Duisburg. Das Bundeskriminalamt schlägt Alarm: Mafia-Clans verbünden sich zunehmend mit kriminellen Rockergangs. Zudem kauften sich russische Oligarchen und südamerikanische Mafiosi in deutsche Unternehmen ein, um diese als Geldwaschanlage zu nutzen.

Deutsche Rockergangs suchen immer öfter die Zusammenarbeit mit ausländischen Mafia-Clans und Banden der organisierten Kriminalität, die über Grenzen hinweg Geld mit einschlägigen Delikten wie Menschenhandel, Drogenschmuggel und Geldwäsche verdienen. Das geht aus dem neuen Lagebericht des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor.

BKA-Chef Ziercke: „Kriminelle Rockergruppierungen und organisierte Kriminalität sind zunehmend miteinander verbunden.“ 2010 habe es in diesem Zusammenhang bundesweit 57 Ermittlungsverfahren gegeben. Ziercke geht davon aus, dass sich die Rockerszene überdies brutalisiert. Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen die organisierte Kriminalität hat 2010 deutlich zugenommen – von 579 auf 606. Noch stärker stieg der festgestellte Schaden, der um 20 Prozent wuchs und jetzt bei 1,6 Milliarden Euro liegt. 63 Prozent der Tatverdächtigen stammen aus dem Ausland. Türken und Italiener stellen die meisten nichtdeutschen Verdächtigen. Im Rockermilieu dominiert allerdings die deutsche Herkunft. Der Mafia-Experte und US-Regierungsberater Edgardo Buscaglia sagte auf einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung, russische Oligarchen und südamerikanische Mafiosi kauften sich auch in Deutschland zunehmend in Unternehmen der legalen Wirtschaft ein und nutzten diese als Geldwaschanlage.

Mafia kauft sich im Ruhrgebiet ein

70-mal schossen die Mafia-Mörder der ’Ndrangheta vor dem Duisburger Hauptbahnhof. Am Ende lagen sechs Leichen vor dem Restaurant „Da Bruno“. Was im August 2007 im Ruhrgebiet passiert ist, hat den Deutschen klargemacht: Die organisierte Kriminalität ist anwesend. Fast überall. Russen haben sich in Berlins Unterwelt festgesetzt. Albanische Clans machen in Hamburg Probleme. In Hannovers Steintorviertel gehen Hell’s Angels ihren Geschäften nach und beherrschen ganze Häuserblocks.

