Essen. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr bietet ab sofort neue Anreize zum Umstieg auf Bus und Bahn. Wenn Pannen, Krankenstand und Baustellen nicht wären.

Zwei neue Regionalexpress-Linien im Sauer- und im Bergischen Land, die Stadt Herten endlich am S-Bahn-Netz und vier neue Schnellbuslinien mit Bahn-Anknüpfung, drei davon am linken Niederrhein: Der Fahrplanwechsel an diesem Sonntag, 11. Dezember, könnte nicht nur im Bereich des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) den Umstieg auf Bus- und Bahn attraktiver machen - jedenfalls auf dem Papier.

Der zweite Sonntag im Dezember ist seit bald 20 Jahren europaweit Tag des Fahrplanwechsels; damit alles einheitlich läuft, treten Änderungen im Bahnverkehr zu diesem Termin abgestimmt in Kraft. Fahrpläne gelten nur befristet und werden immer wieder umgebaut. So auch beim aktuellen Fahrplanwechsel 2022/23 in NRW.

Fahrplanwechsel: Neue RE-Linie reagiert auf A45-Sperrung

Das sind die wichtigsten Neuerungen bei Regionalexpress- und S-Bahnlinien:

  • „Die neue Regionalexpress-Linie RE 34 stärkt die Mobilität auf der Achse Dortmund – Hagen – Siegen“, freut sich der VRR. Alle zwei Stunden und im Wechsel mit dem Intercity 34, der weiterhin auf der Verbindung mit Nahverkehrsticket nutzbar ist, soll die Linie ein Lichtblick für die Region um Lüdenscheid sein, die durch die A45-Sperrung im Stau erstickt.Züge fahren zwischen Dortmund Hbf – Witten – Letmathe – Finnentrop bis Siegen und zurück.
  • Die neue Linie RE 47, betrieben von der Regiobahn, schafft eine Direktverbindung zwischen Remscheid und Düsseldorf und verbessert das Bahn-Angebot zwischen dem Bergischen Land und Düsseldorf - erstmals ohne Umsteigen, neben den bestehenden Linien S7 und S1 mit Umstieg in Solingen Hauptbahnhof.
  • Auf der Linie S9 wird ab Sonntag endlich auch die Stadt Herten S-Bahn-Anschlusshaben; unter den gut 62.000 Menschen dort hofft der VRR durch die Reaktivierung der „Hertener Bahn“ auf manche Neukunden und -innen. Die S9 verkehrt auf zwei Linien-“Ästen“: Über den nördlichen Bereich von Gelsenkirchen und Marl nach Haltern am See, und ab Bottrop nun mit Zwischenhalt „Herten Westf.“ bis Recklinghausen Hauptbahnhof. Weitere Halte sind im Bau, werden aber wohl erst Ende 2024 fertig: Gelsenkirchen-Buer Nord und -Westerholt.
  • RE 1 (RRX; Aachen - Köln - Düsseldorf - Hamm): Neu ist ein durchgehender Stundentakt an den Wochenenden auf der Achse Köln-Hamm, weil zusätzliche Fahrten zwischen Düsseldorf Hbf und Köln Hbf eingerichtet werden.
  • Auf der Linie RE 14 („Essen-Bottrop-Dorsten-Borken/Coesfeld) ergibt sich ab dem Fahrplanwechsel zwischen dem in Dorsten endenden Zwischentakt (montags bis samstags) und dem Haupttakt künftig ein exakter 30-Minuten-Takt. Zusätzlich kommt es lediglich zu Verschiebungen im Minutenbereich, teilt die RheinRuhrBahn.
  • RE 6 (RRX; Köln - Düsseldorf - Dortmund - Hamm - Minden): Alle Fahrten verkehren nun wieder von und bis Köln/Bonn Flughafen. Samstags wird eine zusätzliche Frühfahrt zwischen Bielefeld und Minden angeboten, teilt Betreiber NationalExpress mit.
  • Auf der Linie RE 10 (Düsseldorf-Krefeld-Kleve) kommt es zu Verschiebungen im Minutenbereich. „Dadurch entsteht ein exakter 30-Minuten-Takt, durch den die Abfahrten und Ankünfte in Kleve künftig immer zur selben Minute stattfinden“, teilt der Betreiber RheinRuhrBahn auf Anfrage mit. Wenn denn die Technik an der frisch modernisierten Strecke endlich zuverlässig läuft. Kurz nach Wiedereröffnung der Monate lang gesperrten Bahnverbindung häufen sich Anfang Dezember jedoch Pannen.
  • Nur kleinere Änderungen gibt es bei der Eurobahn in Ostwestfalen: Die Linie RB69 (Münster-Bielefeld) fährt täglich eine Fahrt mehr, die Linie RB61 (Hengelo (NL)-Bielefeld) wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag zusätzliche Fahrten leisten. Die Linien RE82 (Bielefeld-Altenbeken) erhält einen durchgehenden Stundentakt und die RB67 (Münster-Bielefeld) wird samstags etwas öfter fahren.

