Genf. . Schweizer Forscher rütteln an den Grundfesten der Physik: Sie haben Elementarteilchen entdeckt, die schneller sein sollen als das Licht. Das würde Einsteins Relativitstheorie widerlegen. Tests sollen die CERN-Ergebnisse jetzt überprüfen.

Eine verblüffende Entdeckung am Schweizer Forschungszentrum CERN könnte eine der Grundsäulen der Physik ins Wanken bringen: nämlich Albert Einsteins Theorie, dass sich nichts schneller bewegen kann als das Licht. Denn Forscher am CERN haben erstmals subatomare Teilchen mit Überlichtgeschwindigkeit gemessen. Eine Entdeckung, von der sie selbst noch überrascht sind, und die auch die Physik-Welt mit großer Skepsis aufnimmt. Tests anderer Forscher sollen die CERN-Ergebnisse jetzt überprüfen.

Sollten sie bestätigt werden, würde das weder unser Leben noch das Universum ändern. Denn diese Elementarteilchen wären damit wahrscheinlich schon seit Milliarden von Jahren mit einer Geschwindigkeit unterwegs, die jene des Lichts übersteigt. Allerdings würde eine solche Entdeckung unser Verständnis davon, wie die Welt funktioniert, einer fundamentalen Änderung unterziehen, sagen Physiker.

Nur zwei Labors sind in der Lage, die Tests aus dem größten Physiklabor der Welt - dem CERN - zu wiederholen und damit die Ergebnisse möglicherweise zu bestätigen. Eines ist das Fermilab außerhalb von Chicago, das zweite in Japan ist wegen des Tsunamis und des Erdbebens im März im Moment nicht in Betrieb.

Schwierige Messungen

Bereits kurz nach der Bekanntgabe der Ergebnisse durch die Forscher in der Schweiz am Donnerstag versammelten sich Wissenschaftler im Fermilab, um die Ergebnisse der europäischen Studie zu überprüfen. Das Problem ist allerdings, dass die Messsysteme dort nicht annähernd so präzise sind wie im CERN.

Dies sei jedenfalls so wichtig, dass jeder Wissenschaftler jedes Bruchstück an Information genau untersuchen werde, sagte Fermilab-Sprecher Rob Plunkett. Er selbst wolle sich nicht festlegen, ob nun Einstein oder das CERN am Ende recht behalten werde, aber: „Es ist gefährlich, Wetten gegen Einstein abzugeben. Einstein ist immer und immer wieder auf die Probe gestellt worden.“

Die Skepsis in der Physik-Welt ist groß, denn die Lichtgeschwindigkeit von 299.792,458 Metern pro Sekunde galt lange als kosmische Geschwindigkeitsbegrenzung. Festgelegt ist das in Einsteins Spezieller Relativitätstheorie, deren Formel E=mc² weit über die Physik-Welt hinaus Bekanntheit erlangte. „Das Gefühl, das die meisten Leute haben, ist, dass das nicht richtig, nicht real sein kann“, sagt CERN-Sprecher James Giles zu den Ergebnissen der dortigen Forscher.

60 Nanosekunden schneller als Licht

Das CERN stellte den Teilchenbeschleuniger zur Verfügung, mit dem die Neutrinos unterirdisch von Genf in ein italienisches Labor in 730 Kilometer Entfernung geschossen wurden. Und dabei - so die Forscher - 60 Nanosekunden schneller waren als das Licht, bei einer Messabweichung von nur zehn Nanosekunden. Auch das Fermilab-Team in Chicago erzielte 2007 ähnliche Ergebnisse, allerdings mit einer weit höheren Messungenauigkeit. Die Forscher am CERN überprüften diese unglaubliche Entdeckung mehrere Monate lang immer wieder. Nun wollen sie die breite Physik-Gemeinschaft einladen, um die Ergebnisse bis ins kleinste Detail zu untersuchen, sagt CERN-Sprecher Giles.

Sollte etwas Einsteins Theorien infrage stellen können, dann wären es wahrscheinlich am ehesten die Neutrinos, die Physiker seit 80 Jahren erstaunen. Diese Elementarteilchen haben fast keine Masse und existieren in drei verschiedenen Arten. Ein Neutrino kann sein eigenes Antiteilchen haben und wurde sogar schon dabei beobachtet, wie es von einem der drei möglichen Zustände in einen anderen übergeht, während es von der Sonne wegrast, erklärt Physiker Phillip Schewe vom Joint Quantum Institute in Maryland.

Physik-Welt will noch nicht von einer Revolution sprechen

Doch solange die Ergebnisse nicht von einer zweiten Gruppe bestätigt sind, will niemand in der Physik-Welt von einer Revolution sprechen. Im Gegenteil: Jenny Thomas vom Fermilab, das die Tests überprüfen soll, sagte, es müsse eine „banalere Erklärung“ für die Ergebnisse geben. Es sei sehr schwer, die Distanz, Zeit und Winkel für eine solche Behauptung zu messen.

Auch der Vorsitzende des Physik-Instituts an der Universität von Maryland, Drew Baden, hält Messfehler für die wahrscheinlichste Erklärung. „Es ist lächerlich, was die veröffentlichen“, sagt Baden: als ob man einen fliegenden Teppich erfinden und danach herausfinden würde, dass es beim Experiment einen Fehler gegeben habe. „Bis es durch eine andere Gruppe bestätigt ist, ist das ein fliegender Teppich.“ (dapd)