Mafia-Morde in Duisburg

In der Nacht zum 15. August 2007 wurden an der Pizzeria Da Bruno in Duisburg-Neudorf sechs Menschen mit Kopfschüssen getötet.
In der Nacht zum 15. August 2007 wurden an der Pizzeria Da Bruno in Duisburg-Neudorf sechs Menschen mit Kopfschüssen getötet. © Stephan Eickershoff
Ein Rückblick auf die Ereignisse.
Ein Rückblick auf die Ereignisse. © Stefan Endell
Duisburg, in der Nacht zum 15. August 2007: Es ist 2.21 Uhr, als die Schüsse durch die Nacht rattern...
Duisburg, in der Nacht zum 15. August 2007: Es ist 2.21 Uhr, als die Schüsse durch die Nacht rattern... © Stefan Endell
...70 Schüsse aus Maschinenpistolen, abgefeuert auf sechs Männer, die in ihren Autos gerade den Hof neben dem Restaurant „Da Bruno” verlassen.
...70 Schüsse aus Maschinenpistolen, abgefeuert auf sechs Männer, die in ihren Autos gerade den Hof neben dem Restaurant „Da Bruno” verlassen. © Stefan Endell
Die Opfer: Sebastiano Strangio, 38, Francesco Giorgi, 16, Marco Marmo, 25, Francesco Pergola, 22, Marco Pergola, 19, und Tommaso Venturi, 18.
Die Opfer: Sebastiano Strangio, 38, Francesco Giorgi, 16, Marco Marmo, 25, Francesco Pergola, 22, Marco Pergola, 19, und Tommaso Venturi, 18. © Stefan Endell
„Wenige Minuten nach den Schüssen in Duisburg waren Schutzpolizisten am Tatort, bald darauf unsere Ermittler....
„Wenige Minuten nach den Schüssen in Duisburg waren Schutzpolizisten am Tatort, bald darauf unsere Ermittler.... © Stephan Eickershoff
... Sie haben noch versucht, das ein oder andere Opfer zu reanimieren”, erinnert sich der Duisburger Kriminaldirektor Holger Haufmann.
... Sie haben noch versucht, das ein oder andere Opfer zu reanimieren”, erinnert sich der Duisburger Kriminaldirektor Holger Haufmann. © Matthias Graben
Vergeblich, die sechs zwischen 16 und 38 Jahre alten Männer hatten keine Chance gehabt.
Vergeblich, die sechs zwischen 16 und 38 Jahre alten Männer hatten keine Chance gehabt. © Stephan Eickershoff
Heinz Sprenger (64) leitete vor zehn Jahren die Mordkommission. Sechs Tote vor einer Pizzeria,
Heinz Sprenger (64) leitete vor zehn Jahren die Mordkommission. Sechs Tote vor einer Pizzeria, "klar denkt man da sofort an die Mafia", sagt er. Trotzdem hat er in alle Richtungen ermitteln lassen. "Hätte ja auch ein Eifersuchtsdrama sein können." War es aber nicht, wie die Fahnder bald erfahren. © Lars Heidrich
Sein Kollege Haufmann:
Sein Kollege Haufmann: "Ich hatte in den letzten Jahren oft genug mit der Mafia zu tun. In Wuppertal, Mülheim und in Duisburg." © Stephan Eickershoff
Schließlich ist in Mülheim der berüchtigte Mafia-Killer Georgio Basile aufgewachsen, hatte es im Ruhrgebiet immer wieder Delikte von Angehörigen der 'Ndrangheta gegeben. „Raubüberfälle, Auto-Schiebereien”, so Haufmann. Und 80 der Italiener in Duisburg stammen aus San Luca.
Schließlich ist in Mülheim der berüchtigte Mafia-Killer Georgio Basile aufgewachsen, hatte es im Ruhrgebiet immer wieder Delikte von Angehörigen der 'Ndrangheta gegeben. „Raubüberfälle, Auto-Schiebereien”, so Haufmann. Und 80 der Italiener in Duisburg stammen aus San Luca. © Stephan Eickershoff
Das bestätigen auch italienische Kollegen, die nach der Tat nach Duisburg kamen. Sie stufen das Verbrechen als Teil einer Fehde rivalisierender Clans ein, die seit 1991 andauert und die sie die
Das bestätigen auch italienische Kollegen, die nach der Tat nach Duisburg kamen. Sie stufen das Verbrechen als Teil einer Fehde rivalisierender Clans ein, die seit 1991 andauert und die sie die "Vendetta von San Luca" nennen. Die Pelle-Romeo gegen Strangio-Nirta. Beide gehören der ‘Ndrangheta an, der kalabrischen Mafia. © Stephan Eickershoff
Der Hintergrund der Duisburger Bluttat: Weihnachten 2006 war Maria Nirta-Strangio, die Frau des Mafia-Bosses Giovanni Nirta erschossen worden. Ihm hatten die Schüsse vermutlich gegolten, sie hatte sich damals im letzten Moment schützend vor einen kleinen Jungen geworfen.
