Essen. Kein Mail-Stress in der Freizeit - die Gewerkschaft IG Metall macht sich für schärfere Vorschriften zum Schutz von Mitarbeitern stark. Ständige Erreichbarkeit ist in vielen Unternehmen bereits ein Thema. Die Lösungsvorschläge sind jedoch unterschiedlich.
Immer mehr Unternehmen bekennen sich dazu, dass ihre Mitarbeiter das Recht haben, nach Feierabend auch mal nicht erreichbar sein zu müssen. Nach Volkswagen und Telekom hat nun auch BMW einen solchen Kodex eingeführt. Die IG Metall fordert jetzt die Politik auf, dem Mail-Stress einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben.
Mit dem Smartphone nehmen Arbeitnehmer ihr Büro am Abend, an Wochenenden und im Urlaub mit nach Hause. Wenn es schellt, gehen sie ran und checken die E-Mails selbst am Sonntag. Gewerkschaften und Arbeitsschutz-Experten warnen schon seit geraumer Zeit vor der Gefahr, dass Beschäftigte gar nicht mehr abschalten können.
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Die moderne Technik sei „Fluch und Segen zugleich“, sagt Jörg Feldmann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund. „Auf der einen Seite ist eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich. Auf der anderen Seite kann die Erholung völlig auf der Strecke bleiben.“ Feldmann warnt vor gesundheitlichen Folgen der ständigen Erreichbarkeit, aber auch vor Konsequenzen für das soziale Umfeld, das darunter leidet, wenn der Arbeitnehmer in der Freizeit ständig abgelenkt ist. Der Experte fordert deshalb klare Regeln etwa für eine Rufbereitschaft.
Betriebsvereinbarungen – wenn das Klima stimmt
Betriebsvereinbarungen kann sich auch die IG Metall vorstellen. Doch gibt Vorstandsmitglied Christiane Benner zu bedenken: „Voraussetzung sind aber oft ein bereits gutes Arbeitsklima und eine gute Unternehmenskultur.“ Da man diese positiven Rahmenbedingungen nicht voraussetzen kann, appelliert sie an die Politik, „das Recht auf Abschalten“ gesetzlich zu verankern.
Juristen bezweifeln, dass ein gesetzlicher Anspruch auf Nichterreichbarkeit überprüfbar wäre. Deshalb rücken betriebliche Vereinbarungen in den Vordergrund. Der Autobauer BMW etwa gestattet seinen Mitarbeitern künftig, die „Mobilarbeit“ mit ihren Arbeitszeitkonten zu verrechnen. Leitende Angestellte der Telekom haben sich verpflichtet, ihren Mitarbeitern in deren Freizeit keine E-Mails hinterherzuschicken. Bei Daimler können sich Beschäftigte elektronische Post außerhalb der Dienstzeit auf Wunsch löschen lassen.
Evonik erwartet keine Erreichbarkeit im Urlaub
Der Essener Chemiekonzern Evonik hat für seine rund 21.000 Mitarbeiter, die 17.000 Diensthandys nutzen, eine Leitlinie aufgestellt. „Die Mitarbeiter sollen im Feierabend nicht durch berufliche Kommunikation gestört werden. Wir erwarten nicht, dass E-Mails in der Freizeit und im Urlaub bearbeitet und beantwortet werden“, sagt Arbeitsdirektor Thomas Wessel. Krisensituationen ausgenommen.
Thyssen-Krupp verzichtet auf eine Regelung, erwartet nach eigenen Angaben aber von seinen Führungskräften, dass sie Mitarbeitern in der Freizeit Abstand vom Dienst ermöglichen. In der Mülheimer Stadtverwaltung sind ohnehin nur die Führungskräfte sowie Mitarbeiter im Außen- und Notdienst mit Diensthandys ausgestattet.