Neue Schnellbusse am Niederrhein und im nördlichen Ruhrgebiet

Auch auf der Straße wächst das Angebot. Im Juni dieses Jahres hatte der VRR die ersten beiden Schnellbus-Linien gestartet, im Raum Dortmund und in der Region zwischen Oberhausen und Dorsten. Ab Sonntag, 11. Dezember, kommen „vier weitere „XBus“-Linien hinzu. Das Schnellbus-Netz wird vor allem am Niederrhein ausgebaut. XBusse sind als „Querverbindungen zwischen den bestehenden Bahn-Achsen“ konzipiert und sollen Auto-Pendler in der Region mit bisher schwachem Nahverkehrs-Angebot zum Umstieg bewegen.

Lesen Sie auch: Neuer Regionalexpress RE47 fährt Mini-Strecke

Diese XBus-Linien sind ab dem Fahrplanwechsel neu:

X05: Wesel - Schermbeck - Dorsten mit Bahn-Anschluss nach Essen bzw. Borken und Coesfeld (RE14) und nach Dortmund (u.a. RB43).

X27: Kleve - Kalkar - Xanten - Wesel; zusammen mit den zwei weiteren X-Bussen eine schnelle Bus-Verbindung vom linken zum rechten Niederrhein mit Anschluss an die dortigen Regionalexpress-Linien RE19 (Düsseldorf - Arnhem bzw. Wesel - Bocholt). In Xanten gibt es zudem Anschluss an die

X28: Goch – Uedem – Xanten – Wesel

X32: Kleve – Kalkar – Rees – Empel-Rees; Anschluss an den Regionalexpress RE19

Diese X-Bus-Linien gibt es bereits:

X13: Datteln - Waltrop - Dortmund-Mengede - -Huckarde - -Dorstfeld - Dortmund Technologiezentrum

X42: Oberhausen - OB-Sterkrade - Bottrop-Kirchhellen - Dorsten/Feldhausen - Movie Park Germany

Lesen Sie auch: Schnelle „XBusse“ kommen bei Pendlern gut an

Insgesamt sind sieben dieser XBus-Linien im VRR geplant. Kommen soll 2023 noch die Schnellbus-Linie X49:Kempen – Vorst – Anrath – Willich – Meerbusch-Osterath – Haus Meer; direkten Bahn-Anschluss gäbe es dann über diese Linie ab Osterrath unter anderem ohne Umsteigen nach Köln, Wuppertal, Hagen bis Rheine (RE7) bzw. nach Düsseldorf (RE10).

