Witten. Die Schweinegrippe war Thema beim 5. Wittener Sicherheitsforum im FEZ. Dr. Hans-Joachim Boschek, Leiter des Fachbereichs Soziales und Gesundheit im Ennepe-Ruhr-Kreis, sprach über praktische Prävention und die Pandemie-Vorsorgeplanung des Gesundheitsamts.
Wir stehen erst am Beginn der Schweinegrippe-Pandemie, die Dunkelziffer der daran bereits Erkrankten ist sehr hoch - und es gibt keinen besonderen Grund zur Aufregung. Das war die Botschaft von Dr. Hans-Joachim Boschek, Leiter des Fachbereichs Soziales und Gesundheit im Ennepe-Ruhr-Kreis, beim 5. Wittener Sicherheitsforum am 28. Oktober 2009 im FEZ.
Mit alten Pandemieplänen gearbeitet
Um praktische Prävention und die Pandemie-Vorsorgeplanung des Gesundheitsamts ging es in seinem Vortrag, in dem er auch auf die Fehler einging, die bei der Information der Bevölkerung gemacht worden seien - vor allem dann, als sich herausstellte, dass die Krankheit wesentlich milder verlaufe als zuvor angenommen. „Der Bevölkerung war nicht klar, warum tags zuvor noch jemand streng isoliert wurde, der im Verdacht stand, sich infiziert zu haben, und am nächsten Tag war alles plötzlich ganz anders.”
Unter anderem sei mit alten Pandemie-Plänen gearbeitet worden, „wir haben nachts Proben über die Autobahn nach Berlin zum Robert-Koch-Institut geschickt und einen unnötig hohen Aufwand betrieben”, so Boschek, der auf eine „wahnsinnig hohe Dunkelziffer” bei den Infektionen verweist. „Wenn wir nicht den technischen Fortschritt hätten, das neue Virus zu identifizieren, würde bei dem derzeit milden Verlauf kein Mensch merken, dass ein solches überhaupt im Umlauf ist.” Manche Fälle würden erst dann bekannt, wenn jemand zufällig getestet werde.
"Gruppenprophylaxe ist Unfug"
Wegen dieses milden Verlaufs lehnt Hans-Joachim Boschek sowohl eine Tamiflu-Gruppenprophylaxe („das ist Unfug”) als auch eine Massenimpfung ab und setzt auf eine individuelle Indikation durch den behandelnden Hausarzt: „Massenimpfungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst sind fachlich nicht vertretbar.” Boschek lobte die Kooperation mit den Kassenärzten - im EN-Kreis gebe es derzeit 79 Praxen, die am Impfprojekt teilnehmen, in Berlin seien es gerade erst einmal 13. „50 Prozent des Impfstoff-Wochenvorrats sind verbraucht, das ist mehr als erwartet.”
Denn auch trotz milden Verlaufs habe man es mit einer Pandemie zu tun. „Sie ist nicht so heftig, wie erwartet, aber die Lage ist noch nicht vorbei - ich glaube sogar, sie fängt erst an.” Boschek beklagte in dem Zusammenhang das schlechte Vorbild des Krankenhaus-Personals: „Bisher haben sich nur acht Prozent der Klinik-Mitarbeiter impfen lassen.”
Erste Untersuchungen ergaben ein schiefes Bild
Grippeviren kommen immer ungelegen. Über den Ausbruch der Schweinegrippe in Mexiko wurde das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW am 24. April, einem Freitag Nachmittag, informiert, sagt Angelika Schütz-Langemann, Fachgruppe Infektiologie und Hygiene. Sechs Tage später habe es die drei ersten NRW-Fälle in Bochum gegeben. „Die Beschreibung der Epidemiologie erfolgt durch genaue Erfassung der ersten 100 Fälle. In diesem Fall waren das junge Reisende mit einem gewissen Partyverhalten, was zu einem schiefen Krankheitsbild geführt hat.”
Dennoch erarbeitet die Uni Paderborn am Beispiel der Stadt Dortmund einen „generischen Notfallplan zum Schutz der Kommunalverwaltung in einer Pandemie”. Diplom-Ingenieur Armand Schulz stellte erste Überlegungen vor, wie eine Kommunalverwaltung ihre Dienstleistungen und das wirtschaftliche Leben einer Stadt aufrecht erhalten könne. So sei beispielsweise Tele-Arbeit denkbar, bei der ein städtischer Mitarbeiter nicht zu seinem Arbeitsplatz fahre, sondern seine Aufgaben von zu Hause erledigen könne.