Essen. . Hilflos und nicht anders als eine Debatte unter Trockenhauben. Experten und solche, die die Redaktion dafür hält, diskutieren in „Menschen bei Maischberger“ das Urteil im Fall Kachelmann.

Es ist im Leben des Jörg Kachelmann eine Weile her, dass die Dinge nach Wunsch liefen. Aber plötzlich läuft es wieder. Kachelmann war es, der einen für Sandra Maischbergers Talk geladenen Gast am Dienstag bat, dort doch besser abzusagen. Und so geschah es. Klaus Schroth fehlte. Er hatte Kachelmann bis letzten Herbst verteidigt.

Schroth also fehlte. Aber fehlte Schroth? Hätte er dieser hilflosen Runde aufgeholfen, die das Sendungsmotto auf ein ziemlich hohes Ross gesetzt hatte: „Hat die Wahrheit gesiegt?“

Ingrid Steeger weiß es besser?

Das also soll Ingrid Steeger besser wissen als ein deutsches Gericht? Etwa, weil sie vor 40 Jahren vergewaltigt wurde? Ein geradezu bizarres Einladungsmotiv der Maischberger-Redaktion. Es gab auch noch Alice Schwarzer, die ihre sattsam bekannten Thesen vom Freiwild Frau posaunte. Und Roger Schawinski, dessen Anwesenheit sein Schweizertum und eine alte Bekanntschaft mit dem Freigesprochenen legitimiert? Schawinski lacht ein bisschen verschwitzt: „Ich glaub‘, der ist happy“, sagt er über seinen alten Bekannten. „Der ist aus dieser Nummer rausgekommen. Super Publicity!“ Und noch einmal, wenn auch mit ein bisschen mehr doppeltem Boden: „Ganz tief unten ist er happy!“

Der gute Laune Satz eines munteren Medienmannes verhallte weitgehend in einer Runde, die über lange Strecken Aufstieg und Fall und Aufstieg des Jörg K. kaum anders diskutierten als mitteilsame Mittfünfzigerinnen es dieser Tage unter Trockenhauben tun dürften. Kurzfassung:

1. Wir wissen es nicht.

2. Gut, dass „in dubio pro reo“ gilt.

3. Schlecht, dass im Grunde jeder mit Schaden daraus hervorgeht.

4. Und natürlich, nickte man gemeinsinnig in die Kamera, sei Recht und Gerechtigkeit zweierlei.

Es sagt mehr übers Fernsehen als über den Prozess, wie diese Maischberger-Runde verlief. Auch im Talk ist Justitia blind. Doch bedecken ihre Augen: eine Binse.

Profis kommen gegen das Geplapper nicht an

Gegen das hilf- und ratlose Geplapper – von Sandra Maischberger eher sprunghaft gesteuert – kamen auch zwei gebetene Profis kaum an. Profunde Hintergründe lieferte eine Bremer Staatsanwältin. Heinrich Gehrke (Richter im Fall Weimar) bürstete zwar mit Verve den volkstümlichen Gutglauben ab, dass Gerichte die Wahrheit herausfinden sollen. Und er hatte ein bisschen Klartext parat: „Ein Gau“ sei dieser Prozess. „Beide sind zerstört in ihrer Reputation.“ Doch verfing sich Gehrke bald in üppig-blutleerer Formaljuristerei und erwies der deutschen Gerichtsbarkeit einen televisonären Bärendienst.

Nach dem Urteil war also irgendwie dann doch nicht vor dem Urteil. Hatte sich jemand mehr versprochen? Wofür ein Gericht Dutzende Verhandlungstage anberaumt hatte, dazu brauchte man in rückwärts gewandter Besserwisserei nur 75 Minuten: Es gibt keine einfache Lösung in dieser hässlichen Schmuddel-Geschichte. Nicht einmal in der ARD.