Washington. .

Aus dem offenen Bohrloch im Golf von Mexiko treten möglicherweise täglich bis zu acht Millionen Liter Öl aus, die bis zur Installation des Absaugtrichters in den Golf von Mexiko flossen. BP erwägt wegen der Kosten eine Kürzung der Dividende.

Weit schlimmer als befürchtet: Bei der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko schätzen die meisten Experten inzwischen, dass die Menge des aus dem offenen Bohrloch austretenden Öls pro Stunde höher ist als anfänglich für einen gesamten Tag angenommen wurde. Demnach sind seit der Explosion der Ölbohr-Insel „Deepwater Horizon“ am 20. April täglich bis zu acht Millionen Liter ausgetreten, wie die Direktorin des Geologischen Dienstes, Marcia McNutt, sagte.

Marcia McNutt koordiniert die unterschiedlichen Schätzungen der Experten. Die Angaben gelten für den Austritt vor dem 3. Juni, als ein beschädigtes Steigrohr abgesägt und ein Absaug-Trichter über die defekte Bohrleitung gestülpt wurde. Nach dem Absägen trat nach Angaben des Konzerns BP bis zu 20 Prozent mehr Öl aus, über den Trichter wurden bislang mehr als elf Millionen Liter abgesaugt.

Obama sagt Hinterbliebenen der Ölarbeiter Hilfe zu

„Das ist ein Alptraum, der jede Woche schlimmer wird“, sagte Michael Brune, Direktor des Sierra Clubs. „Wir können den Schätzungen von BP über die Menge des austretenden Öls ganz offensichtlich nicht trauen.“ Die Schätzungen sind noch immer nicht endgültig, das Ozeanografische Institut Woods Hole etwa nannte noch höhere Zahlen: Zwischen 3,8 Millionen und acht Millionen Liter Öl träten demnach täglich aus - insgesamt somit bislang fast 400 Millionen Liter. Andere Experten sprechen von rund 240 Millionen Litern. Nach der Havarie der „Exxon Valdez“ 1989 vor Alaska, der bisher schwersten Ölkatastrophe in US-Gewässern, strömten insgesamt 41 Millionen Liter Öl ins Meer, so viel wie den Schätzungen zufolge derzeit im Golf von Mexiko alle fünf bis 13 Tage.

US-Präsident Barack Obama versicherte unterdessen den Hinterbliebenen der elf Arbeiter, die bei der Explosion der „Deepwater Horizon“ getötet wurden, seine Unterstützung. 51. Tage nach der Katastrophe empfing er die Familien am Donnerstag im Weißen Haus, und Keith Jones, dessen Sohn am 20. April ums Leben kam, erklärte danach: „Er sagte uns, dass wir nicht vergessen werden.“ Zuvor hatte Obama die Führung des Kongresses über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ölpest informiert.

US-Kongress stellt Küstenwacht mehr Geld für die Beseitigung der Ölpest zur Verfügung

Zudem ließ Obama die Verantwortlichen des Ölkonzerns BP für kommenden Mittwoch zu Gesprächen über die Bekämpfung der Ölpest ins Weiße Haus bestellen. Ein entsprechendes Einladungsschreiben habe der Chef der US-Küstenwache, Admiral Thad Allen, an den BP-Vorsitzenden Carl-Henric Svanberg geschickt, hieß es am Donnerstag in Washington.

Der US-Kongress stellte der Küstenwacht unterdessen mehr Geld für die Beseitigung der Ölpest zur Verfügung. Ein Gesetz, das die bisherige Obergrenze von hundert Millionen Dollar aufhebt, die die Küstenwacht aus einem Regierungsfonds nutzen konnte, wurde am Donnerstag an Obama weitergeleitet. Ansonsten wäre der Küstenwacht in der kommenden Woche das Geld ausgegangen, erklärte der Abgeordnete James Oberstar, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Repräsentantenhauses.

BP gewährte dem Staat Florida eine Beihilfe in Höhe von 25 Millionen Dollar (21 Millionen Euro) zur Unterstützung von dessen Krisenmaßnahmen. Zuvor habe der Staat bereits dieselbe Summe für Pläne zur Bewältigung der Krise und weitere 25 Millionen zur Unterstützung der Tourismusindustrie erhalten, erklärte BP am Donnerstagabend.

BP erwägt wegen der hohen Kosten eine Kürzung der Dividende

BP gerät wegen der Ölpest im Golf von Mexiko wirtschaftlich und politisch immer mehr unter Druck. Der Konzern erwägt wegen der hohen Kosten für den Kampf gegen die Umweltkatastrophe nun eine Kürzung der Dividende, wie BP-Chef Tony Hayward dem „Wall Street Journal“ vom Freitag sagte. US-Präsident Barack Obama bestellte zudem den Vorsitzenden des BP-Aufsichtsrates, Carl-Henric Svanberg, ins Weiße Haus ein.

BP erwäge „alle Optionen bezüglich der Dividende“, sagte BP-Chef Hayward der Zeitung. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Sie soll laut Bericht am 27. Juli verkündet werden. Demnach könnte die Dividende, die BP quartalsweise auszahlt, für das zweite Quartal entweder gekürzt werden oder sogar ganz ausfallen. Die Aktionäre könnten dann statt Geld Anteile am Unternehmen bekommen.

BP hatte am Dienstag versichert, die Dividende für das erste Quartal werde ausgezahlt. Im vergangenen Jahr schüttete das Unternehmen insgesamt umgerechnet 8,3 Milliarden Euro Dividende aus. Die BP-Aktie verlor seit dem Unglück zwischenzeitlich um bis zu 50 Prozent, wodurch Gerüchte um eine mögliche Übernahme des Konzerns die Runde machten. Am Donnerstag war die Aktie des Konzerns an der Londoner Börse um 15,7 Prozent eingebrochen, bevor sie sich bei einem Minus von rund fünf Prozent einpendelte. Am Freitag erholte sich das Papier am Londoner Handelsplatz weiter und gewann am Vormittag bis zu 6,85 Prozent. (apn/afp)

  • Auf der Website „If It Was My Home“ soll die Ausbreitung des Ölteppichs und der Ölschwaden unter Wasser im Größenverhältnis visualisiert werden