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Tuninglove, Himmlisch Plaudern oder doch lieber Sugardating? Online-Singlebörsen sind beliebt wie nie. Keine Vorliebe scheint zu verrückt oder skurril - auch spezielle Geschmäcker werden im digitalen Warenhaus bedient.
„Wir verlieben dich“, „Singles mit Niveau“ oder „Einfach den richtigen Partner finden“ – auffällige Werbungen gegen das Alleinsein schwirren wie ein digitaler Mückenschwarm um die Augen der Internetnutzer. Doch es scheint zu wirken: Neun Millionen Menschen oder 18 Prozent aller deutschen Internetnutzer haben bereits online einen neuen Partner gefunden. Das ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Aris im Auftrag des Branchenverbandes BITKOM. Vor einer gezielten Suche im Internet schrecken auch ältere Leute nicht mehr zurück: Haben sie erst einmal den Weg ins World Wide Web entdeckt, liegen Senioren bei der Kontaktpflege weit vorne. Fast 60 Prozent der Internetnutzer über 65 Jahren haben gute Freunde im Internet kennengelernt, jeder Vierte sogar einen Lebensgefährten. Zum Vergleich: Bei den 14- bis 39-Jährigen sind es 42 Prozent, die Freundschaften geknüpft haben; 16 Prozent haben ihren Partner online gefunden.
Forscher Jan Skopek von der Uni Bamberg hat sich im Fachbereich Soziologie mit dem Phänomen Online-Singlebörse beschäftigt. Er bestätigt, dass ein Großteil der Menschen Online-Portale nutzt, um einen geeigneten Partner zu finden. Zu einer Veränderung der Beziehung komme es durch die Online-Suche allerdings nicht. „Die Nutzer haben bloß einen anderen Weg gefunden, um neue Leute kennenzulernen“, sagt Skopek. Im realen Leben sei es häufig schwierig, Leute zu finden, die den eigenen Vorstellungen entsprächen. „Im Internet können die Nutzer selektieren und systematischer suchen“, schildert er die Vorteile. „Die Plattformen sind genau darauf ausgerichtet und bündeln die Suchenden.“ Anhand von Studien zu Eheschließungen erklärt Skopek, wie wichtig Bildung für die Partnersuche geworden ist: „Eheschließungen zwischen Gleichgebildeten haben über die letzten 40 Jahre zugenommen.“ Ein Erklärungsversuch sei, dass Frauen beim Bildungserwerb aufgeholt hätten. Dadurch würden allerdings auch Ungleichheiten entstehen: „Akademiker heiraten häufig andere Akademiker. Nicht-Akademiker bleiben unter sich“, so Skopek. Die Präferenzen der Singles würden immer mehr wachsen. „Eine Studentin wird hohe Ansprüche an die Bildung ihres Partners haben und weniger nach einem niedriger gebildeten Mann suchen.“ Auch der Einfluss der Eltern auf die Partnerwahl ist nach Skopek nicht mehr so stark. „Junge Leute treffen ihre Partnerwahl selbst, ohne die Eltern.“
Warenhaus voller toller Angebote
Ein paar gezielte Klicks - schon blickt man plötzlich auf das Profil eines fremden Menschen mit den gleichen Hobbys, dem gleichen Musikgeschmack oder ähnlichen Vorlieben. Vanessa Zeh von der Singlebörse eDarling bestätigt den Trend, sich online auf die Suche zu begeben: „Digitale Medien spielen heute bei der Anbahnung von Beziehungen eine immer wichtigere Rolle. Immer mehr Menschen lernen ihren Partner fürs Leben online kennen.“ Auch Kontakte, die man offline erworben hat, würden über digitale Medien wie E-Mails, SMS, Facebook oder StudiVZ weiterentwickelt. Die Vorteile liegen für sie klar auf der Hand:„Online Dating ist wirtschaftlich gesprochen ein sehr effizienter Prozess: Man kann viele Menschen in einer kurzen Zeit kennenlernen. Anders als in der Disko oder an der Bar sind die Suchenden unter sich und die gegenseitige Ansprache fällt auf dem digitalen Weg vielen leichter“, sagt Zeh.
