Washington. In New York werden zwei Polizisten von einem Schwarzen im Auto hingerichtet. War es ein Racheakt für Michael Brown und Eric Garner? Die Angst geht um.

Wenjian Liu (32) und Rafael Ramos (40) hatten nicht den Hauch einer Chance. Die New Yorker Streifen-Polizisten saßen am Samstag gegen 15 Uhr in der Nähe einer belebten Kreuzung im Brooklyner Stadtteil Bedford-Stuyvesant nichts ahnend in ihrem Streifenwagen, als Ismaaiyl Brinsley sich von der Beifahrerseite anschlich, eine Pistole auf sie richtete und mehrfach abdrückte. Die Cops erlagen im Woodhull-Krankenhaus kurz darauf ihren schweren Kopfverletzungen. Brinsley floh zu Fuß in die nächst gelegene U-Bahn-Station und richtete dort die Tatwaffe in selbstmörderischer Absicht gegen sich selbst.

Der 28-Jährige Afro-Amerikaner soll laut Medien-Berichten mit der „Black Gorilla Family“ sympathisiert haben. Die in Gefängnissen aktive Radikalen-Gruppe hatte nach dem umstrittenen Anklageverzicht gegen die Polizisten, die den 43-jährigen Eric Garner in New York zu Tode gewürgt und den 18-jährigen Michael Brown in Ferguson erschossen hatten, zur Jagd auf Polizisten aufgerufen. Brinsley hatte vor der Tat, die Präsident Obama wie Justizminister Holder scharf verurteilten, in sozialen Netzwerken Hinweise auf eine Vergeltungsaktion hinterlassen. „Heute verleihe ich Schweinen Flügel“, hieß es in einer Instagram-Nachricht, „sie nehmen einen von uns, wir nehmen zwei von ihnen.“ Dahinter waren die hashtags (#) „Ruhe in Frieden Eric Garner“ und „Michael Brown“ zu lesen.

"Warum leben, wenn man das Leben nicht liebt?“

Warum der Cop-Killer vorher mehrere Stunden Autofahrt hinter sich brachte, ist noch unklar. Brinsley schoss am frühen Samstagmorgen in der Nähe von Baltimore seiner Ex-Freundin in den Bauch, stahl ihr Mobiltelefon und floh Richtung New York, wo er geboren war und Bekannte hatte. Während der vierstündigen Fahrt textete er weiter: „Meine Vergangenheit verfolgt mich und meine Gegenwart jagt mich. Warum leben, wenn man das Leben nicht liebt?“.

Die Mutter des Opfers bemerkte die alarmierenden Einträge und informierte die Polizei in Baltimore. Die schickte am frühen Samstagnachmittag ein Fax mit einer Warnung an die Kollegen des NYPD in New York. Dort wurde die Botschaft erst registriert, als die tödlichen Schüsse auf Ramos und Liu bereits gefallen waren, sagte William Bratton. Der Chef des 35 000 Mann starken Polizeiheeres in New York sprach von einer „Hinrichtung ohne Vorwarnung“ und machte die seit Wochen latent polizeifeindliche Stimmung in den USA für die Tat mitverantwortlich. Die Bluttat von Brooklyn ist seit 1972 der siebte Fall, bei dem ein Polizisten-Gespann in New York auf diese Weise getötet wurde.

Bürgermeister De Blasio hält die Tat für "politisch gefährlich"

Auch interessant

Für New Yorks Bürgermeister Bill De Blasio ist der mutmaßliche Racheakt politisch gefährlich. Das Stadtoberhaupt, mit einer schwarzen Dichterin verheiratet, hatte nach dem Polizei-Einsatz gegen Eric Garner Position für die Demonstranten bezogen, die tagelang durch New York gezogen waren, und der größten Polizeibehörde Amerikas eklatante Versäumnisse vorgeworfen. Polizeifunktionäre empörten sich, de Blasio habe den Cops „das Messer in den Rücken gerammt“. Niemand müsse sich wundern, wenn Ordnungshüter nun zur Zielscheibe würden. Am Samstagabend hielt Polizei-Gewerkschafter Ed Mullins dem Bürgermeister wutentbrannt vor, er habe „das Blut der beiden Officer an den Händen“. Rafael Ramos hinterläßt einen 13 Jahre alten Sohn.

Unterdessen distanzierte sich der einflussreiche schwarze Bürgerrechtler Reverend Al Sharpton von dem Mord. „Jeder Gebrauch der Namen von Eric Garner und Michael Brown in Verbindung mit Gewalt oder Tötung der Polizei ist verwerflich“, ließ Sharpton im Namen der Opfer-Familien verlauten.