Genf. .

Beim dritten Versuch hat es geklappt: Mit noch nie dagewesener Energie haben Forscher am Dienstag im weltgrößten Teilchenbeschleuniger LHC bei Genf Atomkerne zusammenstoßen lassen und damit eine neue Ära der Wissenschaft eingeläutet.

Am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf stießen Protonen mit bislang unereichter Energie aufeinander. Dabei entstanden demnach Bedingungen wie unmittelbar nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren. Wissenschaftler erhoffen sich bahnbrechende Erkenntnisse von dem Versuch. Technische Probleme hatten das Experiment zunächst verzögert. Doch um 13.06 Uhr brach im Kontrollraum Applaus aus, als Detektoren die Kollision anzeigten.

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Von DerWesten

„Wir sind sehr glücklich“ sagte CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer nach dem Gelingen des Experiments. „Heute ist ein großartiger Tag für Teilchenphysiker.“ Dem deutschen Wissenschaftler war die Erleichterung anzusehen, als er den Kollegen in Genf seine Glückwünsche per Videokonferenz aus Japan überbrachte.

Experiment gelingt erst nach Verzögerungen

Noch am Morgen war die Stimmung in Genf angespannt gewesen. Zwei kleine technische Fehler hatten das Experiment ins Stocken gebracht. Erst gab es Probleme mit der Energieversorgung, dann bremste ein Sicherheitssystem die Maschine irrtümlicherweise aus. „Es ist eine komplett neue Anlage“, sagte Heuer. Es sei keine Überraschung, wenn die Dinge nicht beim ersten Anlauf funktionierten.

Die Probleme weckten Erinnerungen an den 19. September 2008, als eine fehlerhafte Elektroverbindung überhitzte und großen Schaden anrichtete. Die Reparatur kostete rund 30 Millionen Euro - der LHC stand monatelang still. Doch am Dienstag konnten die Forscher das Experiment mit geringer Verzögerung fortsetzen. Kurze Zeit später hatten sie Erfolg. Sie gönnten sich ein Glas Sekt und gingen dann zurück an die Arbeit - denn es gibt noch viel zu tun.

Wie zwei Nadeln über dem Atlantik

Vor dem Experiment am Dienstag konnte niemand wissen, ob es innerhalb der ersten Minuten und Stunden tatsächlich gelingen würde, den Zusammenprall von Protonen nachzuweisen. „Es ist, als ob sie zwei Nadeln über dem Atlantik zusammenstoßen lassen wollen“, hatte Heuer gesagt.

Von den nun folgenden Versuchen erwarten sich die Wissenschaftler Antworten auf die großen Fragen der Physik. Unter anderem wollen sie Antimaterie erforschen und das sogenannte Higgs-Teilchen nachweisen, das eine große Bedeutung beim Aufbau des Universums haben soll. Physiker vermuten, dass das Higgs-Teilchen den anderen Teilchen ihre Masse verleiht - so als steckten diese in einem zähen Sirup.

Von ihren Experimenten erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschlüsse über die Entstehung des Universums und der Materie vor rund 14 Milliarden Jahren. Dass die bahnbrechende Forschung mit Risiken verbunden sei, weisen sie zurück. Sollten bei der Kollision tatsächlich sogenannte Schwarze Löcher entstehen, wären sie so klein, dass sie sofort wieder zerfallen würden, sagte Heuer.

In den kommenden Monaten werden die Forscher weiter Protonen aufeinanderprallen lassen, um ausreichend Daten zu sammeln, mit denen sich ihre Annahmen bestätigen oder widerlegen lassen. (afp)