Die Singlebörse „Datingcafe“ ist bereits seit 1998 auf dem Markt und gehört mit über einer Million Nutzern zu den größten Agenturen Deutschlands. Sprecherin Kathrin Brockmann ist überzeugt davon, dass die Besucher heute viel besser über die Risiken und Vorteile Bescheid wissen. „Die Leute sind nicht mehr so blauäugig wie früher. Sie wissen, dass sie unterschiedliche Personen ausprobieren müssen und sind nicht mehr so schnell gefrustet, wenn es nicht gleich auf Anhieb klappt.“ Brockmann vergleicht die Suche im Internet mit einem Kaufhaus: „ Eine Singlebörse ist wie ein Warenhaus voller toller Angebote. Trotzdem muss man genau hinsehen.“ Die meisten Singles würden einen Partner, der in der Nähe wohnt, bevorzugen. „Männer orientieren sich in Bezug auf Bildung und Alter eher nach unten, Frauen suchen dagegen eher ältere, gebildete Männer“, weiß Brockmann. Ein verruchtes, schmuddeliges Image haben Partnerbörsen ihrer Meinung nach heute nicht mehr: „Die Akzeptanz ist viel größer. Die Leute suchen gezielter nach ihren Interessen, Schließlich möchte man online jemanden treffen, dem man nicht unbedingt im Supermarkt in die Hacken fährt.“
Spezielle Singlebörsen
Doch auch ganz ausgefallene Geschmäcker der Flirtbegeisterten werden im Netz bedient. Bei Tuninglove, Uni Kuscheln, Landflirt, Schwarzes Glück, Metalflirt, Reif trifft Jung, Reiterflirt, Date my dog, Veggie Community, Lotus Café oder Sugardating findet zusammen, was zusammen gehört. Auch für ausländische Singles gibt es spezielle Partnerbörsen, wie z.B. Polonia-Flirt oder Greek-Date. Religiösen Singlebörsen wie Muslima.com, Christ sucht Christ oder Himmlisch Plaudern vermitteln Kontakte zu Menschen mit den gleichen religiösen Ansichten. Landwirte und Bauern lockt Landflirt seit 2000 vor die Rechner. 450 - 600 aktive Mitglieder sind hier angemeldet. Zwei Drittel Männer, ein Drittel Frauen. Gerade Landwirte haben neben der Arbeit auf dem Hof häufig wenig Zeit , Bekanntschaften zu schließen. Das Internet eröffnet ihnen jetzt ganz neue Möglichkeiten. „ Die Leute wissen, dass sie bei uns eine große Chance haben, jemanden mit den gleichen Interessen kennenzulernen. Sie schalten meistens zwischen vier und zwölf Wochen lang Inserate, bis sie eine passende Person gefunden haben“, erläutert Stefan Licher von Landflirt. Vorteile sieht er in der Anonymität: „Man kann sehr schnell mit anderen Menschen ins Gespräch kommen, aber auch genauso schnell den Kontakt wieder abbrechen, was im normalen Leben schwieriger wäre.“
Lotus Café dagegen ist eine Community für spirituell interessierte Menschen. Man kann sich hier verabreden, Freundschaften schließen oder auch den Partner fürs Leben kennenlernen. Das Durchschnittsalter bei Lotus Café liegt bei über 45 Jahren, es gibt zirka 19850 Mitglieder. „Es geht hier nicht nur ums Flirten“, erklärt Sprecherin Coco Caroline Heinrichs. „Bei uns treffen sich Leute die meditieren und Yoga machen. Sie können bei Lotus Café unter sich sein und sich austauschen.“ Viele Leute würden sich nicht lange schreiben, sondern sich schnell live treffen. „Unser Portal wird als Erstkontakt genutzt. Danach organisieren sich die Leute selber.“
Moviedates setzt auf ganz andere Internetnutzer. „Wir tendieren zum realen Leben. Filminteressierte können sich hier zu Kinobesuchen verabreden und die Chance nutzen, sich zu treffen“, so Sprecher Mario Geericke. Moviedates arbeitet mit 164 Kinos in ganz Deutschland zusammen. Die Nachfrage war da und so entstand die Dating-Börse 2006. Mittlerweile hat Moviedates zwischen 2000 und 4000 Mitglieder. Bei Kinobesuchen haben die Leute immer ein Gesprächsthema. Außerdem erhält jedes Date einen Bonus beim Kinobesuch. „Entweder ein 2 for1Ticket oder eine Tüte Popcorn. Jedes Kino bietet dem Kunden etwas besonderes.“
Leidensdruck
Eine Singlebörse der ganz anderen Art ist auch Handicap Love (45 000 Mitglieder). „Es macht Sinn in eine spezielle Singleböse einzutreten - aus einer Notwendigkeit heraus, wie beispielsweise bei Behinderten“, erklärt Gründer Benedict Schmid. Es müsse ein Leidensdruck oder eine Ausgrenzung da sein, um in eine spezielle Singlebörse einzutreten. Die Idee dazu hatte persönliche Hintergründe: „Ich habe mich früher immer über meine Pickel aufgeregt. Dann habe ich mich gefragt, wie es wohl Menschen mit einem wirklichen Handicap gehen muss.“ Auch Schmid beobachtet, dass immer mehr Menschen das Internet nutzen, um einen Partner zu finden: „Im Internet sind die Hemmungen nicht so groß. Die Leute gehen unbefangener aufeinander zu. Online ist man mutiger und gibt sich nicht so verkrampft wie im normalen Leben.“