Berlin. Die Zahl der unzulässigen rechtsextremen Beiträge in sozialen Netzwerken und Videoplattformen hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Das belegt eine Dokumentation von "jugendschutz.net". Video und Musik seien mittlerweile das Propagandainstrument Nummer eins.
Mit bunten Webseiten, griffigen Slogans, cooler Musik und modernen Videos versuchen Rechtsextremisten stärker denn je Jugendliche über das Internet zu ködern. Die Zahl der unzulässigen rechtsextremen Beiträge in sozialen Netzwerken und Videoplattformen verdoppelte sich 2008 im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als 1.500, wie aus einer am Freitag in Berlin veröffentlichten Dokumentation von «jugendschutz.net» hervorgeht. Justizministerin Brigitte Zypries sagte dem Hass im Internet den Kampf an.
«Jugendschutz.net», die Zentralstelle der Länder für Jugendschutz im Internet, wird von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert. Der Untersuchung zufolge gibt es auch so viele rechtsextremistische Szene-Webseiten wie nie zuvor: Im August 2009 wurden 1.800 gezählt, nach 1.707 im Jahr 2008 und 1.635 im Jahr 2007. Neonazi-Kameradschaften und NPD sind ebenfalls stark im Netz vertreten: Insgesamt zählten die Jugendschützer 511 Webseiten (Vorjahr: 480).
Erfolgreiche Gegenmaßnahmen
Stefan Glaser von «Jugendschutz.net» sagte: «Für Rechtsextreme sind Videos und Musik inzwischen das Propagandainstrument Nummer eins. Und die Möglichkeiten, die sich durch Web 2.0-Plattformen für die Verbreitung ihrer Hass-Botschaften bieten, sind schier unbegrenzt.»
Besonders tückisch sei, dass der rechtsextreme Kontext oft nicht mehr sofort zu erkennen sei. Viele Hass-Botschaften seien subtil in Video-Clips verpackt. Deren Produktion werde immer professioneller. Besonders im Web 2.0 mit täglich neu hochgeladenen Inhalten bestehe die Gefahr, sehr leicht und schnell, oft nur mit einem Mausklick, mit Hass-Botschaften konfrontiert zu werden.
Immerhin melden die Jugendschützer auch Erfolge: In 80 Prozent aller unzulässigen Fälle seien erfolgreiche Gegenmaßnahmen getroffen worden, sprich die Löschung oder Sperrung der entsprechenden Seiten, sagte Glaser. Er wies darauf hin, dass die meisten der einschlägigen Seiten aber gar nicht strafrechtlich zu verfolgen seien. Wie im Vorjahr seien lediglich 16 Prozent aller gesichteten Angebote unzulässig.
Neonazis gründeten eigene soziale Netzwerke, in denen sie ungehindert gegen Minderheiten hetzen könnten, monierte Glaser. Hier seien die Betreiber dieser Dienste gefordert. Sie müssten weitere Anstrengungen unternehmen, um den Missbrauch ihrer Plattformen und die Verbreitung unzulässiger Inhalte über ihre Dienste zu verhindern.
"Wie Hase und Igel"
Justizministerin Zypries (SPD) sagte, das Ziel der Löschung extremistischer Seiten könne auch künftig nicht im nationalen Alleingang, sondern nur durch internationale Zusammenarbeit erreicht werden. Erfolge bei der Löschung dürften nicht darüber hinwegtäuschen, «dass wie bei Hase und Igel anstelle der gelöschten neue Angebote auftauchen werden. Daher bleiben Aufklärung und Information unverzichtbar.»
Derweil forderte die Deutsche Polizeigewerkschaft in der Debatte über stärkere Kontrollen im Internet mehr Personal. «Wir brauchen 2.000 Cyber-Cops», sagte der Vorsitzende Rainer Wendt der «Berliner Zeitung». (ap)