Fast einen ganzen Tag waren die israelischen Geiseln in der Gewalt der Terroristen. Die Stunden bis zur missglückten Rettungsaktion im Überblick.

Im Spätsommer 1972 blickte die Sportwelt nach München: Zehn Tage lang erlebten die Zuschauer im Olympiapark und vor den Fernsehgeräten heitere, weltoffene Spiele. Bis zum 5. September: Als ein palästinensisches Terrorkommando im Olympischen Dorf neun israelische Geiseln nahm, schlug die ausgelassene Stimmung in blankes Entsetzen um. Die Chronik des Olympia-Attentats:

5. September, 4.20 Uhr: Acht palästinensische Terroristen der Untergrundorganisation „Schwarzer September“ klettern über den zwei Meter hohen Zaun des Olympischen Dorfes. Mitarbeiter der Post, die die Palästinenser beobachten, halten sie für Sportler, die sich aus dem Dorf geschlichen haben.

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4.35 Uhr: Die Terroristen stürmen das Wohnquartier der israelischen Olympia-Mannschaft an der Connollystraße 31. Die Palästinenser erschießen Ringertrainer Moshe Weinberg und Gewichtheber Josef Romano und nehmen neun Geiseln.

4.55 Uhr: Die Geiselnehmer fordern die Freilassung von über 200 in Israel gefangenen Palästinensern und der RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Das Ultimatum der Terroristen endet um 9 Uhr.