Fahrgastverband ProBahn kritisiert: Unzuverlässigkeit „vielfach nicht mehr zumutbar“

Zusammen mit dem angekündigten bundesweit geltenden 49-Euro-Ticket für Bus- und Bahn müssten Pendler in NRW beim Blick auf das Jahr 2023 eigentlich frohlocken: Das Nahverkehrsangebot ist in den vergangenen drei Jahren in NRW deutlich ausgebaut und vielfach verbessert worden, vor allem zum Fahrplanwechsel 2020. Doch beim Nachfolger des 9-Euro-Tickets bremst der VRR wegen „unklarer Rahmenbedingungen“. Und was die Züge angeht: Schön wäre, wenn sie so führen, wie es im Fahrplan steht. Die zum Fahrplanwechsel 2020 unter anderem erstmals eingerichtete direkte Bahnverbindung von Wesel bis Wuppertal (RE49) zum Beispiel erwies sich in ihren ersten drei Jahren als Ausbund an Unzuverlässigkeit.

Lesen Sie auch: Wesel/Dinslaken: RE49 - der Zug, der (fast) nie fährt

Hohe Krankenstände“, Reparatur an Zug, Streckensperrung wegen Bauarbeiten: Das Wort Fahrplan gibt Zuverlässigkeit vor, doch man sollte ihn eher als „unverbindliche Empfehlung“ betrachten, meint Lothar Ebbers, Sprecher der Fahrgastvereinigung ProBahn NRW. „Gerade Umsteige-Verbindungen sind für Nutzer nicht mehr überschaubar“, kritisiert Ebbers: „Die Kalkulierbarkeit ist vielfach nicht mehr zumutbar.“ Bahnnutzende bräuchten nicht mehr nur einen ‘Plan B’ auf ihrem Weg, „sondern am besten einen Plan E und F“, ätzt Ebbers: „Die Qualität ist sowas von unten, wie wir es in den vergangenen 50 Jahren nicht hatten. Und wenn, dann höchstens nach extremen Unwettern.“

Bahnverkehr in NRW: Baustellen, Umleitungen, Zugausfälle in 2023

Und auch 2023 dürften Bahnpendler vor mancher Geduldsprobe stehen. Pannen ereignen sich oft plötzlich, doch manche Einschränkungen in 2023 stehen längst fest. Eine Auswahl:

