Witten. .
Der Tod dreier Säuglinge in der Uni-Klinik Mainz hat auch in den beiden Wittener Krankenhäusern Entsetzen und Anteilnahme ausgelöst.
„Man fragt sich natürlich, ob das hier auch passieren könnte und wie es zu verhindern wäre“, erklärt Dr. Jan Becker, Leiter der Frühgeborenen- und Kinderintensivstation im Marien-Hospital.
Seitdem er vor drei Jahren in Witten angefangen habe, erzählt Becker, setze er alles daran, dass so etwas wie in Mainz nicht geschehen könne. „Doch niemand soll sich auf das hohe Ross setzen und sagen, so etwas kann es bei uns nicht geben“, sagt er. Infekte seien das größte Risiko für Neugeborene. In Mainz ist der Tod der Kinder zwar noch nicht aufgeklärt. Die verabreichten Ernährungslösungen waren aber offensichtlich mit Fäkalkeimen verseucht.
Auf der Intensivstation in Witten, wo 14 bis 16 kleine Patienten liegen, sind Infusionen an der Tagesordnung. Ernährungslösungen, die über die Vene verabreicht werden, unterlägen strengsten Hygieneregeln, sagt Becker. Denn die Infusion geht direkt ins Blut. Mit ihrem noch nicht ausgebildeten Immunsystem hätten die Säuglinge keine Chance, Keime abzuwehren.
In Witten würden die Infusionen aber direkt auf der Station von der jeweils zuständigen Schwester zubereitet. Becker: „Sie ist verantwortlich.“ Die Pflegekraft gehe vielleicht noch einmal mit einer anderen Sorgfalt als eine Fremde an die Sache, wenn sie wisse, für wen die Lösung sei.
Jeder Schritt ist genau festgelegt. Die Schwester stellt die Infusion in einer Art verglasten Werkbank her. Mit sterilen Handschuhen und Mundschutz greift sie dort hinein. Ein ständiger Luftstrom sorgt dafür, dass mögliche Keime rausgeblasen werden.
Was das Einhalten von Hygienevorschriften anbelangt, nimmt Becker Ärzte und Pflegekräfte gleichermaßen in die Pflicht. Auch auf der normalen Schulkinder- und Säuglingsstation werde nur OP-Kleidung getragen. Wie wichtig gerade die Desinfektion der Hände sei, werde auch den Eltern vermittelt, bevor sie in den Brutkasten greifen. Ähnliche Fälle wie in Mainz habe es zum Glück noch nicht gegeben, so Becker.
Hygienepläne für die einzelnen Stationen sowie Hygienebeauftragte gibt es sowohl im Marien-Hospital wie auch im Evangelischen Krankenhaus (EVK). Denn Keime lauern überall in Kliniken. Sie sollen jährlich für 40 000 Todesfälle in deutschen Krankenhäusern verantwortlich sein. Ein großes Thema ist etwa der multiresistente Keim MRSA.
Das Marien-Hospital hat vor zwei Jahren mit einem gezielten Hygienekonzept zu MRSA begonnen. Bestimmte Patienten werden bei der Neuaufnahme „gescreent“. Man nimmt einen Abstrich von Nasen und Rachen, um dann gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen bis hin zur Isolierung einzuleiten. Hygienefachkraft Susanne Müller spricht von einem großen Beratungsbedarf bei Patienten und Angehörigen. Allerdings holen sich viele diesen Keim erst im Krankenhaus.
Müller selbst verbringt einen Großteil ihrer Zeit damit, Infektionen zu erfassen. So kann sie nachvollziehen, wenn es eine bestimmte Häufung von Erregern auf einer Station gibt. Es gebe eine Liste mit acht aufzeichnungspflichtigen Erregern. Müller: „Ich stelle die Daten in der Hygienekommission vor, etwa wenn sich Resistentenlagen ändern.“ Natürlich gelangen Keime oft auch von außen ins Krankenhaus. Das EVK unterziehe deshalb „alles, was bei uns reingeht“ - Medikamente, Nährstofflösungen, Infusionen - einer Eingangskontrolle durch die Hausapotheke, sagt Sprecher Jens-Martin Gorny.
Würden sich alle nur immer wieder die Hände waschen. Weil man potenzielle Überträger von Keimen schnell vergisst, hat sich Dr. Becker, Leiter der Kinderklinik im Marien-Hospital, selbst im Privatleben abgewöhnt, „Uhr und Ring zu tragen“.