Essen. . Medikamente, sogenannte Virostatika, die Noroviren direkt bekämpfen, gibt es nicht. Ärzte können lediglich die Beschwerden lindern. Aber es wird geforscht .
Ein Duisburger Seniorenheim hat vor Weihnachten gegen sie gekämpft, in Menden wurde zur gleichen Zeit aus dem selben Grund eine Grundschule vorübergehend geschlossen. Es gibt Viren, die tauchen mit verlässlicher Regelmäßigkeit in den Medien auf – weil sie den Betrieb lahmlegen.
Die Rede ist von Noroviren. Dass es der Erreger immer häufiger in die Schlagzeilen schafft, liegt nicht nur daran, dass die Fallzahlen leicht steigen. Die Erkrankung unterliegt erst seit 2001 der Meldepflicht, außerdem haben sich die Diagnoseverfahren seit Entdeckung des Virus’ verbessert: „Das Norovirus ist 1968 zum ersten Mal beschrieben worden – aber erst in den 90er-Jahren konnte die Diagnostik flächendeckend eingeführt werden“, sagt Professor Ulf Dittmer, Direktor des Institutes für Virologie am Universitätsklinikum Essen.
Hoher Flüssigkeitsverlust
Wie auch zahlreiche andere Erreger löst das Virus starken Brechdurchfall mit einhergehendem hohen Flüssigkeitsverlust aus. Doch anders als bei gewöhnlichen Magen-Darm-Infektionen, die mit leichtem Unwohlsein beginnen und sich langsam verschlimmern, geht es dem am Norovirus Erkrankten zehn bis 60 Stunden nach der Ansteckung schlagartig richtig schlecht: Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe mit Durchfall, manchmal auch Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen zählen zu den Symptomen.
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„Zu Anfang überrennt das Virus das Immunsystem“, so Dittmer, es infiziere die Zellen im Verdauungstrakt so schnell, dass eine normale Verdauung nicht mehr funktioniere. Phasenweise kann der Erkrankte nichts mehr bei sich behalten. Nach einigen Tagen jedoch gewinnt die Immunabwehr im Normalfall wieder die Oberhand. Dennoch bleibt der Erkrankte noch eine Weile ansteckend.
Lebensbedrohlich ist das Virus für „gesunde, mittelalte Personen“ nicht
Gerade die Schnelligkeit, mit der die Infektion zuschlägt, macht es der Medizin schwer: Ärzte können lediglich die Beschwerden lindern und den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust ausgleichen. Medikamente, sogenannte Virostatika, die die Noroviren direkt bekämpfen, gibt es jedoch nicht – zwar wird auf diesem Gebiet geforscht, doch wann, so fragt auch Dittmer, sollte man angesichts des plötzlichen Ausbruchs und des raschen Abklingens sinnvoll eingreifen können? Lebensbedrohlich sei das Virus für „gesunde, mittelalte Personen“ nicht. Medikamente seien daher nur für immunschwache Patienten, wie kleine Kinder, Senioren oder Menschen mit anderen Erkrankungen erforderlich. Denn bei ihnen könne eine nicht ordnungsgemäß behandelte Norovirus-Infektion im schlimmsten Fall auch zum Tod führen.
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Dass es dennoch weder ein Medikament noch einen Impfstoff gegen das Norovirus gibt, hänge mit seinen vielfältigen genetischen Erscheinungsformen zusammen, so Dittmer. Diese machten es aus Expertensicht beinahe unmöglich, einen wirksamen Impfstoff herzustellen. Aufgrund der verschiedenen Arten von Noroviren entwickelt der Körper auch nach einer überstandenen Erkrankung keine Immunität. Eine weitere Besonderheit des Norovirus ist seine Aggressivität: Während bei einer Grippe erst etwa 1000 Viren tatsächlich die Erkrankung auslösen können, reichen für eine Norovirus-Infektion oft schon zehn bis 100 Viren.
Ansteckung erfolgt als Schmierinfektion
Die Ansteckung erfolgt als Schmierinfektion, über Rückstände von Erbrochenem und Kot: „In Erbrochenem oder Stuhl von infizierten Personen befinden sich weit über eine Million Noroviren pro Gramm“, sagt Ulf Dittmer. Was bedeutet, dass schon kleine Nachlässigkeiten beim Händewaschen dazu führen können, dass sich die Viren weiter verbreiten. „Um sich zu schützen, ist Händewaschen mit Seife für mindestens 30 Sekunden ganz wichtig.“ Sogar in der Luft über einem Erkrankten, der sich gerade erbricht, konnten schon Noroviren nachgewiesen werden.
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Daher solle man es vermeiden, sich in dieser Situation über den Patienten zu beugen, so Dittmer. Außerdem sei das Virus so widerstandsfähig, dass selbst über verunreinigte Flächen oder Textilien eine Ansteckung möglich sei: „Man muss damit rechnen, dass das Virus auf Oberflächen und Wäsche durchaus mehr als zwei Wochen überleben kann.“ Das belege ein Experiment mit einem kontaminierten und nicht desinfizierten Teppich, auf dem nach 12 Tagen noch Erreger zu finden waren. Kälte und Wärme schaden dem Virus nicht unbedingt: Es kann Temperaturen zwischen minus 20 bis plus 60 Grad vertragen. Der Experte rät deshalb, kontaminierte Wäsche so heiß wie möglich und mit ausreichend Waschmittel zu waschen, Oberflächen konsequent zu desinfizieren und dabei zur Sicherheit Einmalhandschuhe zu tragen.
Noroviren im Trinkwasser
Wer Urlaub in exotischen Gefilden macht, muss sogar damit rechnen, so Dittmer, dass Noroviren im Trinkwasser vorkommen können. Da hilft nur Abkochen – denn ein paar Tropfen verunreinigtes Wasser können bereits für eine Infektion ausreichen. Hierzulande würden hingegen viele Klärwerke spezielle Verfahren anwenden, um die in Flüssen enthaltenen Viren durch UV-Licht zu „deaktivieren“. Denn Sonne mag das Norovirus gar nicht – was mutmaßlich eine Erklärung dafür sein könne, so Dittmer, dass es vor allem von November bis März „Saison“ hat und im Sommer nur selten Erkrankungen auftreten.