Bonn/Neunkirchen/Augsburg. In Deutschland sind mittlerweile sechs Menschen an den Folgen der Schweinegrippe gestorben. In kurzen Abständen wurden am Freitag der Tod einer 48-jährigen Frau in Bonn, eines fünfeinhalbjährigen Jungen aus dem Saarland und eines 16-jährigen Patienten in Augsburg gemeldet

In kurzer Folge wurden am Freitag in Deutschland drei weitere Tote durch die Schweinegrippe gemeldet. Ein 16-jähriger Patient aus Günzburg sei dem Virus im Augsburger Zentralklinikum erlegen, berichtete die «Augsburger Allgemeine» unter Berufung auf einen Klinik-Sprecher. Nach Informationen der Zeitung war der Jugendliche schwerbehindert. In dem Augsburger Klinikum werden dem Bericht zufolge zwei weitere an den Folgen der Schweinegrippe erkrankte Kinder künstlich beatmet.

Zuvor war bereits der Tod einer 48-jährigen Frau im Universitätsklinikum Bonn gemeldet. Nach Angaben eines Kliniksprechers hatte die Patientin aus dem Rhein-Sieg-Kreis keine bekannten Vorerkrankungen, die den schweren Krankheitsverlauf erklären würden. Wo sie sich angesteckt hat, ist unklar. Die Frau war vor einigen Tagen aus einem auswärtigen Krankenhaus zur intensivmedizinischen Weiterbehandlung nach Bonn verlegt worden. Bisher starben nur Menschen mit Vorerkrankungen an den Folgen der Schweinegrippe.

Ein fünfeinhalbjähriger Junge mit chronischer Lungenerkrankung starb am Freitagnachmittag in der saarländischen Kinderklinik Kohlhof in Neunkirchen, wie das Gesundheitsministerium in Saarbrücken mitteilte. Er hatte eine schwere Lungenentzündung, war seit zwei Tagen in stationärer Behandlung und wurde beatmet.

Bisher sechs Tote in Deutschland

Damit sind insgesamt sechs Menschen im Zusammenhang mit der neuen Grippe in Deutschland zu Tode gekommen. Zuvor waren ein 65-jährigen Mann aus Mannheim, ein fünfjähriges Kind in München und eine 36-jährige Frau in Essen nachweislich an der Seuche gestorben.

Der fünfjährige Junge aus dem Saarland war seit zwei Jahren durch einen Stromunfall schwer behindert und in einer Betreuungseinrichtung in Ottweiler untergebracht. Er wurde in Nordrhein-Westfalen geboren. Das Kind litt nach Angaben des Ministeriums seit vier Wochen an einer bakteriellen Lungenentzündung. Alle Kontaktpersonen aus dem Umfeld des Jungen sowie das Gesundheitsamt seien informiert worden, hieß es. Es seien hygienische Maßnahmen angeordnet worden, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern.

Knapp 30.000 Infektionsfälle bundesweit

Derweil breitet sich die Schweinegrippe immer schneller in Deutschland aus. Derzeit seien knapp 30.000 Infektionsfälle seit Ausbruch der sogenannten Neuen Grippe im April erfasst worden, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte bis 20. Oktober insgesamt 25.285 Fälle erfasst. Den Bundesländern lagen zum Ende der ersten Impfwoche zunächst keine Zahlen der immunisierten Menschen vor. Rückmeldungen zur Impfbereitschaft wurden von den meisten Landesministerien für nächste Woche erwartet. In vielen Ländern konnten sich bereits alle Bürger impfen lassen.

Am Montag war die größte Impfaktion in der Geschichte der Bundesrepublik in fast allen Bundesländern angelaufen. In Niedersachsen verschob sich der Beginn jedoch von Ende dieser Woche auf Montag. Der Impfstoff war laut der Apothekerkammer erst am Mittwoch bei den Apotheken eingetroffen. Rund 90 Ärzte hätten sich gegen eine Impfung gegen die Schweinegrippe ausgesprochen, weil sie starke Nebenwirkungen befürchteten, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KVA) in Niedersachsen, Detlef Haffke.

Baden-Württemberg hatte am Freitag dagegen bereits eine zweite Lieferung des Serums erhalten. Eine Sprecherin des Landessozialministeriums sagte in Stuttgart, es habe etwas gedauert, bis sich das System eingespielt habe. Zudem seien viele Patienten unsicher, ob sie sich impfen lassen sollten.

Schleppender Anlauf für Impfung in Bundesländern

In Bremen registrierte der Gesundheitssenat ebenfalls einen eher schleppenden Anlauf der Aktion. Bislang hätten sich erst 400 Patienten bei den Gesundheitsämtern impfen lassen, sagte eine Sprecherin. Das sei weniger als man erwartet habe.

«Sehr gut» wurde die Impfaktion hingegen in Schleswig-Holstein angenommen, sagte der Sprecher des Kieler Sozialministeriums, Oliver Breuer. Die «Anfangsschwierigkeiten» hätten sich schnell gelegt. Breuer zufolge können sich in Schleswig-Holstein bereits alle Menschen impfen lassen, wobei Risikogruppen der Vortritt gelassen werden sollte. Es würde jedoch «niemand abgewiesen».

Eine rege Nachfrage wurde auch im Saarland verzeichnet. Es hätten sogar schon Menschen angerufen, die wissen wollten, warum sie in dieser Woche keinen Impftermin mehr bekommen, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums in Saarbrücken. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gab es keine vorgezogenen Impfungen für Risiko-Berufsgruppen.

In Hamburg können sich hingegen zunächst nur das Personal im Gesundheitswesen sowie Polizisten und Feuerwehrleute impfen lassen. Im größten medizinischen Zentrum Hamburgs, dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), ließen sich laut Betriebsärztin Gabriele Andersen täglich zwischen 80 und 100 Angestellte impfen. Das sei «ein sehr hoher Zulauf». Die Tendenz sei steigend. Die Beteiligung an der Impfaktion bei der Hamburger Feuerwehr lag laut einem Sprecher zwischen 16 und 20 Prozent.

In Thüringen wird zwar vorrangig sogenanntes Schlüsselpersonal wie Feuerwehrmänner, Ärzte und Krankenschwestern geimpft. «Wenn am Abend eine Dose überbleibt, kann man sich auch jetzt schon impfen lassen» sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Wegen der beschränkten Haltbarkeit müssen die für zehn Patienten ausreichenden Ampullen binnen 24 Stunden verbraucht werden.

Pandemie ist absehbar

Die Zahl der neu an Schweinegrippe erkrankten Menschen war zuletzt binnen einer Woche von 1503 auf 1596 gestiegen. Für die zurückliegende 43. Kalenderwoche werde aber eine stärkere Zunahme bei den Neuinfektionen als in den vergangenen Wochen erwartet, sagte RKI-Sprecher Günther Dettweiler. Das RKI will die neuen Daten am Montag vorstellen.

Derzeit werden laut Dettweiler 27 Prozent der von Arztpraxen an das RKI eingesandten Rachenabstriche positiv auf Schweinegrippe getestet. Damit sei eine weitere Ausbreitung der hoch infektiösen Krankheit absehbar. (ap/ddp)