Berlin. .
Einen Tag vor der Abstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm wächst die Zahl der Ja-Stimmen. Ein CDU-Abgeordneter, der mit „Nein“ stimmen wollte, hat sich nun doch umentschieden. In der FDP gibt es wohl weniger Abweichler als vorher gedacht.
Nach intensiven Beratungen kann die schwarz-gelbe Regierung bei der Abstimmung über den reformierten Euro-Rettungsschirm EFSF am Donnerstag auf die sogenannte Kanzlermehrheit hoffen. Bei der Union kündigte mit dem CDU-Abgeordneten Karl-Georg Wellmann am Mittwoch der erste Abweichler an, er werde wohl doch mit „Ja“ votieren.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle geht davon aus, dass es bei den Liberalen weniger Abweichler geben wird als bei der Probeabstimmung vor wenigen Wochen. Damals hatten zwei FDP-Abgeordnete mit Nein gestimmt und vier hatten sich enthalten. „Vielleicht werden es mit Enthaltungen am Ende vier sein, die nicht zustimmen werden“, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der ARD. Die FDP zeige damit Geschlossenheit.
Persönliches Gespräch mit Merkel überzeugte Abweichler
Insgesamt hatten am Dienstag bei einer Probeabstimmung in der Unions-Fraktion neben Wellmann zehn weitere Abgeordnete mit Nein gestimmt, zwei enthielten sich. Wellmann sagte nun Reuters TV, es sei wichtig, dass die Koalition in einer so wichtigen Frage nicht auf die Unterstützung der Opposition angewiesen sei. Seine Zustimmung knüpfte er jedoch daran, dass nicht noch „etwas völlig Verstörendes aus Washington, aus Paris, aus Frankfurt oder sonst woher kommt“. Kanzlerin Angela Merkel habe ihm persönlich die Position der Regierung erläutert.
Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Koalition mehr als die Hälfte aller möglichen Stimmen und somit die Kanzlermehrheit von 311 Stimmen erreichen wird. Dafür können sich Union und FDP maximal 19 Abweichler leisten.
Der Bundestag entscheidet über die Aufstockung der deutschen EFSF-Garantien von derzeit 123 auf 211 Milliarden Euro. Der Fonds soll zudem neue Instrumente erhalten. Das finnische Parlament stimmte bereits am Mittwoch den Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs der EU vom 21. Juli zu.
Persönliche Gespräche mit den FDP-Zweifelern
Auch bei der FDP finden laut Brüderle noch persönliche Gespräche mit Zweiflern statt. Auf jeden Fall sei sichergestellt, dass alle 93 FDP-Abgeordneten rechtzeitig zurück in Berlin seien. Krankheitsfälle gebe es bislang nicht. Bei der Union dagegen ist die Lage etwas undurchsichtiger, mindestens ein Parlamentarier kann wegen Herzproblemen nicht anwesend sein. Die Abgeordneten von CDU und CSU, die noch Zweifel hegen, sollen der Fraktionsführung dies bis Mittwochabend mitteilen. Auch bei der FDP sind Abweichler aufgefordert, ihr Stimmverhalten anzugeben. Eine Frist gibt es anders als bei der CDU/CSU-Fraktion aber nicht.
Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble haben sich bislang nicht festgelegt, ob die Kanzlermehrheit hinzubekommen sein wird. Sie verweisen bislang lediglich darauf, dass die Koalition eine eigene Mehrheit finden werde. Brüderle geht nach eigenen Worten dagegen von einer Kanzlermehrheit aus.
Positiv wurde bei der FDP gewertet, dass Schäuble bei seinem Besuch in der FDP-Fraktion eine Ausweitung des Rettungsschirms klar abgelehnt habe. Seine eindeutige Zusage, dass es bei den 211 Milliarden Euro für Deutschland bleiben werde, sei beruhigend, sagte Finanzexperte Hermann Otto Solms dem SWR. Er selbst hatte der Einführung des EFSF seinerzeit nicht zugestimmt, deutete aber eine Zustimmung zu der Ausweitung an. Es gebe jetzt so viele Instrumente, „die sicherstellen, dass dieser Weg in die Transferunion immer weiter ausgeschlossen wird und dass die Einzelstaaten nur Hilfe bekommen, wenn sie strikte Auflagen einhalten.“
Bosbach beklagt Druck
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach beklagte derweil einen enormen Druck, der auf ihn ausgeübt werde, weil er gegen die Ausweitung des EFSF stimmen wolle. Zum Teil seien ihm Vorwürfe gemacht worden, die „sachlich abwegig und sprachlich völlig unter der Gürtellinie“ gewesen seien, sagte er im WDR. Die Grenze zur üblen Nachrede sei überschritten, wenn gesagt werde, er wolle nur Merkel eins auswischen. „So was muss einem schon an die Nieren gehen, besonders in einer C-Partei.“
Die SPD forderte Schäuble auf, vor der Abstimmung für Klarheit über mögliche neue Risiken für die Steuerzahler zu sorgen. „Es muss absolute Transparenz her“, sagte der haushaltspolitische Sprecher Carsten Schneider. Auch die Grünen forderten klare Worte dazu. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, beschwichtigte dagegen, die Regierung könne den Steuerzahler nicht stärker in die Pflicht nehmen als es das Gesetz erlaube.
DGB-Chef Michael Sommer und Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warben in einer gemeinsamen Erklärung nachdrücklich um Zustimmung. „Ohne der erweiterten EFSF entstehen unkalkulierbare Folgen zulasten Europas“, betonten sie. (rtr)