Münster. . Sieben Jahre nach dem Bundeswehr-Skandal von Coesfeld wird der Fall vor Gericht neu aufgerollt: sieben frühere Bundeswehr-Ausbilder müssen sich erneut wegen verbotener Geiselnahmeübungen verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert Geldstrafen.
Sieben Jahre nach dem Bundeswehr-Skandal von Coesfeld wird der Fall seit Donnerstag vor Gericht neu aufgerollt: Vor dem Landgericht Münster müssen sich erneut sieben frühere Bundeswehr-Ausbilder wegen verbotener Geiselnahmeübungen verantworten, bei denen im Frühjahr und Sommer 2004 insgesamt 160 Rekruten der Coesfelder Freiherr-vom-Stein-Kaserne misshandelt worden waren.
Die Beschuldigten waren in früheren Verfahren von dem Münsteraner Gericht freigesprochen beziehungsweise zu Geldstrafen verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diese Urteile jedoch aufgehoben.
Wegen der Vorfälle in der Coesfelder Kaserne waren insgesamt 18 frühere Bundeswehr-Angehörige vor Gericht gestellt worden, elf Urteile sind rechtskräftig. Die nunmehr erneut angeklagten sieben Männer hatten die Rekruten bei vier Geiselnahmeübungen nach einem Nachtmarsch überfallen, gefesselt und zu fingierten Verhören abtransportiert. Dort wurden die Soldaten von anderen Bundeswehr-Angehörigen dann teils misshandelt. Es wurden Scheinerschießungen vorgenommen und den Rekruten mit einer Kübelspritze Wasser in den gewaltsam geöffneten Mund oder in die Nase gepumpt, so dass sie zum Teil keine Luft mehr bekamen.
An Verhören waren die Beschuldigten nicht beteiligt
An diesen Verhören waren die sieben Beschuldigten aber nicht beteiligt. Das Landgericht Münster hatte die Beteiligung der heute zwischen 26 und 36 Jahre alten Männer lediglich an den Überfällen auf die Rekruten und an deren Transport als nicht strafbar angesehen. Dagegen befand der BGH, die Geiselnahmeübung müsse als Gesamtheit betrachtet werden. Gegebenenfalls könnten auch die nicht an den Misshandlungen beteiligten Ausbilder für die Übergiffe ihrer Kollegen bei den Verhören zur Verantwortung gezogen werden.
Zum Prozessauftakt wurde nach Angaben einer Gerichtsprecherin die Anklageschrift verlesen. Für das Verfahren sind weitere sechs Verhandlungstage bis zum 30. Juni anberaumt.
Staatsanwaltschaft fordert Geldstrafen
Die Staatsanwaltschaft hat Geldstrafen für die sieben Angeklagten gefordert. Staatsanwalt Michael Frericks nannte die ehemaligen Unteroffiziere „Mitläufer“. Aus den Reihen der Verteidiger wurde die Forderung nach einer Einstellung des seit fast sieben Jahren andauernden Rechtsstreits wegen „überlanger Verfahrensdauer“ laut. Dies lehnte die Staatsanwaltschaft ab.
Richter Michael Skawran machte deutlich, dass der erneute Prozess klären solle, ob die Angeklagten auf Befehl gehandelt hätten und ob der Befehl für sie als „offensichtlich rechtswidrig erkennbar“ gewesen sei. Ihnen werde vorgeworfen, sich an dem Überfallkommando beteiligt zu haben, nicht jedoch an den Misshandlungen.
In dem bislang längsten Prozess in der Geschichte der Bundeswehr, der im März 2008 zu Ende gegangen war, waren neun angeklagte ehemalige Bundeswehrausbilder zu Bewährungs- oder Geldstrafen verurteilt und sechs weitere freigesprochen worden. Gegen drei Angeklagte wurde das Verfahren wegen ihres geringen Tatbeitrages eingestellt. Der Bundesgerichtshof ließ die Revision der Staatsanwaltschaft zu und verwies das Verfahren zurück nach Münster. (dapd/afp)