internetseiten unter, auf denen sie Videos über Stars, Gewalt, Kuriositäten oder nackte Haut eingebunden haben. Um den Reiz zum Anklicken zu erhöhen, werden die Videos mit erfundenen Überschriften versehen.

„Topmodel fliegt auf die Fresse“ - jeder Klick hierauf führt dazu, dass der Facebook-Spam weiter verbreitet wird. Screenshot: sg
„Topmodel fliegt auf die Fresse“ - jeder Klick hierauf führt dazu, dass der Facebook-Spam weiter verbreitet wird. Screenshot: sg

Da wird frech behauptet, eine „Dschungelcampnervensäge verliert ihr Top bei einer Modenschau“, da wird das Erwürgen eines Mädchens vor laufender Kamera angekündigt oder der Abtransport des angeblich toten Schauspielers Charlie Sheen.

Schwindler missbrauchen die “Gefällt mir“-Fläche

Weil ein Link zu einem Video an sich aber noch keine Weiterverbreitung garantiert, greifen die Geschäftemacher zu einem Trick: Sie missbrauchen die „gefällt mir“-Schaltfläche, die Facebook fremden Internetseiten zur Verfügung stellt. Das hellblaue Feld mit dem Facebook-Symbol ist dazu gedacht, dass Internetnutzer Inhalte komfortabel bei Facebook veröffentlichen können.

Die digitalen Schwindler haben diese „gefällt mir“-Funktion manipuliert und unsichtbar in ihre Videos integriert. Versucht der Nutzer, das Video zu starten, merkt er gar nicht, dass er zunächst einen Verweis darauf auf seiner Facebook-Pinnwand veröffentlicht - und auf den Pinnwänden all seiner Freunde.

Plötzlich entsteht eine digitale Welle

„Diese Videos sehen völlig normal aus, wie es die Nutzer von Youtube und anderen Plattformen gewohnt sind. Sie können auch ganz normal abgespielt werden“, erklärt Andreas Kühn von der Erfurter Beratungsagentur Socialmediaschmiede. Der Verweis auf das Video führt nun zu einer Art digitaler Welle - weil viele Freunde des Nutzers dem Link vertrauen und ebenfalls klicken.

„Das sieht aus, als ob es mein Facebook-Freund selbst veröffentlicht hätte - zumindest glauben das viele, die auf ihrer Pinnwand solche Links finden“, sagt Tom W. Annemacher von der Internetagentur MeineWebdesigner aus Wien. Die Österreicher veröffentlichen mittlerweile alle derartigen Spam-Links in ihrem Weblog.

„Weiterleitung kann zu Viren führen“

Dass sich solche „Gefälligkeitsräubereien“ finanziell lohnen, zeigt ein Rechenexempel, das die österreichische Seite WebWizard.at angestellt hat: Der Aufbau einer präparierten Internetseite dauere ungefähr zwei Stunden. Über die Werbung, die auf einer solchen Seite eingeblendet werde, nähmen die Betrüger tausende von Euro ein.

Noch attraktiver sei es, die Seite mit illegalen Schadprogrammen zu spicken, die sich beim Aufruf der Seite auf dem Rechner des Benutzers installieren. Andreas Kühn pflichtet dem bei: „Die Weiterleitung kann zu Viren führen, die man sich auf der fremden Seite einfängt“.

„Typ erwürgt seine Schwester vor laufender Kamera“: Die Spamseitenbetreuer versuchen, sich die voyeuristische Interesse ihrer Opfer zunutze zu machen. Screenshot: sg
„Typ erwürgt seine Schwester vor laufender Kamera“: Die Spamseitenbetreuer versuchen, sich die voyeuristische Interesse ihrer Opfer zunutze zu machen. Screenshot: sg

Damit lassen sich etwa Rechner fernsteuern oder sensible Kreditkartendaten abgreifen. So steht die Seite mit dem Video vom angeblichen Tod des Schauspielers Charlie Sheen im Verdacht, solche Schadprogramme zu verbreiten.

Link bei Facebook als Spam melden

Schützen können sich Facebook-Nutzer einstweilen nur, indem sie genau hinschauen, bevor sie einen Link auf ihrer Pinnwand anklicken. Echte Videolinks führen auch zu den Seiten der Videoplattform - also zu youtube.com, vimeo.com oder auch myvideo.de. Im Zweifelsfall sollte ein solcher Link als Spam an Facebook gemeldet werden. Diese Möglichkeit verbirgt sich hinter dem „X“-Kreuz in der Ecke rechts oben in jeder Nachricht auf der Pinnwand.

Das Video vom angeblichen Erwürgen eines Mädchens vor laufender Kamera zeigt übrigens mitnichten eine brutale Straftat: In Wirklichkeit geht es um einen tragischen Unglücksfall in den USA - nur das Startbild des Videos passt zur reißerischen Überschrift. Wenn der neugierige Nutzer das bemerkt hat, haben die Spam-Verbreiter schon lange Kasse gemacht.