Das Geiseldrama im Olympischen Dorf in Bildern

Am 26. August 1972 trägt der Gold-Achter (Rudern) der Bundesrepublik Deutschland von Mexiko 1968 bei der Eröffnungsfeier die olympische Fahne in das Münchner Olympiastadion.  
Am 26. August 1972 trägt der Gold-Achter (Rudern) der Bundesrepublik Deutschland von Mexiko 1968 bei der Eröffnungsfeier die olympische Fahne in das Münchner Olympiastadion.   © dpa | dpa
Nachdem acht palästinensische Terroristen am Morgen des 5. September 1972 in das Wohnquartier der israelischen Olympia-Mannschaft eingedrungen sind, zeigt sich einer der Geiselnehmer vermummt auf dem Balkon. 
Nachdem acht palästinensische Terroristen am Morgen des 5. September 1972 in das Wohnquartier der israelischen Olympia-Mannschaft eingedrungen sind, zeigt sich einer der Geiselnehmer vermummt auf dem Balkon.  © dpa | dpa
Ein bewaffneter Polizeibeamter im Trainingsanzug schirmt den Block im Olympischen Dorf in München ab, in dem Terroristen am 5. September 1972 israelische Geiseln festhalten.
Ein bewaffneter Polizeibeamter im Trainingsanzug schirmt den Block im Olympischen Dorf in München ab, in dem Terroristen am 5. September 1972 israelische Geiseln festhalten. © dpa | dpa
Einer der Terroristen (rechts) spricht am 5. September 1972 vor dem israelischen Teamquartier mit dem ehemaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (3.v.l.), dem ehemaligen bayerischen Innenminister Bruno Merk (2.v.r.) und dem ehemaligen Münchner Polizeipräsidenten Manfred Schreiber (2.v.l.). 
Einer der Terroristen (rechts) spricht am 5. September 1972 vor dem israelischen Teamquartier mit dem ehemaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (3.v.l.), dem ehemaligen bayerischen Innenminister Bruno Merk (2.v.r.) und dem ehemaligen Münchner Polizeipräsidenten Manfred Schreiber (2.v.l.).  © dpa | dpa
Am Nachmittag des 5. September 1972 klettern Polizisten auf das Dach des Gebäudes in der Connollystraße 31 und bereiten sich auf die Stürmung des Wohnquartiers vor. Weil die Terroristen das Geschehen im Fernsehen live mitverfolgen können, müssen die Polizisten die Aktion abbrechen. 
Am Nachmittag des 5. September 1972 klettern Polizisten auf das Dach des Gebäudes in der Connollystraße 31 und bereiten sich auf die Stürmung des Wohnquartiers vor. Weil die Terroristen das Geschehen im Fernsehen live mitverfolgen können, müssen die Polizisten die Aktion abbrechen.  © dpa | dpa
Bei der missglückten Rettungsaktion am Militärflughafen Fürstenfeldbruck kommen in der Nacht zum 6. September 1972 alle neun Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizist ums Leben. Das Foto zeigt den ausgebrannten Hubschrauber. 
Bei der missglückten Rettungsaktion am Militärflughafen Fürstenfeldbruck kommen in der Nacht zum 6. September 1972 alle neun Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizist ums Leben. Das Foto zeigt den ausgebrannten Hubschrauber.  © dpa | dpa
Die Nachricht von der missglückten Befreiungsaktion macht am Morgen des 6. September 1972 schnell die Runde. Auch die NRZ berichtet in einem Extrablatt von dem Ausgang des Geiseldramas.
Die Nachricht von der missglückten Befreiungsaktion macht am Morgen des 6. September 1972 schnell die Runde. Auch die NRZ berichtet in einem Extrablatt von dem Ausgang des Geiseldramas. © Foto NRZ | Foto NRZ
Während der Trauerfeier für die Opfer des palästinensischen Terroranschlages im Münchner Olympiastadion hängt die olympische Fahne auf Halbmast. 
Während der Trauerfeier für die Opfer des palästinensischen Terroranschlages im Münchner Olympiastadion hängt die olympische Fahne auf Halbmast.  © dpa | dpa
Bei der Trauerfeier im Münchner Olympiastadion spricht der damalige IOC-Präsident Avery Brundage am 6. September 1972 die berühmten Worte: „The games must go on!“ (Die Spiele müssen fortgesetzt werden)
Bei der Trauerfeier im Münchner Olympiastadion spricht der damalige IOC-Präsident Avery Brundage am 6. September 1972 die berühmten Worte: „The games must go on!“ (Die Spiele müssen fortgesetzt werden) © dpa | dpa
Vor dem Haus an der Connollystraße 31 – dem ehemaligen Wohnquartier der israelischen Olympia-Mannschaft – erinnert heute eine Gedenktafel mit den Namen der israelischen Sportler an das Geiseldrama. 
Vor dem Haus an der Connollystraße 31 – dem ehemaligen Wohnquartier der israelischen Olympia-Mannschaft – erinnert heute eine Gedenktafel mit den Namen der israelischen Sportler an das Geiseldrama.  © dpa | dpa
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8.30 Uhr: Walther Tröger, Bürgermeister des Olympischen Dorfes, Willi Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Polizeipräsident Manfred Schreiber und der bayerische Innenminister Bruno Merk laufen zum israelischen Wohnquartier und verhandeln mit den Geiselnehmern. Die Terroristen verlängern das Ultimatum bis 12 Uhr.

9.00 Uhr: Die ersten Sportveranstaltungen beginnen.

Israel will mit den Terroristen nicht verhandeln

10.00 Uhr: Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher trifft sich mit seinem Krisenstab. Noch ist unklar, wie viele Terroristen sich in dem Wohnquartier befinden.

11.45 Uhr: Die Palästinenser einigen sich mit Verhandlungspartnern auf eine erneute Verlängerung des Ultimatums. Währenddessen signalisiert die israelische Regierung, dass sie auf die Forderung der Terroristen nicht eingehen wird.

15.38 Uhr: Avery Brundage, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), unterbricht die Olympischen Spiele.

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16.30 Uhr: Polizisten klettern auf das Dach des Gebäudes in der Connollystraße 31 und bereiten sich auf die Stürmung des Wohnquartiers vor. Der Einsatz wird jedoch von Journalisten gefilmt. Die Terroristen verfolgen das Geschehen im Fernsehen und sind alarmiert. Die Polizisten ziehen sich wieder zurück.

