Lünen / Münster. .
Ein 36-Jähriger Lüner muss sich wegen der Misshandlung von Bundeswehr-Rekruten erneut vor Gericht verantworten. Rund sieben Jahren nach den Vorfällen in einer Coesfelder Kaserne wird der Prozess ab dem 12. Mai vor dem Landgericht Münster teilweise neu aufgerollt.
In der ersten Instanz war der Lüner Ingo S., damals Oberfeldwebel und Ausbilder des 7. Instandsetzungsbataillons, frei gesprochen worden. Nachdem der Bundesgerichtshof die Urteile des Landgerichts aus den Jahren 2007 und 2008 teilweise aufgehoben hat, müssen sich sieben der ehemals 18 Angeklagten erneut vor den Münsteraner Richtern verantworten, darunter der Lüner.
Wie das Landgericht schriftlich mitteilt, richtete sich die Anklage ursprünglich gegen 18 Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr. Ihnen wurde vorgeworfen, zwischen Juni und September 2004 durch insgesamt vier simulierte Geiselnahmen die Rekruten körperlich misshandelt und entwürdigend behandelt zu haben.
Der Lüner soll nach Angaben der Sprecherin des Landgerichts, Dr. Karin Waldeyer-Gellmann, an drei der vier Geiselnahmeübungen beteiligt gewesen sein.
Die Übungen verliefen laut Gericht jedes Mal ähnlich: Nach einem Nachtmarsch wurden die Rekruten überfallen, mit Kabelbindern gefesselt und zu einem Ort gebracht, an dem ein Verhör nachgestellt wurde.
Stromstöße, Schläge und Fußtritte
Den Rekruten wurde teilweise Wasser in den gewaltsam geöffneten Mund gepumpt, oder auch Sand unter die Kleidung geschoben, damit sie sich wund liefen. Einigen Rekruten wurden auch Stromstöße, Schläge oder Fußtritte versetzt.
Der Bundesgerichtshof hatte nun die Freisprüche der Angeklagten kassiert, die nicht direkt an den „Verhören“ mitgewirkt haben. Soweit die Angeklagten sich ohne weitere Gewalthandlung lediglich an dem Überfall und dem Transport der Rekruten beteiligt haben, hatte die 8. Strafkammer des Landgerichts dies als nicht strafbar angesehen.
Das sahen die Bundesrichter in Karlsruhe anders. So hat das Bundesgericht ausgeführt, dass „bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung sowie der Transport mit verbundenen Augen für sich genommen eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens“ darstellen könnte. Nach Meinung der Karlsruher Richter sprechen verschiedene Indizien dafür, dass die Angeklagten im Vorfeld Misshandlungen bei den Verhören für möglich hielten.
Der Bundesgerichtshof hält es für möglich, dass auch die Angeklagten, die selbst nicht an den Befragungen beteiligt waren, wegen gefährlicher Körperverletzung, Misshandlung und entwürdigende Behandlung zu bestrafen sein könnten.
Verhandelt wird an insgesamt sieben Hauptverhandlungsterminen zwischen dem 12. Mai und 30. Juni vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Münster.