Essen/Gais. . Das Erste reagiert abwartend auf den Freispruch zweiter Klasse für den TV-Wetterunternehmer Jörg Kachelmann. Er selbst indes glaubt an eine Rückkehr in die Öffentlichkeit.
Das Verfahren gegen Jörg Kachelmann ist vorerst abgeschlossen, und doch bleiben Fragen offen: Was wird wird aus dem TV-Wetterunternehmer? Zieht er nur noch als graue Eminenz die Strippen seines Wetter-Imperiums Meteomedia AG?
Der Fall Kachelmann erinnert an den Fall Türck. Beide waren bekannte Fernsehgesichter, beide standen wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung vor Gericht, beide kamen in Indizienprozessen frei.
Andreas Türck galt um die Jahrtausendwende als „Mr. Charming“ des Fernsehens. Im Mai 2004 drehte sich der Wind für den heute 42-Jährigen: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt erhob gegen den ProSieben-Moderator Anklage wegen Vergewaltigung. Im Spätsommer 2005 sprachen die Richter ihn frei. Büßen musste er dennoch. Die Berichterstattung der Medien wirkte wie ein öffentlicher Schuldspruch. Türcks Karriere als Moderator war vorbei. Erst 2007 meldete er sich als Produzent von Internet-Filmen zurück. Auf Anfrage mochte er sich nicht äußern.
Und Kachelmann? Zunächst sah es so aus, als wolle der gelernte Journalist und Hobby-Meteorologe hinwerfen. „Bild“ sagte er im Herbst frostig: „Das Kapitel Fernsehen ist dadurch für mich beendet worden. Nachdem Staatsanwaltschaft und Medien mein angebliches Privatleben gewaltsam öffentlich gemacht haben, wär’s mit dem Blumenkohlwolken-Onkel wohl schwierig.“ Später überlegte es sich der Lörracher anders. Folgerichtig mimte er den Wettermann für zwei kleine Radiostationen in Deutschland und in der Schweiz.
Unmittelbar nach seinem Freispruch ließ Kachelmann sein Unternehmen verkünden, Meteomedia freue sich „über den längst überfälligen Freispruch ihres Firmengründers“. Kachelmann kündigte an, er wolle „ab sofort seine Kraft wieder ganz“ seiner Firmengruppe widmen. Mehr noch: „Zusätzliche öffentliche Auftritte sind in Zukunft nicht ausgeschlossen.“
Ob das auch fürs Erste gilt, bleibt vorerst offen. Meteomedia machte für das Erste „Das Wetter im Ersten“ unmittelbar vor der 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“. Bereits im „Morgenmagazin“ sind die Kachelmänner vertreten, und auch beim Wetter nach den „Tagesthemen“. ARD-Sprecher Burchard Röver erklärte, solange kein rechtskräftiges Urteil vorliege, „sieht die ARD in dieser Angelegenheit keinen Entscheidungsbedarf“.
Die Zusammenarbeit zwischen Meteomedia und der ARD wird über die privatwirtschaftliche WDR-Mediagroup in Köln organisiert. WDR-Sprecher Birand Bingül wolkig: „Wir haben laufende, gültige Verträge mit Meteomedia. Es gibt keine Veranlassung, daran etwas zu ändern.“ Zu den Laufzeiten der Verträge und zur Höhe des Honorars wollte sich Bingül nicht äußern.
Als Selbstvermarkter
Als geschickter Selbstvermarkter hatte Kachelmann Anfang der 90er-Jahre beim damaligen Südwestfunk so lange Schönwetter gemacht, bis er ans Mikrofon durfte. Als sonniger Vollbart-Zausel stilisierte er den Wetterbericht zur Wolkenshow. Gesäßkalt statt Gefrierpunkt. Obendrein gab sich Kachelmann als Billigheimer. Dem Deutschen Wetterdienst blies der Wind beim Ersten ins Gesicht; er gab schließlich auf.
Meteomedia versorgte Kachelmann mit Wetterdaten. Die international tätige Firma gründete er 1990 in Gais, Schweiz, sie ist börsennotiert, 49 Prozent der Anteile gehören Kachelmann. Er beschäftigt rund 100 Mitarbeiter, darunter etliche Moderatoren. Genau deshalb muss er sich um die TV-Präsenz von Meteomedia kaum Sorgen machen. Claudia Kleinert, Alexander Lehmann und Sven Plöger machten sich längst einen eigenen Namen – auch ohne Blumenkohlwolken.