Dortmund/Essen. .
An den Hochschulen in NRW droht ein Zulassungs-Chaos. Ein einheitliches Bewerbungssystem scheitert an der Software. Der Hochschul-Verband rechnet mit einer „Mega-Katastrophe“ für 2013.
Karoline S. will in Bochum studieren. Die 19-Jährige hat sich trotz des guten Abitur-Schnitts von 1,9 an drei Unis beworben. Das ist Bewerber-Alltag, auch das: Bochum schickte eine Absage. Münster ließ nichts von sich hören. Wuppertal sagte zu. Die Velberterin schrieb sich dort ein, hofft aber aufs Nachrücken in Bochum. So ist Wuppertal lange blockiert.
Kurz vor dem Start ins Wintersemester droht ein Zulassungschaos an den NRW-Hochschulen. Der Deutsche Hochschulverband rechnet gar mit einer „Mega-Katastrophe“, weil es immer noch keine funktionierende Software gibt, die in ganz Deutschland und an allen Unis Ordnung in die komplizierte Vergabe von Studienplätzen bringen könnte. Die Lage ist schlimm, und es dürfte noch viel schlimmer kommen, wenn im Herbst 2013 der doppelte Abiturjahrgang in die Hörsäle drängt.
Im Zentrum der Kritik steht die Stiftung Hochschulstart, die frühere Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS), in Dortmund. Sie hat die Aufgabe, Chaos zu vermeiden, soll auf Wunsch von Bund und Ländern künftige Studenten möglichst reibungslos an ihre Wunsch-Unis bringen. Aber das kann sie nicht. Mehrfach ist der Start des vom Bund finanzierten, 15 Millionen teuren übergreifenden Internetportals verschoben worden. Zuletzt im April. Grund: Softwareprobleme.
Jede Uni macht ihr eigenes Ding
Seitdem macht wieder jede Uni ihr eigenes Ding: Die angehenden Studenten schicken jeder Uni eine eigene Bewerbung. Aus Vorsicht schreiben sich viele Studenten doppelt ein, damit sie später nicht ganz ohne Studienplatz dastehen. Das Nachrückverfahren zieht sich bis ins Semester hinein.
„Es ist sehr unangenehm, wenn man im letzten Moment die Reißleine ziehen muss“, gibt Stiftungssprecher Bernhard Scheer zu. Die Testläufe seien problemlos verlaufen. Schwierigkeiten gab es dann, als die Universitäten mit dem Rahmenportal von T-Systems verknüpft werden sollten. Ein anderes Problem war es, die Mehrfachstudiengänge in diesem System unterzubringen.
Verantwortlich für die Verknüpfung war die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS), eine Staatstochter, die etwa 220 Unis mit dem Basissystem ausstattete. HIS-Sprecher Theo Hafner verweist auf „die Komplexität der Anbindung“. Er rechne mit einem Neustart im Herbst 2012.
Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, verliert langsam die Hoffnung, dass das System überhaupt irgendwann einmal funktioniert: „Wir können eine Fußball-WM organisieren, wir schicken Menschen ins All, aber wir schaffen keine ordentliche Hochschulzulassung“, wettert Kempen. Und sagt voraus: „Schon zum Wintersemester werden wir eine Katastrophe erleben, schlimmer noch 2012/13.“
Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zeigt sich enttäuscht. „Gerade angesichts der stark zunehmenden Zahl an Studienbewerberinnen und -bewerbern ist eine reibungslose Studienplatzvergabe erforderlich“, sagt HRK-Präsidentin Dr. Margret Wintermantel. „Das Problem der Zweifachzulassung ist technisch nicht gelöst“, sagt der Bochumer Service-Dezernent Karl-Heinz Schloßer.
Alternativen waren
bei Tests erfolgreich
Dabei gibt es angeblich schon funktionierende Systeme – von privaten Anbietern. Die Hamburger Softwareschmiede Datenlotsen hatte eine Schnittstelle fertiggestellt, die Hamburger Uni hatte die Funktionsfähigkeit bereits geprüft. „Unsere Tests waren alle erfolgreich“, sagt Firmensprecherin Jana Kruse. Es gebe jetzt ein Angebot an die Hochschulen, die die Software der Konkurrenz einsetzen.
HIS will im Oktober selbst mit neuen Tests beginnen. Aktuell sucht das Unternehmen in den Stellenausschreibungen noch einen Techniker. Was der Neuanfang kostet, will noch niemand sagen.
Wie groß die Bedeutung eines funktionierenden Nachrücksystems ist, zeigen aktuelle Zahlen: 120 000 Bewerbungen von 41 000 Bewerbern sind in diesem Jahr an der Bochumer Ruhr-Uni eingegangen. Im Schnitt hat sich jeder angehende Student für drei Fächer beworben. Nur 6000 Studienplätze werden letztlich vergeben. Heißt: Nur eine von 20 Bewerbungen ist wirklich erfolgreich. Karoline S. will dazugehören.