Essen. Hacker haben sich Zugriff auf persönliche E-Mails und Dokumente von Klimaforschern verschafft und sie im Netz veröffentlicht. Bedeutsames steht nach Ansicht der Betroffenen nicht darin. "Skeptiker" des Klimawandels aber wollen Beweise einer Verschwörung gefunden haben.

Kopenhagen überall. Je näher die UN-Weltklimakonferenz rückt, desto eifriger versuchen die so genannten Klimaskeptiker, Zweifel an dem wissenschaftlichen Wissen über die globale Erwärmung der Erde zu schüren. Das war stets ein Ritual vor Klimagipfeln, doch nie derart krimineller Natur: Hacker haben private E-Mails von Klimaforschern gestohlen und im Internet veröffentlicht. Nun geistert eine Verschwörungstheorie durchs Netz: Forscher hätten Daten manipuliert, um Messfehler zu kaschieren.

Über 1000 Mails

Fakt ist, dass nach der Internetattacke auf einen Computer der Climate Research Unit (CRU) an der Universität von East Anglia in Norwich über 1000 E-Mails und über 3000 Dokumente britischer Klimaforscher illegal im Internet verbreitet wurden. Veröffentlicht wurden sie auf mehreren von „Skeptikern” betriebenen Internetseiten, auf denen der Konsens der Klimawissenschaft angezweifelt wird.

Die Thesen der Klimaskeptiker – die wenigsten haben einen wissenschaftlichen Hintergrund – sind seit langem bekannt. Die hartnäckigste: Nicht der Mensch, sondern natürliche Faktoren wie Sonne oder Wasserdampf würden die globale Erwärmung verursachen. In der internationalen Wissenschaft gilt indes als „gesicherte Erkenntnis”, dass der Mensch den größten Anteil an der Erderwärmung zu verantworten hat. Zu diesem Schluss kommt der Bericht des UN-Weltklimarates IPCC, der über 2000 Studien umfasst. Zentrale Aussage: In den letzten 100 Jahren hat sich die Erde im Mittel um 0,74 Grad erwärmt. In den UN-Klimaverhandlungen, die im Dezember in ein neues Abkommen münden sollen, wird der Klimawandel nicht infrage gestellt.

Angeblich "schlagende Beweise" für Verschwörung

Diagnose

Die Erderwärmung vollzieht sich nach Einschätzung führender Klimaforscher schneller als noch vor wenigen Jahren erwartet.

Ohne eine deutliche Verminderung des Treibhausgas-Ausstoßes könnte bis zum Jahr 2100 der Meeresspiegel um bis zu zwei Meter und die weltweite Durchschnittstemperatur um bis zu sieben Grad steigen, heißt es in ihrer am Dienstag präsentierten `Kopenhagen-Diagnose" zum bevorstehenden Klimagipfel in der dänischen Hauptstadt. Nötig seien deshalb rasche Schritte zur Senkung der Emissionen, forderten die 26 Wissenschaftler.

Die Erderwärmung sei ungebrochen, heißt es in dem Bericht. Der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen müsse in spätestens fünf bis zehn Jahren seinen Gipfel überschritten haben und danach schnell abnehmen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch abzuwenden.

Der Datenklau von Norwich soll nun aber nach Ansicht von Skeptikern „schlagende Beweise” für eine Verschwörung aufgedeckt haben. Im Mittelpunkt stehen Auszüge aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen Forschern, die belegen würden, dass Temperaturkurven manipuliert wurden, um einen Stillstand der Erderwärmung zu kaschieren. Von einem „Trick” sei die Rede, um Werte zu „verstecken”.

Stefan Rahmstorf, Forscher des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und einer der IPCC-Hauptautoren, sieht nichts, was den Vorwurf einer Manipulation erhärten würde. „Auch wenn es illegal ist, persönliche Mails zu stehlen und zu veröffentlichen: Ich habe gar nichts dagegen, wenn die Menschen meine jetzt im Netz veröffentlichten Mails lesen”, sagte er der WAZ. „Sie werden feststellen, dass hinter den Kulissen unter Klimaforschern vor allem offene, sachliche und kontroverse Diskussionen ablaufen, genau wie es sein sollte.”

"Das ist ein neuer Tiefpunkt"

Laut Rahmstorf bestehe in der Forschung „Einigkeit, dass die Daten einen vom Menschen verursachten Erwärmungstrend um rund 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt zeigen, überlagert von kurzfristigen natürlichen Schwankungen.” Eine „außergewöhnliche” Pause sei aktuell nicht zu beobachten. Die Hacker-Attacke sei ein neuer Tiefpunkt. „Die Klimaskeptiker haben keinlei stichhaltige Sachargumente mehr auf ihrer Seite.”

Diskutiert wird dennoch. Auf der Internetseite RealClimate, einer Seite von und für Klimawissenschaftler, wurden hunderte Kommentare zu den Manipulationsvorwürfen abgegeben. Gavin A. Schmidt, Klimatologe der Nasa, gibt zu bedenken, dass Klimaforscher auch nur Menschen seien. Sein O-Ton: „Newton war vielleicht ein Arsch, aber seine Gravitationsgesetze gelten noch heute.”