London. .
Die Hemdsärmel seines blütenreinen, blauen Hemdes hochgekrempelt, der Blick freundlich, offen und geduldig – aber auch sehr, sehr müde. So sieht es aus, das offizielle Gesicht der größten Öl-Katastrophe in der US-Geschichte. Es gehört dem englischen BP-Chef Tony Hayward, dem zurzeit wohl meistgehassten Mann Nordamerikas. Eine unkontrolliert sprudelnde Ölquelle, die Millionen Barrel Öl in den Golf von Mexiko absondert, ist das eine Pro-blem des Mineralölkonzerns. Das andere heißt Tony Hayward, seit drei Jahren Geschäftsführer bei BP, seit sechs Wochen umstrittene Spottfigur im Fegefeuer der Weltöffentlichkeit. Fast täglich stellt sich der promovierte Geologe mit seinem sanften, britischen Akzent den Fragen der Reporter, die Maßnahmen am Unglücksort überwacht er persönlich, jede neue Entwicklung lässt er transparent im Internet dokumentieren. Kurzum: Hayward verhält sich, wie man es vom Chef einer Firma erwarten würde, die einen sehr großen Fehler gemacht hat.
Doch seine Mühen sind umsonst – der Brite steckt in dieser Umweltkrise die meiste Prügel ein. US-Präsident Barack Obama tat jüngst kund, dass „Hayward für mich nicht mehr arbeiten würde“. Berufsfischer und Unternehmer an der Küstenlinie verfluchen ihn, Umweltschützer fordern seinen Rücktritt. Während Hayward in den USA wie selten eine Führungskraft vor ihm in einem gnadenlosen Politik- und Mediensturm gefangen ist, gehen bei seiner Frau Maureen und den zwei Kindern im heimischen Südengland Drohanrufe ein. Sie stehen seit gestern unter Polizeischutz.
In Ungnade gefallen ist Hayward vor allem für Äußerungen, die man je nach Perspektive als tollpatschig, realitätsfern oder arrogant bezeichnen könnte. Das Leck verursache „keine großen Schwierigkeiten“, hatte er gleich nach dem Unglück gesagt, denn der Ölteppich sei relativ klein, der Ozean hingegen groß: „Die Umweltschäden werden dementsprechend gering ausfallen.“ In einem Interview, in dem es auch um die elf toten Arbeiter der Ölplattform ging, bemerkte der Krisenmanager zu allem Überdruss: „Wissen Sie, ich hätte auch gerne mein altes Leben zurück.“ Und als der Konzern zuletzt verzweifelt versuchte, seinen Image-Schlamassel mit einem TV-Spot zu korrigieren, fuhr Hayward allen in die Parade. „Wir bringen alles wieder in Ordnung“, sagt er in der Werbung - doch im Interview vermittelte er alles andere als Zuversicht: „BP haben nicht die Werkzeuge zur Verfügung gestanden, die man gern in seinem Werkzeugkoffer gehabt hätte.“
Der 53-Jährige hat allerdings nicht nur ein PR-Problem; auch die Frage nach seiner persönlichen Verantwortung für der Katastrophe wird lauter. Bei den Off-Shore-Bohrungen wurde nach US-Berichten selbst gegen BP-interne Richtlinien zur Sicherheit, Kommunikation und Notfallplanung verstoßen. Die Hinweise sind besonders pikant, denn Hayward hatte seinen glücklosen Vorgänger nach einem Unglück in einer Raffinerie in Texas abgelöst. Sein erklärtes Ziel beim Jobantritt war: „Wir müssen ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem niemand verletzt wird. Punkt.“
Die Bedrängnis, in die sich der Geologe mit seinen Äußerungen gebracht hat, lässt er sich keineswegs anmerken. „Ich bin Brite“, sagt er, „ich halte sowas aus. Behandeln Sie mich gerne als Ihren Blitzableiter.“
In der Tat kollidieren britisches und amerikanisches Empfinden in der Causa Hayward kräftig. Radiohörer und Moderator reagierten merklich verschnupft, als ein Meeresbiologe aus Florida letztens bei einer Live-Schaltung schimpfte: „Ich habe ja jetzt mal kluge Briten am Hörer: Also verraten Sie mir, warum der Schurke sich halten kann. Ist der bei Euch ein Lord, Herzog, Ritter oder so was?“ Haywards Coolnesss kommt für Amerikaner blasiert daher.
Unterstützung erhält der BP-Chef mit einem geschätzten Jahreseinkommen von fünf Millionen Euro mittlerweile auch von unerwarteter Seite. „Am schädlichsten sind für uns Medienberichte, die klingen, als würde die Küste von Texas bis Florida knietief im Öl versinken“, so Haley Barbour, Gouverneur von Mississippi. Und Admiral Thad Allen von der US-Küstenwache antwortete auf die Frage, ob er BP vertraue: „Ich vertraue Tony Hayward.“
Guter Ruf bei BP
Diesen Ruf genießt der Brite auch bei BP, wo Aktionäre und Vorstand ihm zurzeit noch den Rücken stärken. Wie lang der Mann, der sich aus bescheidenen Verhältnissen einer Großfamilie mit sieben Kindern an die Spitze des globalen Konzerns hochgearbeitet hat, noch halten kann, ist ungewiss. Stolpert er demnächst über das Fiasko, dürfte er sich abseits vom Rampenlicht über sein ganz persönliches Glück im Unglück freuen: Einen Monat vor dem Unglück hat Hayward einen großen Teil der mittlerweile abgestürzten BP-Aktien gewinnbringend verkauft.