Der Hintergrund der Duisburger Bluttat: Weihnachten 2006 war Maria Nirta-Strangio, die Frau des Mafia-Bosses Giovanni Nirta erschossen worden. Ihm hatten die Schüsse vermutlich gegolten, sie hatte sich damals im letzten Moment schützend vor einen kleinen Jungen geworfen. © Federico Gambarini/dpa
Im Polizeipräsidium an der Düsseldorfer Straße gaben die Ermittler erste Details bekannt.
Im Polizeipräsidium an der Düsseldorfer Straße gaben die Ermittler erste Details bekannt. © Stephan Eickershoff
Staatsanwalt Manfred Obretzka, der Leiter der Mordkommision Heinz Sprenger und Kriminaldirektor Ronald Bäumler informierten die Medien über die Geschehnisse in der Nacht.
Staatsanwalt Manfred Obretzka, der Leiter der Mordkommision Heinz Sprenger und Kriminaldirektor Ronald Bäumler informierten die Medien über die Geschehnisse in der Nacht. © Stephan Eickershoff
Durch die Veröffentlichung des Videos einer Überwachungskamera  erhoffte sich die Polizei weitere Hinweise auf die Täter.
Durch die Veröffentlichung des Videos einer Überwachungskamera erhoffte sich die Polizei weitere Hinweise auf die Täter. © Andreas Mangen
Das Bild von der Überwachungskamera an der Klöckner-Tankstelle zeigt die beiden Mörder.
Das Bild von der Überwachungskamera an der Klöckner-Tankstelle zeigt die beiden Mörder. © Polizei
Dank des Videos fand die Polizei auch heraus, dass die Täter mit einem Renault Clio unterwegs waren. Der Wagen wurde später im belgischen Gent gefunden. Mit DNA-Spuren.
Dank des Videos fand die Polizei auch heraus, dass die Täter mit einem Renault Clio unterwegs waren. Der Wagen wurde später im belgischen Gent gefunden. Mit DNA-Spuren. © Friedhelm Geinowski
Am Tatort haben Freunde und Bekannte Blumen niedergelegt , Kerzen aufgestellt und Briefe abgelegt.
Am Tatort haben Freunde und Bekannte Blumen niedergelegt , Kerzen aufgestellt und Briefe abgelegt. © Friedhelm Geinowski
Ein grausames Verbrechen, ...
Ein grausames Verbrechen, ... © Friedhelm Geinowski
... das viele Duisburger trifft.
... das viele Duisburger trifft. © Stephan Eickershoff
Sie trauerten mit den Angehörigen der Toten.
Sie trauerten mit den Angehörigen der Toten. © Friedhelm Geinowski
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Ein Ascheherz, viele Blumen und Kerzen lagen auch noch Tage nach dem Verbrechen vor dem Restaurant
Ein Ascheherz, viele Blumen und Kerzen lagen auch noch Tage nach dem Verbrechen vor dem Restaurant "Da Bruno". © Andreas Mangen
Der 15. August, für die Duisburger Polizei ist er der Auftakt immenser Ermittlungsarbeit.
Der 15. August, für die Duisburger Polizei ist er der Auftakt immenser Ermittlungsarbeit. © Stephan Eickershoff
Anfangs rund um die Uhr, lange Wochen ohne jede Pause bemühten sich die Fahnder, den Tätern auf die Spur zu kommen.
Anfangs rund um die Uhr, lange Wochen ohne jede Pause bemühten sich die Fahnder, den Tätern auf die Spur zu kommen. © Stephan Eickershoff
Doch bei jenen, die aus San Luca stammen, stoßen sie auf beredtes Schweigen. „Sie haben in den Vernehmungen viel erzählt, aber immer nur so viel, wie wir ohnehin schon wussten”, so der Duisburger Staatsanwalt Garip Günes-Böhm (rechts), hier im Bild mit Holger Haufmann
Doch bei jenen, die aus San Luca stammen, stoßen sie auf beredtes Schweigen. „Sie haben in den Vernehmungen viel erzählt, aber immer nur so viel, wie wir ohnehin schon wussten”, so der Duisburger Staatsanwalt Garip Günes-Böhm (rechts), hier im Bild mit Holger Haufmann © Stephan Eickershoff
Die Omertà, die Schweigepflicht, gilt nicht nur im 2143 Kilometer entfernten San Luca, sie reicht bis ins Ruhrgebiet.
Die Omertà, die Schweigepflicht, gilt nicht nur im 2143 Kilometer entfernten San Luca, sie reicht bis ins Ruhrgebiet. © Stephan Eickershoff
90 Ermittler gehörten der Mordkommission „Mülheimer Straße” an, in Spitzenzeiten wurden sie durch weitere 50 Leute unterstützt. LKA und BKA schickten Experten, die ersten italienischen Fahnder steigen bereits am Abend der Tat aus dem Flugzeug.
90 Ermittler gehörten der Mordkommission „Mülheimer Straße” an, in Spitzenzeiten wurden sie durch weitere 50 Leute unterstützt. LKA und BKA schickten Experten, die ersten italienischen Fahnder steigen bereits am Abend der Tat aus dem Flugzeug. © Stephan Eickershoff
