Essen/Witten.

Die Zahl spricht für sich: Nur rund fünf Prozent der 2080 deutschen Kliniken beschäftigen einen Facharzt für Hygiene.Viele andere behelfen sich mit so genannten Hygiene-Beauftragten, Klinikärzten mit Kurzschulungen .

In Hospitälern, in denen der Hygiene zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, kann es für Kranke gefährlich werden. Zwischen 500 000 und einer Million Patienten infizieren sich pro Jahr mit Klinikkeimen. Zwischen 20 000 und 40 000 Betroffene überleben das nicht, schätzt Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene in Berlin. Die häufigsten Krankenhaus-Infektionen sind Harnwegserkrankungen nach Katheter-Gebrauch, gefolgt von Atemwegsinfektionen, die zu Lungenentzündungen führen können. Den dritten und vierten Platz belegen Wundinfektionen nach einer OP und Sepsis, also die Blutvergiftung.

In der Beweispflicht

Stichwort: Haftung. Im Ernstfall muss übrigens der Arzt, nicht der Patient, nachweisen, dass Hygieneregeln nicht verletzt wurden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Januar 2008.

Trotzdem beobachtet Professor Manfred Wolff vom Institut für Mikrobiologie und Virologie an der Uni Witten/Herdecke: „Viele Klinikärzte, auch niedergelassene Mediziner, desinfizieren ihre Hände nicht ausreichend, nämlich vor jedem neuen Patienten-Kontakt.“ Die Hände seien aber der Hauptübertragungsweg für Viren, Bakterien und Pilze. Der Professor, der Hygienefachkräfte ausbildet, weiß auch, dass das „Desinfektionsverhalten“ mit der Klinik-Hierarchie nach oben hin abnimmt. „Schwestern und Pfleger machen das in der Regel noch ordentlich.“

Jedes Krankenhaus in Deutschland ab 450 Betten müsste daher einen hauptamtlichen Facharzt für Hygiene beschäftigen, fordert Wolffs Kollege Zastrow. „Kleinere Häuser können sich so jemanden teilen.“ Das Problem: Selbst wenn Hygiene-Fachärzte für alle Hospitäler Pflicht würden, findet man diese Mediziner auf dem deutschen Markt derzeit nicht. Zastrow: „Da es an den meisten Kliniken keine Stellen für Hygiene-Fachärzte gibt, bestand bei Kollegen wenig Neigung, diese Ausbildung zu wählen.“