Düren/Mainz. .
Die Opferschutzorganisation „Weißer Ring e.V.“ kritisiert die Signalwirkung, die der Kachelmann-Prozess auf Vergewaltigungsopfer haben könnte. Die Öffentlichkeit des Verfahrens und der Freispruch könnten davon abhalten, sexuelle Gewalt anzuzeigen.
Ein realer sexueller Übergriff vorausgesetzt, sei ein Freispruch „ein Schlag für jede Frau, die vergewaltigt worden ist. Das Opfer geht nach einem solchen Freispruch geschädigter aus der Verhandlung als der mutmaßliche Täter. Das ist psychologisch schwer aufzufangen“, sagt Jörg Beck, Landesvorsitzender des Weißen Rings NRW/Rheinland.
Schon das Gerichtsverfahren sei für Vergewaltigungsopfer schwer nachvollziehbar, meint Veit Schiemann von der Bundesgeschäftsstelle der Opferschutzorganisation: „Ein solcher Prozess ist für die Opfer immer sehr belastend. Das Opfer ist ja der Überzeugung, Opfer geworden zu sein und wundert sich dann, dass es vor Gericht als Beweismittel betrachtet wird, dass es infrage gestellt wird und der gegnerische Anwalt versucht, seine gesamte Lebensweise zu demontieren.“
Hohe Signalwirkung von Kachelmann-Prozess
Das öffentliche Interesse am Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Wettermoderator könnte Vergewaltigungsopfer zusätzlich beeinflussen. Der Kachelmann-Prozess signalisiere folgendes: „Eine Frau, die vergewaltigt wurde, rechnet jetzt damit, dass ihr komplettes Sexualleben am nächsten Tag in der Zeitung steht“, sagt Veit Schiemann. „Das ist natürlich nicht so und wir raten nach wie vor dringend zur Anzeige. Denn die bedeutet einen wichtigen Perspektivwechsel. Mit der Anzeige wird das Opfer selbst aktiv und diese neue Perspektive ist eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz eines Urteils aus Mangel an Beweisen. Es besteht für das Opfer ein eklatanter Unterschied darin, ob es gelogen haben soll oder ob die Tat nicht nachweisbar ist.“
Hilfe erhalten Betroffene bei der Polizei und bei Opferschutzorganisationen wie dem Weißen Ring. „Es gibt sogar die Möglichkeit, Beweise anonym sichern zu lassen. Das Opfer muss sich dann nicht sofort entscheiden, sondern kann sich später überlegen, ob es Anzeige erstatten will“, so Jörg Beck.