Das „Da Bruno” war ihnen, die seit zwei Jahren gezielt gegen die 'Ndrangheta vorgegangen waren, lange schon ein Begriff. Spätestens seit sich in einem der unterirdischen Bunker in San Luca eine Visitenkarte des Restaurants fand.
Das „Da Bruno” war ihnen, die seit zwei Jahren gezielt gegen die 'Ndrangheta vorgegangen waren, lange schon ein Begriff. Spätestens seit sich in einem der unterirdischen Bunker in San Luca eine Visitenkarte des Restaurants fand. © Stephan Eickershoff
Wo die Omertà zum Schweigen verpflichtet, beginnen bald Indizien, Beweise eine Geschichte zu erzählen...
Wo die Omertà zum Schweigen verpflichtet, beginnen bald Indizien, Beweise eine Geschichte zu erzählen... © Andreas Mangen
...denn was das Heiligenbild mit dem angesengten Kopf von San Michele, dem Schutzpatron der italienischen Polizei, bedeutet, das wissen die Beamten nur all zu gut. Tommaso Venturi (auf dem Papierausschnitt zu sehen), eines der Opfer aus dem „Da Bruno”, trug es bei sich. Beleg dafür, dass der Mülheimer, der seinen 18. Geburtstag feierte, in dieser Nacht auch in die Mafia aufgenommen wurde.
...denn was das Heiligenbild mit dem angesengten Kopf von San Michele, dem Schutzpatron der italienischen Polizei, bedeutet, das wissen die Beamten nur all zu gut. Tommaso Venturi (auf dem Papierausschnitt zu sehen), eines der Opfer aus dem „Da Bruno”, trug es bei sich. Beleg dafür, dass der Mülheimer, der seinen 18. Geburtstag feierte, in dieser Nacht auch in die Mafia aufgenommen wurde. © Friedhelm Zingler
Eine Woche nach der Bluttat von Duisburg wurden die ersten Opfer in Italien beerdigt.
Eine Woche nach der Bluttat von Duisburg wurden die ersten Opfer in Italien beerdigt. © Friedhelm Zingler
Das Mülheimer Mafia-Opfer Tommaso Venturi wurde auf dem Dümptener Friedhof beigesetzt.
Das Mülheimer Mafia-Opfer Tommaso Venturi wurde auf dem Dümptener Friedhof beigesetzt. © Friedhelm Zingler
150 Trauernde nahmen Abschied. Als Tommasos große Schwester ihre Mutter vom Grab wegführte, rief sie den an einem Seiteneingang stehenden Fotografen und Kameraleuten zu:
150 Trauernde nahmen Abschied. Als Tommasos große Schwester ihre Mutter vom Grab wegführte, rief sie den an einem Seiteneingang stehenden Fotografen und Kameraleuten zu: "Die Schau ist zu Ende. Ihr könnt jetzt gehen." © Friedhelm Zingler
Nach dem Begräbnis erzählt Familie Zuliani über Tommaso.
Nach dem Begräbnis erzählt Familie Zuliani über Tommaso. "Er hatte immer ein offenes Herz für andere. Hauptsache seine Familie war glücklich", sagt Sohn Andreas. Weil seine Eltern krank sind, habe er die Schule abgebrochen. An die Ausbildung in der Duisburger Pizzeria "Da Bruno" sei er durch seinen Patenonkel gekommen, den 38-jährigen Mitbesitzer, der ebenfalls ermordet wurde. "Tommaso hat diese Ausbildung als große Chance gesehen", erzählt Andreas Zuliani. "Er wollte sich selbst etwas aufbauen." © Monika Kirsch
Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung gewährten nur Trauergästen den Zugang zum Friedhof, unterstützt von etwa 20 Polizisten. Die Persönlichkeitsrechte der Familie sollten geschützt werden.
Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung gewährten nur Trauergästen den Zugang zum Friedhof, unterstützt von etwa 20 Polizisten. Die Persönlichkeitsrechte der Familie sollten geschützt werden. © Monika Kirsch
Auch noch Wochen nach dem grausamen Verbrechen lagen noch immer Blumen vor dem Restaurant
Auch noch Wochen nach dem grausamen Verbrechen lagen noch immer Blumen vor dem Restaurant "Da Bruno". © Friedhelm Geinowski
Am Tatort des Sechsfach-Mordes kamen Ende September 2007 der Bischof aus Kalabrien und der Pfarrer aus San Luca zu einem Gebet für die Opfer der Mordtat zusammen. Sie kamen mit dem Wunsch nach Duisburg, zur Gewaltlosigkeit und zum Frieden zurückzukehren.
Am Tatort des Sechsfach-Mordes kamen Ende September 2007 der Bischof aus Kalabrien und der Pfarrer aus San Luca zu einem Gebet für die Opfer der Mordtat zusammen. Sie kamen mit dem Wunsch nach Duisburg, zur Gewaltlosigkeit und zum Frieden zurückzukehren. © Stephan Eickershoff
