Stuttgart. .

Der Amokläufer von Winnenden und Wendlingen hatte nach Einschätzung seiner Mutter keine psychischen Probleme. Laut Vernehmungsprotokoll war der Grund für die depressive Diagnose ihres Sohnes ein Musterungsbescheid.

Der Amokläufer von Winnenden und Wendlingen hatte nach Einschätzung seiner Mutter keine psychischen Probleme. Ihr Sohn sei weder psychisch krank noch in stationärer Behandlung gewesen, sagte die 49-Jährige kurz nach der Amoktat laut einem am Dienstag vor dem Landgericht Stuttgart verlesen Vernehmungsprotokoll im Prozess gegen den Vater des Jugendlichen. Außerdem habe Tim K. nicht an Depressionen gelitten, sondern habe lediglich „Gespräche“ in der psychiatrischen Klinik in Weinsberg (Landkreis Heilbronn) geführt, betonte sie.

Die Kammer hatte am Dienstag überraschend die Beweisaufnahme wieder eröffnet und die Vernehmungen von drei Polizisten zugelassen, die die Ehefrau des Angeklagten vernommen hatten. Ursprünglich waren für diesen Tag die Plädoyers der 19 Nebenklage-Vertreter erwartet worden.

Vater muss sich verantworten

Der Vater muss sich seit Mitte September vor Gericht verantworten, weil er seinem Sohn Zugriff auf eine erlaubnispflichtige Schusswaffe sowie Munition ermöglicht haben soll. Der 17 Jahre alte Schüler hatte am 11. März 2009 bei einem Amoklauf in Winnenden und seiner Flucht in Wendlingen 15 Menschen und sich selbst getötet. Die Tatwaffe hatte er aus dem Schlafzimmer der Eltern entwendet. Der Angeklagte wohnt dem Prozess seit Ende Oktober vergangenen Jahres nicht mehr bei.

Die Mutter des Amokschützen, die im Prozess von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, hatte sich nach Gerichtsangaben bereits am vergangenen Donnerstag mit der Verwertung ihrer Angaben bei der Polizei einverstanden erklärt. Laut Vernehmungsprotokoll war der eigentliche Grund für die depressive Diagnose ihres Sohnes ein Musterungsbescheid vom Kreiswehrersatzamt. Da ihr Sohn keinen Wehrdienst leisten wollte und in der Klinik gewesen sei, hätte sie eine depressive Erkrankung als Grund für die Ausmusterung des Sohnes vorgetäuscht, erläuterte sie.

Mutter streitet Wissen über Tötungsfantasien ab

Sie stritt allerdings ab, von den behandelnden Ärzten in der Klinik von den Tötungsfantasien und dem „Haß auf die Welt“ ihres Sohnes informiert worden zu sein. „Von diesem Gedanken hatte ich nichts gewusst“, sagte die 49-Jährige. Sie betonte, dass sie und ihr Mann „pflichtbewusste Eltern“ seien und „viel vorsichtiger“ gewesen wären, hätten sie davon gewusst. Es sei ihr lediglich gesagt worden, ihr Sohn sollte mehr in Kontakt mit Anderen treten.

Die 49-Jährige erklärte auch den Grund, warum Tim K. fünfmal zu „Gesprächen“ in der Klinik war. So soll ihr Tim in einem Streit über seine schwachen Schulleistungen gesagt haben, er wüsste, was mit ihm los sei und zeigte ihr einen Bericht aus dem Internet über „bipolare Störungen“ und „manische Depression“. Daraufhin habe sie in Absprache mit dem Vater und dem Hausarzt nach einer psychiatrischen Klinik aufgesucht.

Widersprüchliche Aussagen

Widersprüchliche Angaben machte die Mutter in Bezug auf den Verwahrungsort der Tatwaffe. Während sie zunächst vom Schlafzimmer sprach, stritt sie in zwei späteren Vernehmungen jegliches Wissen darüber ab. Sie fügte hinzu, dass sie den Code des Waffentresors des Angeklagten zwar kannte, ihn aber nie aufgeschrieben habe. Ihrer Ansicht nach kannte der Amokschütze den Code nicht.

In ihrer letzten Vernehmung am 25. März 2009 schilderte sie zudem die Situation ihrer Familie. „Wir sind seit Tagen auf der Flucht vor allen und jedem“, sagte sie und betonte, sie sei mit der Situation überfordert. „Wir werden immer mit der Last leben müssen, dass 15 Menschen ums Leben kamen und unser Sohn verstorben ist“, sagte sie und warf sich vor, „dass wir diese Sache in keinster Weise erkannt haben“.

Nach Gerichtsangaben soll der Prozess am 27. Januar mit den Schlussplädoyers der Nebenklage fortgesetzt werden. Am 1. Februar wird dann das Schlusswort der zwei Verteidiger erwartet. (dapd)