  • „Auf der Linie RE 44 kommt es vom 29. April bis 30. Juni 2023 zu Einschränkungen wegen Bauarbeiten“, teilt die RheinRuhrBahn mit (vormals Nordwestbahn). Zwischen Duisburg und Oberhausen kann der RE44 dann nicht fahren.
  • In Duisburg wird der Hauptbahnhof umgebaut. Bahnsteig für Bahnsteig schreitet die Baustelle voran, das führt in den kommenden Jahren zu Umleitungen, auch Zug-Ausfällen. Und: Der Ost-Ausgang ist gesperrt; wer dort haltende Busse erreichen will muss einen Umweg um den Bahnhof laufen.
  • Die umfangreichen Umbauten für den RRX lassen die Linie S6 bis zum Sommer 2023 von Essen aus weiterhin nicht bis Köln durchfahren; Bahnen enden wie gehabt in Langenfeld/Rhld.
  • RE1 (RRX, Aachen - Hamm): In Richtung Aachen fällt der Halt Düsseldorf-Benrath bis 1. Juli 2023 aus. Grund sind Bauarbeiten an der parallel verlaufenden S-Bahn-Strecke der Linie S6.
  • RE 5 (RRX; Wesel - Düsseldorf - Koblenz): Wegen Bauarbeiten an der parallel verlaufenden S-Bahn wird der Halt Köln-Mülheim in Richtung Koblenz erst ab dem 1. Juli 2023 wieder bedient, sagt Betreiber NationalExpress..
  • RE 11 (RRX; z.Zt. Düsseldorf - Bochum - Dortmund-Hörde - Unna - Soest - Kassel): Noch bis 14. April wird die Linie wegen Bauarbeiten über Unna umgeleitet, teilt Betreiber NationalExpress mit. Ab 1. April werden einige Fahrten über Kassel Wilhelmshöhe hinaus bis Kassel Hbf verlängert. „Hiermit sollen Ausfälle auf anderen Linien aufgrund einer Sperrung der Neubaustrecke Kassel-Fulda kompensiert werden“, sagt eine Sprecherin. Ab 15. April dann soll wieder der reguläre Fahrplan über Dortmund Hauptbahnhof, Kamen und Hamm gelten.
  • RE19 (Düsseldorf-Arnhem/Wesel-Bocholt): Ab 11. Februar 2023 geht der Umbau der Betuwe-Linie auf der Ausbaustrecke Emmerich-Oberhausen los. Der online abrufbare „Sperrpausen-Kalender 2023“ (externer Link) zeigt elf „Total-Sperrungen“, zum Teil gefolgt von eingleisigen Sperrungen auf der Strecke. Dauer: bis zu zwei Monate.
  • Hoher Krankenstand beim DB-Personal: Die DB Regio NRW sah sich im November nach dem Sommer erneut gezwungen, einzelne Linien komplett einzustellen und stimmte dies mit dem VRR ab, der das entsprechend zerknirscht bestätigte. Die Linie S68 (Langenfeld - Düsseldorf - Wuppertal-Vohwinkel) fällt auch über dem aktuellen Fahrplanwechsel hinaus voraussichtlich bis 23. Dezember aus. Das gilt auch auf der Linie RB32; zwischen Duisburg und Dortmund Hbf fallen einzelne Züge aus. Und die Linie S3 fällt voraussichtlich bis 23. Dezember zwischen Essen-Stelle-Ost und Oberhausen Hbf aus. Auch Stellwerke können immer wieder ausfallen, wenn das nötige Personal kurzfristig ausfällt. Und der Krankenstand betrifft natürlich auch alle anderen Bahn-Unternehmen. In allen Fällen rät der VRR auf parallel fahrende Züge umzusteigen. Und ob es nach Weihnachten besser wird, steht in den Sternen...

Gerade wer nur gelegentlich Bahn fährt, sollte sich vor Fahrtantritt über mögliche Zugausfälle oder Umleitungen informieren, am besten online, etwa über die App des VRR oder den DB Navigator. Sehr hilfreich ist auch das Portal zuginfo.nrw (jeweils externe Links). Dauernutzer im Regional- und Nahverkehr dürften das Spiel inzwischen kennen.

Fahrplanwechsel in NRW: Neue Verbindungen im Fernverkehr

Auch im Fernverkehr gibt es mit dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember mehr Angebot in NRW: „Schnellere und häufigere Direktverbindungen sowie mehr neue „XXL-ICE“ mit 918 Sitzplätzen und acht Fahrradstellplätzen schaffen die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verkehrswende und für mehr Klimaschutz“, kündigte die Deutsche Bahn im Vorfeld an.

Die Reisezeit von Köln nach München im ICE verkürzt sich zum Beispiel auf 4:15 Stunden; stündlich fahren dann Züge. Von Solingen, Wuppertal und Hagen geht es ohne Umstieg per ICE über Münster bis nach Hamburg, teilte die DB mit. Und es gibt mehr Direktverbindungen an die Nordsee, ab Köln etwa nun ganzjährig bis auf die Insel Sylt und zwischen 2. April und 29. Oktober mit einem zusätzlichen Intercity zwischen Köln und Essen bis Norddeich-Mole.

Doch die Deutsche Bahn warnt auch hier:Baustellen werden den Fahrplan auch im neuen Jahr immer wieder über den Haufen werfen, vielfach mit Ansage: Die überfällige Generalsanierung des Schienennetzes„geht unvermindert weiter“, sagt die Bahn. Und das noch für mehrere Jahre. Neu dabei ist: Die Bahn sperrt zu sanierende Strecken künftig konsequent komplett; dann läuft da wirklich nichts mehr, außer Bauarbeiten.