In einer
In einer "Vigil", einer nächtlichen Gebetszeit, gedachte die italienische Gemeinde der Toten. Später sprach Carlino Nicola, Onkel des getöteten Francesco einige wenige Worte in das Mikrofon eines französischen Fernsehsenders. Auch er redete nur von "Trauer", nicht von "Rache". © Stephan Eickershoff
Das „Da Bruno“ gibt es längst nicht mehr, der bisher letzte Nachfolger hat vor wenigen Wochen dicht gemacht. Die Küche soll jedoch auch Jahre später noch so ausgesehen haben, als ob Sebastiano Strangio, der Chef aus San Luca, gleich um die Ecke käme.
Das „Da Bruno“ gibt es längst nicht mehr, der bisher letzte Nachfolger hat vor wenigen Wochen dicht gemacht. Die Küche soll jedoch auch Jahre später noch so ausgesehen haben, als ob Sebastiano Strangio, der Chef aus San Luca, gleich um die Ecke käme. © dpa
Giovanni Strangio, der Besitzer zweier Pizzastuben in Kaarst stand schon bald als Haupttäter unter Verdacht. Nach dem sechsfachen Mord floh Strangio nach Belgien und in die Niederlande. In Amsterdam schnappte die Polizei den Italiener dann im März 2009.
Giovanni Strangio, der Besitzer zweier Pizzastuben in Kaarst stand schon bald als Haupttäter unter Verdacht. Nach dem sechsfachen Mord floh Strangio nach Belgien und in die Niederlande. In Amsterdam schnappte die Polizei den Italiener dann im März 2009. © Stephan Eickershoff
Knapp vier Jahre später, im Juli 2011, fiel das Urteil gegen gegen Giovanni Strangio, als mutmaßlicher Drahtzieher der Duisburger Morde: lebenslänglich. Die ersten drei Jahre seiner Strafe musste er in Isolationshaft verbringen.
Knapp vier Jahre später, im Juli 2011, fiel das Urteil gegen gegen Giovanni Strangio, als mutmaßlicher Drahtzieher der Duisburger Morde: lebenslänglich. Die ersten drei Jahre seiner Strafe musste er in Isolationshaft verbringen. © Franco Cufari/dpa
Zwei Chefermittler der Duisburger Kripo waren auch eine Woche vor Ort in Kalabrien, als in San Luca zehn mutmaßliche Nrandgheta-Mitglieder verhaftet wurden.
Zwei Chefermittler der Duisburger Kripo waren auch eine Woche vor Ort in Kalabrien, als in San Luca zehn mutmaßliche Nrandgheta-Mitglieder verhaftet wurden. © Stephan Eickershoff
Unter ihnen zwei Frauen und der mutmaßliche zweite Todesschütze Sebastiano Nirta. Die Prozesse gegen die Killer  fanden in Italien statt. Alle sitzen heute im Gefängnis, werden dort wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens bleiben.
Unter ihnen zwei Frauen und der mutmaßliche zweite Todesschütze Sebastiano Nirta. Die Prozesse gegen die Killer fanden in Italien statt. Alle sitzen heute im Gefängnis, werden dort wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens bleiben. © Franco Cufari/dpa
Im Februar 2010, zweieinhalb Jahre nach der blutigen Tat, kann die Ermittlungsakte endlich geschlossen werden. Damit ist das Verbrechen vom 15. August 2007 aufgeklärt.
Im Februar 2010, zweieinhalb Jahre nach der blutigen Tat, kann die Ermittlungsakte endlich geschlossen werden. Damit ist das Verbrechen vom 15. August 2007 aufgeklärt. © Stephan Eickershoff
Heinz Sprenger hatte damals die Mordkommisson geleitet, heute ist er im Ruhestand. Er war zufrieden, als die Urteile verkündet wurden.
Heinz Sprenger hatte damals die Mordkommisson geleitet, heute ist er im Ruhestand. Er war zufrieden, als die Urteile verkündet wurden. "Eine Teamleistung", sagt er bis heute. Eine, die sie später gefeiert haben. Mit den Kollegen aus dem Ausland und jeder Hilfskraft. "Aber so richtig gefeiert." © Lars Heidrich
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Die weltweit tätigen Organisationen sind längst breiter aufgestellt – und gefährlicher geworden. „Wir kennen 75 Gruppen, die transnational operieren. Sie tun dies in 23 Arten des organisierten Verbrechens. Drogen sind nur noch eines der Themen“, sagt der amerikanische Regierungsberater Edgardo Buscaglia von der Universität von Virgina. Neuer Trend: Russische Oligarchen und südamerikanische Mafiosi kaufen sich in Firmen und Konzerne ein.

