Die gleichmäßig über die Woche verteilten Arbeitszeit ist passé. 2013 hatten bereits mehr als die Hälfte aller Beschäftigten ein Arbeitszeitkonto, Tendenz steigend. Das System bietet Unternehmen und Angestellten mehr Flexibilität. Man kann Zeit für später ansparen oder Auftragsdellen ausgleichen.

Wir Deutschen galten mal als Weltmeister im Geldsparen – doch die Sparquote, die das Statistische Bundesamt vierteljährlich ermittelt, befindet sich seit einiger Zeit im Sinkflug. Wachsender Beliebtheit erfreut sich stattdessen ein anderes Sparprojekt: die sogenannten „Arbeitszeitkonten“. Dort wird kein Geld für die Zukunft angehäuft, sondern Zeit. Mittlerweile nutze mehr als ein Drittel der deutschen Betriebe Arbeitszeitkonten, das „Instrument zur Flexibilisierung der Arbeitszeit“, heißt es in einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem vergangenen Jahr.

Die Entstehung

Schon in den 1960er-Jahren seien die ersten Modelle von Arbeitszeitkonten eingeführt worden, erklärt die Soziologin Ines Zapf, die am IAB dieses Themenfeld untersucht. „Dabei handelte es sich vor allem um Gleitzeitmodelle. Das Hauptaugenmerk lag darauf, dass der Beschäftigte Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit nun weitgehend bestimmen konnte“, so Zapf.

In den 1980er-Jahren habe es dann einen großen Arbeitszeitkonflikt zwischen Arbeitgebern und der Industriegewerkschaft Metall gegeben. „Die IG Metall wollte die Arbeitszeit verkürzen, die Arbeitgeber wollten mehr Flexibilität“, sagt Ines Zapf. Die Tarifverhandlungen der darauf folgenden Jahre waren durch ein Nebeneinander von Arbeitszeitverkürzung und -flexibilisierung geprägt, wodurch Arbeitszeitkonten an Bedeutung gewannen, da sie beiden Anliegen Rechnung trugen.

Noch heute kommen Arbeitszeitkonten im produzierenden Gewerbe häufiger vor als im Dienstleistungssektor, außerdem sind es oft die großen Betriebe, die derartige Konten einführen. Das wiederum hängt mit dem Organisationsaufwand und den Kosten eines solchen Systems zusammen. Denn längst geht es nicht mehr nur um Gleitzeit. Grob gesagt gibt es zwei Modelle: Kurzzeit- und Langzeitkonten.

Kurzzeitkonten

Bei den Kurzzeitkonten wird über eine Dauer von maximal zwölf Monaten die zuviel geleistete Arbeitszeit gesammelt. Für den Betrieb bietet das viele Vorteile: Statt bezahlter Überstunden sammeln die Arbeitnehmer sogenannte „transitorische“ Überstunden, die zu einem späteren Zeitpunkt mit Freizeit abgegolten werden. Gerade in den Krisenjahren 2008/2009 zeigte sich, dass mithilfe der Konten saisonale und konjunkturelle Schwankungen aufgefangen und so auch Entlassungen vermieden werden konnten.

Was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass es dem Arbeitnehmer nicht vollkommen freigestellt ist, wann er seinen Freizeitausgleich nimmt. Meist sind Absprachen mit Kollegen und Vorgesetzten notwendig, so dass die Flexibilität zumindest für längere Freizeitausgleiche nicht so groß ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Im Kleinen können Arbeitszeitkonten allerdings viel dazu beitragen, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren, und die Arbeitszeit beispielsweise an die Schulzeiten des Kindes und familiäre Termine anzupassen.

Auch in kleineren Betrieben besteht oft die Möglichkeit, die mehr geleistete Arbeitszeit zu sammeln und erst später abzufeiern – dies ist laut Ines Zapf meist aber informell geregelt. Fest steht, dass 2013 mehr als die Hälfte aller Beschäftigen ein Arbeitszeitkonto hatte, Tendenz steigend.

Langzeitkonten

Noch sehr selten sind Langzeitkonten, auf denen Arbeitnehmer über einen größeren Zeitraum Zeitguthaben sammeln, um etwa einen vorzeitigen Ruhestand oder eine längere Freistellung genießen zu können. Laut IAB nutzen nur etwa zwei Prozent der Betriebe solche Konten.

Hier ist der Unterschied zwischen kleinen und großen Unternehmen noch ausgeprägter als bei den Kurzzeitkonten. Mittlerweile gebe es zwar gesetzliche Vorschriften, die beispielsweise regeln, was mit dem Guthaben geschieht, wenn ein Arbeitnehmer den Betrieb verlässt oder das Unternehmen zahlungsunfähig wird, erklärt Ines Zapf. Viele Firmen scheinen die Langzeitkonten dennoch zu scheuen, aufgrund der hohen Anforderungen und des komplexen Organisationsaufwands.

Mischformen

Oft gibt es Mischformen beider Konten. „Da können dann angesammelte Zeitguthaben auf dem Kurzzeitkonto, die innerhalb des festgelegten Zeitraums nicht abgefeiert werden konnten, auf ein Langzeitkonto verschoben werden“, so Zapf. Überhaupt sei „die Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten heterogen“ und verändere sich, heißt es im IAB-Bericht. Nach manchen Modellen muss das Konto immer ein Stunden-Plus aufweisen, andere erlauben auch ein Stunden-Minus. Manchmal gibt es Obergrenzen für das Ansparen von Zeit, manchmal einen vorgeschriebenen Ausgleichszeitraum.

Vereinbarung oder Vertrag

Wichtig für Beschäftigte: „Das Arbeitszeitkonto wird im Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung geregelt“, sagt Ines Zapf. Dort steht auch, unter welchen Umständen die gesammelten Stunden verfallen können – was ein Arbeitnehmer stets im Auge behalten sollte. Denn wenn es soweit ist, bleibt dem fleißigen Sparer nur ein Berg unbezahlter Überstunden, die ihm dann weder Geld noch Zeit einbringen.