Essen. . Die Gorch Fock ist für Guttenberg zur Bestandsprobe geworden. Bei Maybrit Illner diskutierten unter anderem Gregor Gysi und Alice Schwarzer über das Verhalten des Ministers. Einig waren sich alle: Der „Baron“ hat die Truppe derzeit nicht im Griff.

Die Bundeswehr scheint ein ziemlicher „Sauhaufen“ zu sein. Berichte über Bäder in Essensresten als Ritual zur Äquatortaufe, Karnevalsfeiern kurz nach dem Tod einer verunglückten Kameradin und jeder Menge Drill auf dem Ausbildungsschiff Gorch Fock drängen zurzeit an die Öffentlichkeit. Unvergessen sind auch die Bilder der posierenden Soldaten, die sich in Afghanistan mit Totenschädeln ablichten ließen, und von Misshandlungen von Soldaten in Coesfeld.

Die aktuelle Diskussion dreht sich um eine 25-jährige Offiziersanwärterin, die im November auf der Gorch Fock ums Leben gekommen ist. Andere Vorfälle sind schon länger her. Dumm nur, dass sich Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt daran messen lassen muss. Was wusste der Verteidigungsminister wann? Warum hat er die Vorfälle nicht früher an die Öffentlichkeit gebracht? Hat er krisenfest reagiert? Auch Maybrit Illner widmete am Donnerstagabend ihre ZDF-Talk-Sendung der Frage: Hat der „Baron“ die Truppe noch im Griff?

Drill, Gebrüll und eine „kranke Atmosphäre“

Was zunächst aussah wie erschreckende Einzelfälle, scheint mehr und mehr zur Normalität zu werden, an die sich die Öffentlichkeit langsam gewöhnen sollte. Zumindest widerspricht kaum ein Augenzeuge, der auf der Gorch Fock geschult wurde, den Aussagen der Offiziersanwärter, die am Mittwoch vom Wehrbeauftragten der Bundesregierung, Hellmut Königshaus, vorgetragen wurden. Auch nicht die „Zeugen“, die bei Maybrit Illner zu Gast sind.

Ja, auf der Gorch Fock herrscht Drill, Gebrüll und eine „kranke Atmosphäre“. Ja, es wird geklaut und der Diebstahl nicht aufgeklärt. Ja, man schläft wenig. Ja, nach einem tödlichen Unglück herrscht auf dem Segelschiff „business as ususal“. Manches davon hat seine Berechtigung, meint Jan von der Bank, der seinen Wehrdienst auf dem Ausbildungsschiff absolvierte. Schließlich müssten die angehenden Offiziere auf den Ernstfall vorbereitet sein. Dennoch sollen seine Erfahrungen reichen, einen „Gorch Fock“-Thriller zu füllen, an dem er gerade arbeitet.

Ein weiterer ehemaliger Offiziersanwärter berichtet von dem Todesfall, den er 1998 live mit ansehen musste. Er sagt, er träume noch immer von dem Vorfall. Und er weiß, dass er damit in der Marine Gefahr läuft „als Weichei“ dazustehen.

„Da klingt vieles nach Schikane“

Über den Sinn oder Unsinn dieser „Lehr-Methoden“ durften dann Philipp Mißfelder (Außenpolitischer Sprecher der CDU), Gregor Gysi (Linke-Chef) und Alice Schwarzer (Frauenrechtlerin) diskutieren. Auch Michael Spreng, Politik-Berater und ehemaliger Bild-am-Sonntag-Chefredakteur, und Guttenberg-Biografin Prinzessin Anna von Bayern füllten die Runde.

„Da klingt vieles nach Schikane“, fasst Gregor Gysi zusammen. Und auch Philipp Mißfelder räumt ein, mit den Maßstäben, die auf der Gorch Fock an die Rekruten gestellt würden, könne man nicht „für die Bundeswehr werben“. Da waren sie sich einig.

Und natürlich gibt es noch viel zu tun: Die Bundeswehr müsse noch lernen, mit dem Wandel von der Landesverteidigung zur Interventionsarmee umzugehen. Man müsse akzeptieren, dass Soldaten jetzt traumatisiert aus einem Einsatz wiederkämen. Man müsse das Posttraumatische Stress-Syndrom Ernst nehmen. Man müsse das System des Drucks und den Geist der Unaufrichtigkeit beim Bund aufbrechen. Auch da waren sich alle einig.

Das Wie ist entscheidend

Dass Verteidigungsminister zu Guttenberg bereits viele Reformen auf den Weg gebracht habe, um die verkrusteten Strukturen der Bundeswehr aufzubrechen, fand in der Maybrit-Illner-Runde Zuspruch. Wichtig sei jedoch auch das Wie. Zum Beispiel bei der vorläufigen Suspendierung des Kapitäns Norbert Schatz: „Mich stört, dass er das nicht im November gemacht hat, sondern erst, als die Bild-Zeitung darüber geschrieben hat“, sagt Gregor Gysi. „Ich erwarte von einem Minister, dass er den Beschuldigten erst mal anhört und dann erst entscheidet“, fügt sogar der ehemalige Bild-Chef Spreng hinzu.

Philipp Mißfelder findet, wenn in der parlamentarischen Unterrichtung seiner Bundestags-Kollegen weniger stehe als in der Zeitung, dann sei das eine „Riesen-Schlamperei an dieser Stelle“. „Das ist nicht ideal gelaufen“, lenkt auch die Bayerische Prinzessin ein. Als Guttenberg-Biografin wisse sie jedoch: „Minister Guttenberg lässt sich nicht von Journalisten beraten. Der ist impulsiv, und entscheidet dann sofort. Das schätzen die Leute an ihm.“

Auch die „Guttenberg-Show“ in Afghanistan, bei der Johannes B. Kerner und der Verteidigungsminister deutsche Soldaten zu Wort kommen lassen wollten, sei keine Glanzleistung gewesen. Zumindest hätte Ehefrau Stephanie lieber zu Hause bleiben sollen. Auch da – genau: Einigkeit.

Als „Volkes Liebling dank der Medien“ bezeichnet Alice Schwarzer den „Baron“ zu Guttenberg. „Dünnhäutig und arrogant“ sind die Attribute, die Michael Spreng ihm zuordnet. Doch so lange eine Talk-Show noch immer mit der Frage endet: „Kann er Kanzler?“, muss sich der Herr Verteidigungsminister wohl nicht allzu große Sorgen machen.