„Opel hat Glück gehabt“

Buscaglia hat auf einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin das Beispiel des mexikanischen Sinaloa-Kartells genannt, das seine durch Verbrechen erwirtschafteten Gewinne in profitträchtige Pharmafirmen steckt. „Opel hat Glück gehabt“, ergänzt der Autor und Kriminalitätsexperte Jürgen Roth. Denn 2009 entging die europäische Tochter des US-Konzerns General Motors nur knapp dem Verkauf an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna. Auch der war belastet.

An Magna war zu dem Zeitpunkt Oleg Deripaska beteiligt. Die 5. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts ordnete den Russen im Urteil vom 31. Mai 2010 der Ismailovskaja zu. Das ist eine der größten kriminellen Organisationen Russlands. Sie arbeitet weltweit illegal. Deripaska war für einen Teil dieses Handels zuständig. Über Morde und die Verfahrensweisen der Gruppe wusste er Bescheid, ließen die Richter durchblicken.

Mafiabeteiligung

Alarmierend findet Roth auch die Zusammenhänge eines Geschäfts von Fraport, Frankfurts Flughafengesellschaft mit einer 51-prozentigen deutschen Staatsbeteiligung. Sie betreibt in Bulgarien gemeinsam mit einer Tochtergesellschaft der TIM-Gruppe den Flughafen Varna. US-Diplomaten werfen seit Jahren ein Auge auf die Mafia-Entwicklungen in dem EU-Land. Es ist bekannt, dass Geldbeträge, die sich die alten kommunistischen Kader vor der Wende von 1989 erpresst und ergaunert hatten, in kapitalistische Geschäfte der Nachwendezeit investiert und dort gewaschen wurden.

Ehemalige Staatsfirmen wie TIM geraten immer wieder ins Visier. 2005 kabelte der Sofioter US-Botschafter James Pardew ans State Department, die TIM-Gruppe sei „die einflussreichste kriminelle Organisation in Bulgarien“. Auch der Bundesnachrichtendienst warnte: „Bei geplanten oder bereits durchgeführten Investitionen deutscher Firmen in osteuropäische Subunternehmen… kann eine Mafiabeteiligung an diesen osteuropäischen Unternehmen nicht ausgeschlossen werden.“

Personalmangel bei den Fahndern

Wie ist die Entwicklung zu stoppen? Durch mehr Aufmerksamkeit im eigenen Land. Im Ruhrgebiet, so Buscaglia, hätten ihm Fahnder von großen Personallücken berichtet: „Es gibt Beamte in Essen, die erzählen, wir brauchen mehr Hilfe, wenn wir russische und osteuropäische Banden bekämpfen sollen.“ Die mexikanische Sinaloa schaue sich im Revier um, auch in Einkaufszentren. In Münster, wurde bei der Berliner Tagung berichtet, müssten Polizeiexperten für Wirtschaftskriminalität Streife gehen. Zu wenig Beamte stünden zur Verfügung. Und zu wenig, so Buscaglia, investiere der Staat in den entscheidenden Zweig der Steuerfahndung.