Im Laufe des 5. September 1972 kommt es immer wieder zu Verhandlungen mit den Terroristen. Mehrmals wird das Ultimatum der Geiselnehmer verschoben.
Im Laufe des 5. September 1972 kommt es immer wieder zu Verhandlungen mit den Terroristen. Mehrmals wird das Ultimatum der Geiselnehmer verschoben. © dpa | dpa

17.00 Uhr: Die Attentäter fordern für sich und die Geiseln ein Flugzeug nach Kairo. Die Unterhändler geben vor, auf den Deal einzugehen. Zuvor will Genscher aber mit den Geiseln sprechen. Gemeinsam mit Tröger inspiziert er das Wohnquartier. Der Krisenstab muss für die Planung der Rettungsaktion die Anzahl der Palästinenser wissen. Genscher und Tröger zählen aber nur vier statt acht Terroristen und gehen von insgesamt fünf Geiselnehmern aus.

Polizei plant eine Rettungsaktion am Flughafen

20.30 Uhr: Die Unterhändler einigen sich mit den Terroristen darauf, die Palästinenser und ihre Geiseln mit Hubschraubern zum Militärflughafen Fürstenfeldbruck zu bringen und von da aus nach Kairo auszufliegen. Währenddessen bereiten die bayerischen Polizeibehörden insgeheim eine Befreiungsaktion vor.

22.06. Uhr: Die Terroristen steigen mit den Geiseln in einen Bus und fahren zu den bereitgestellten Hubschraubern. Um 22.22 Uhr heben die beiden Maschinen ab. Auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck gehen rund um das Rollfeld fünf Streifenbeamte in Stellung. Sie sind schlecht ausgerüstet, keine ausgebildeten Scharfschützen und stehen sich teilweise in der Schusslinie.

22.33 Uhr: Auch in der für die Terroristen bereitstehenden Boeing 727 befinden sich Polizisten. Sie sind als Besatzungsmitglieder getarnt und sollen die Geiselnehmer überwältigen. Kurz bevor die beiden Hubschrauber eintreffen, brechen die Polizisten ihre Mission eigenmächtig ab.

22.38 Uhr: Zwei der Palästinenser inspizieren nach der Landung der beiden Hubschrauber die Boeing. Als sie die Lufthansa-Maschine leer vorfinden und wieder aussteigen, eröffnen die fünf verbliebenen Polizisten das Feuer.

Befreiungsaktion endet in einer Tragödie

Gegen 23.00 Uhr: Rund um das Flughafengelände verbreitet sich das Gerücht, die Geiseln seien befreit und vier der Terroristen getötet worden. Um 23.31 Uhr berichtet die Nachrichtenagentur Reuters in einer Eilmeldung, die Mission sei erfolgreich gewesen.

IOC-Präsident Avery Brundage (USA) verkündet nur wenige Stunden nach dem Geiseldrama: „The games must go on!“
IOC-Präsident Avery Brundage (USA) verkündet nur wenige Stunden nach dem Geiseldrama: „The games must go on!“ © dpa

6. September, 0.00 Uhr: Das Feuergefecht am Flughafen Fürstenfeldbruck zieht sich weiter hin. Dann rückt Verstärkung an: Gepanzerte Fahrzeuge nähern sich dem Flugplatz.

00.10 Uhr: Ein Terrorist zieht eine Handgranate und wirft sie in einen der Hubschrauber. Ein anderer Palästinenser erschießt die Geiseln im zweiten Hubschrauber.

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02.40 Uhr: Pressechef Hans Klein tritt vor die Journalisten. Er verkündet das Ausmaß der missglückten Rettungsaktion: Alle neun israelischen Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizist sind tot. Drei Terroristen konnten überwältigt werden.

10.00 Uhr: Im Münchner Olympiastadion beginnt die Trauerfeier. IOC-Präsident Avery Brundage verkündet: „The games must go on!“ (Die Spiele müssen weiter gehen!) Kurz darauf werden die Olympischen Spiele fortgesetzt. (def)