Essen. .

Demografischer Entwicklung, später Trennung und Scheidung sei Dank: Senioren sind für Internet-Kontaktbörsen eine begehrte Zielgruppe. Nicht alle Alleinstehenden wollen im Alter vereinsamen.

Renate, Anfang fünfzig, hatte genug von der Einsamkeit. Sie wollte abends wieder etwas mit ihrem Liebsten unternehmen, raus vor die Tür, essen, ein Glas Wein trinken, danach noch gemeinsam auf der Couch lümmeln – einfach glücklich sein. Der Plan dazu war da – nur der Liebste nicht. Jedenfalls so lange nicht, bis Renates Sohn sie dazu angeregt hat, doch mal im Internet zu schauen, denn das reale Leben bot nicht den Richtigen. Den fand sie schließlich im Netz: Johannes. Acht Monate nach dem ersten Click auf einer Online-Partnerbörse standen die beiden vor dem Altar. „Man darf sich nicht hängen lassen“, schrieb Renate nach ihrem zweiten Hochzeitstag, „ich wünsche allen so ein großes Glück wie ich mit meinem Johannes.“

Ein paar Clicks, dazu selbst ausgewählte persönliche Angaben – und schon ist das Profil fertig.
Ein paar Clicks, dazu selbst ausgewählte persönliche Angaben – und schon ist das Profil fertig. © Pascal Rest

Etablierte, „Best Ager“
und die Generation Silber

Die Suche nach dem richtigen Partner fürs Leben findet schon lange nicht mehr allein in Bars und Discos statt. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts emnid sind 15 Millionen Menschen bei einer der deutschsprachigen Kontaktbörsen registriert. In über 2500 Flirtportalen um-garnen sich Singles – und zwar jeden Alters. So haben sich viele Partnervermittlungen auf die Altersgruppe 50 und mehr spezialisiert. Denn die demografische Entwicklung macht die Etablierten (40 bis 49 Jahre), „Best Ager“ (50 bis 59 Jahre) und die „Generation Silber“ (60 Jahre und älter) zu einer beliebten Zielgruppe.

Zumal die Zahl der Trennungen im Alter und Spätscheidungen rapide zunimmt. Ob Mann oder Frau: Das eigene Selbstwertgefühl rückt nach den gemeinsamen Jahren, in denen vielleicht auch Rücksicht auf die heranwachsenden Kinder genommen wurde, wieder in den Mittelpunkt; die vor sich hinschleichende Entfremdung führt eines Tages zur Trennung. Und dann? Geht die Suche von vorne los. Auf jeden Pott passt ein Deckel.

Denn die Wenigsten wollen vereinsamen, sondern sich stattdessen einem neuen Menschen, dem sie vertrauen können, öffnen. „Noch vor ein oder zwei Generationen nahm man sich und seine Lebensumstände in diesem Alter ganz anders wahr“, sagt die Psychologin Lisa Fischbach, die im Senioren-Kompass der Online-Partnervermittlung ElitePartner.de Wissenswertes für die Generation 55 plus herausgestellt hat, „die heutigen Best Ager genießen ihr Seniorenalter mit Lebensfreude und positiver Energie.“

Er mag Ärztinnen,
Sie den Unternehmer

Und dies trotz aller Skepsis gegenüber dem Medium im Internet. Ein paar Clicks, ein paar selbst ausgewählte Angaben zur eigenen Person, fertig ist das Profil. Und prompt befindet man sich daheim am PC auf der digitalen Suche nach dem Lebenspartner. Der Vorteil: Man selbst bestimmt das Tempo. Viele Kontaktbörsen bieten umfangreiche Foren, oft in regionale Ballungsräume unterteilt, über die man vielleicht auch erstmal freundschaftliche Kontakte aufnehmen möchte.

Während junge Menschen häufig unbedarfter auf die Suche gehen, sind die Ansprüche der Singles über 55 hoch: Besonders beliebt bei Ihm sind Ärztinnen, Sie favorisiert den Unternehmer, der natürlich auch gut ausschauen darf. Was den Liebessuchenden natürlich auch unvermeidlich vorgesetzt wird, sind Fassaden, nicht selten sogar ganze Lügengebilde, sogenannte Fakes. Das betrifft sowohl die Inserierenden als auch Betreiber: Gerade Portale, die mit exorbitant hohen Frauenquoten werben, sollten stutzig machen. Und alles, was über das zumeist kostenlose Angebot hinausgeht und teurer ist als 20 bis 30 Euro, ebenfalls.

Es ist müßig zu betonen, dass sich im Internet Schwindler tummeln. Vertrauensweckende Mails? Echt ausschauende Bilder? Alles Schnee von gestern, wenn der Partner beim ersten Treffen vor einem steht und 20 statt nur zwei Jahre älter ist oder er von Körperpflege nicht so viel hält wie zuvor geschrieben. Setzt man sich aber doch zum Abendessen an einen Tisch, sind beide Personen wieder ganz auf sich alleine gestellt. Und zurück im wahren Leben – mit all seinen Schikanen.