Essen. . Aalglatte Finanzexperten, wirklichkeitsfremde Professoren: Die Talkrunde, die mit Sandra Maischberger am Dienstag über das Euro-Debakel diskutierte, verlor sich zu oft im Klein-Klein des Politikersprechs.

Zugegeben, bislang habe ich nur sehr wenig von all dem verstanden: Euro-Rettung, Griechenland-Hilfe, Sparpakete. Dann ist man immer ganz dankbar, wenn es ein paar kluge Köpfe gibt, die einem diese komplexen Themen näher bringen können. Und wenn eine Sendung dann noch „Das Euro-Debakel: Schrecken ohne Ende?“ heißt, so möchte man meinen, sind bestimmt „Menschen bei Maischberger“ zur Stelle, denen es nicht schwer fällt, gerade heraus zu sagen, warum auch wir Deutschen künftig bürgen sollen für die Versäumnisse der Griechen, der Italiener, der Portugiesen und der Spanier. Und warum wir trotzdem noch an die europäische Idee glauben sollen, obwohl uns die Nachrichten etwas anderes suggerieren.

Es hätte spannend werden können, ja vielleicht wäre sogar so etwas wie eine Diskussion aufgekommen zwischen der ARD-Dienstags-Talkerin und ihren Gästen. Wenn diese denn als Diskutanten getaugt hätten. Doch anstatt sich wunderbar in die Haare zu bekommen ob eines Themas, das einen ganzen Kontinent bewegt von der portugiesischen Algarve bis zur griechischen Ägäis, verlieren sie sich munter im Klein-Klein des Politiker- und Expertensprechs. Und das einzige, was noch so etwas wie Unterhaltungswert besitzt, sind die Börsentipps von Mick Knauff, dem N24-Spezialisten für das Parkett, auf dem die Träume von einem gemeinsamen Währungsraum zurzeit einer nach dem anderen zerplatzen.

Da sehnt man sich nach seinem Sparkassen-Berater zurück

Wie er da so steht und über die Vorzüge einer Goldanleihe spricht, im selbem Atemzug auch noch den australischen Dollar anpreist und über die Langzeitchancen der chinesischen Währung referiert, da sehnt man sich schon fast zu seinem Sparkassen-Berater zurück, der zwar nur magere 2,5 Prozent aufs Tagesgeld anzubieten hat, dafür aber auch nicht so alberne Anzüge trägt.

Danke, Tissy Bruns, dass Sie auch Frau Maischberger wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen – und die Diskussionsrunde daran erinnern, dass vielleicht nicht jeder die paar Hunderttausend Euro locker hat, um ins „Beton-Gold“ zu investieren, wie der Herr Knauff den Kauf von Immobilien zu nennen pflegt. Danke, Frau Bruns, dass Sie die einzige inmitten dieser Runde von wirklichkeitsfremden Professoren und aalglatten Bankenvertretern sind, die sich noch ein Gespür für die Menschen da draußen bewahrt hat.

Tissy Bruns holt Maischberger auf den Boden der Tatsachen zurück

Wen scheren schon die Milliardensummen, die seit Monaten, wenn nicht schon seit Jahren, spätestens seit der großen Finanzkrise 2008, durch die Schlagzeilen geistern? Erfassen kann diese Unsummen niemand mehr. Weder der Normalo, der sich erst dann Sorgen macht, wenn sein eigener Wohlstand in Gefahr ist, noch die Banker, deren Institute so groß geworden sind, dass sie ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen können. Und schon gar nicht die Politiker, die es über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte versäumt haben, der Finanzwirtschaft klare Regeln vorzugeben. Da muss auch Klaus von Dohnanyi, der alte SPD-Grandseigneur, zustimmen: „Der wirkliche Versager war die Politik.“

Dohnanyi ist mit dieser Meinung nicht allein. Auch Bundespräsident Christian Wulff (CDU) erklärte kürzlich: „Politik darf sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen.“ Wulff ist Maischberger immerhin einen Einspieler wert. Ob sein Appell Gehör findet? Wohl eher nicht. Ein gewisser Horst Köhler, in der Finanzwelt kein Unbekannter und aus derselben Partei wie der Mann von Schloss Bellevue, hatte vor drei Jahren ähnliches gesagt. Schon damals wollte keiner auf den Bundespräsidenten hören.

Vor zwei Jahren hat keiner auf den Bundespräsidenten gehört

Also was hilft, die Euro-Krise hinter uns zu lassen? Der Austritt der Griechen aus der Währungsunion, wie er mittlerweile sogar in Teilen der Union gefordert wird? Oder vielleicht doch lieber der Euro-Austritt Deutschlands, wie ihn Maischbergers realitäts-resistenter Wirtschaftsprofessor Hans-Joachim Voth fordert, bevor er wieder sein gequältes Lächeln aufsetzt?

Weder das eine noch das andere. Insofern war Maischberger-Gucken dann doch ganz lehrreich. „Wir wollen mehr Europa“, darf dann auch noch Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze (CDU) sagen. Und zum Schluss der müden Runde ein Hohelied auf seine oberste Dienstherrin anstimmen.

Doch Kanzlerin Angela Merkel hat es bislang versäumt, ihren Bürgern in klaren Worten zu vermitteln, warum Europa diesen steinigen Weg gehen muss. Die Erklärung dafür liefert ein anderer, der nicht an der Dienstags-Plauderei teilgenommen hat: „Europa ist kein Selbstzweck naiver Träumer, Europa bleibt gerade auch für Deutschland ohne Alternative.“ Der Satz stammt von Merkels Ziehvater, von Helmut Kohl. Den muss man nicht mögen. Aber man versteht ihn wenigstens.