Washington. Fünf Jahre nach der Vollstreckung einer Todesstrafe in Texas deutet immer mehr darauf hin, dass der Verurteilte unschuldig war. Kommentatoren im ganzen Land verlangen Aufklärung, doch der um seine Wiederwahl bangende Gouverneur blockiert. Die Todesstrafe an sich steht nicht zur Debatte.
Die Hinrichtung eines Mannes im US-Bundesstaat Texas vor fünf Jahren sorgt nun für landesweite Aufregung. 2004 hatte der republikanische Gouverneur des Staates, Rick Perry, die Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet – obwohl ihm ein Bericht vorlag, aus dem klar hervorging, dass der Verurteilte Cameron Todd Willingham unschuldig sei.
Kein US-Bundesstaat hat jemals offiziell eingeräumt, einen Unschuldigen hingerichtet zu haben. Und der erzkonservative Perry, seit neun Jahren im Amt, wäre wohl der letzte, der einen solchen Fehler einräumen würde. Aber seit Willinghams Hinrichtung im Jahr 2004 hat es zahlreiche weitere Berichte unabhängiger Experten über den Fall gegeben. Sie kommen alle zu dem gleichen Urteil: Willingham, der verurteilt worden war, weil er 1991 sein Haus in Brand gesetzt und dabei seine drei Töchter getötet haben soll, war unschuldig.
Den letzten dieser Berichte hat der Brandexperte Craig Beyler vorgelegt. „Die am Ort des Geschehens gefundenen Spuren erlauben es nicht, auf einen mit Absicht gelegten Brand zu schließen“, sagt er. Anfang Oktober hätte Beyler seine Schlussfolgerungen der Justizkommission von Texas vorlegen sollen, deren Aufgabe es ist, Justizirrtümer aufzudecken und künftig zu vermeiden. Seine Anhörung wäre möglicherweise der erste Schritt für eine Wiederaufnahme des Falls gewesen.
Untersuchungs-Kommission abberufen
Doch dazu kam es nicht. Zwei Tage vor der geplanten Anhörung entschied Perry, drei Mitglieder der Kommission abzusetzen, die Anhörung Beylers wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Der republikanische Gouverneur wolle die „Untersuchung lahmlegen“, sagt der abberufene Vorsitzende des Gremiums, Sam Bassett. Falsch, entgegnet Perry. Die Amtszeit der Kommissionsmitglieder sei bereits abgelaufen gewesen.
Doch der Ruf nach einer neuen Untersuchung wird lauter, im ganzen Land verlangen Kommentatoren Aufklärung. Die „Los Angeles Times“ fordert eine „vollständige Untersuchung und einen öffentlichen Bericht“. Für Perry könnte das gefährlich werden: Nächstes Jahr stehen die Gouverneurswahlen an, ein unschuldig Hingerichteter passt da nicht ins Konzept. Das sei auch der Grund für Perrys Versuch, eine „ehrliche und vernünftige“ Untersuchung hinauszuzögern, sagt Steve Hall von der Organisation Stand Down, die eine Aussetzung der Todesstrafe fordert.
Drei von vier Texanern für Todesstrafe
Zumal noch nicht einmal feststeht, ob die Republikaner Amtsinhaber Perry auch als ihren Kandidaten ins Rennen schicken werden. Seine größte republikanische Konkurrentin, die Senatorin Kay Bailey Hutchison, nutzt die Gunst der Stunde. Sie wirft Perry vor, die Existenz der Todesstrafe zu gefährden, weil er es zulasse, dass sich im Fall Willingham die Zweifel mehren.
Tatsächlich geht es bei der Debatte gar nicht um eine Abschaffung der Todesstrafe - diese scheint in Texas unantastbar zu sein. Einer Umfrage der „Dallas Morning News“ zufolge sind drei von vier Texanern für sie. Perry hat bisher keine Andeutungen gemacht, in dem Streit einzulenken. Der Gouverneur werde seine Meinung nicht ändern, befürchtet Steve Hall - unabhängig von der Faktenlage. Tatsächlich hat Perry vor kurzem erst seine Meinung über den Fall Willingham kundgetan. Dem TV-Sender CNN sagte er, die Hinrichtung sei richtig gewesen: „Todd Willingham war ein Monster“. (afp)