Berlin/Kiel. . War das die letzte Dienstfahrt der Gorch Fock? Das Segelschulschiff der Bundesmarine hat heute nach neun Monaten wieder in Kiel festgemacht. Ein Todessturz, angebliche Schikanen und menschenunwürdige Rituale haben das Image stark beschädigt.

Als die „Gorch Fock“ am Freitag um 10 Uhr an der Tirpitzmole in Kiel festmachte, ging für das Segelschulschiff der Bundesmarine die stürmischste Dienstfahrt ihrer 52-jährigen Geschichte zu Ende. 1500 Angehörige wurden zum Empfang des Dreimasters im Marinestützpunkt erwartet.

Der Todessturz einer jungen Offiziersanwärterin, drastische Beschwerden über angebliche Schikanen und menschenunwürdige Rituale auf hoher See und der Zickzackkurs des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) haben dem Image des Drei-Masters während seiner fast neunmonatigen Südamerika-Reise schwer zugesetzt. So sehr, dass die Zukunft der „Gorch Fock“ ungewiss ist. Ein Überblick:

Was war der Ausgangspunkt der Affäre?

Am 7. November 2010 stürzte in einem brasilianischen Hafen eine 25-jährige Offiziersanwärterin 27 Meter tief aus der Takelage und starb. Kurz darauf wurde die Ausbildung an Bord abgebrochen, 70 Offiziersanwärter kehrten nach Deutschland zurück. Anfang Januar sprachen etliche von ihnen mit dem Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), und schildern unhaltbare Zustände auf der „Gorch Fock“. Die Affäre kam ins Rollen.

Wie ging es weiter?

Guttenberg machte die „Gorch Fock“ zur Chefsache, sprach mit Kadetten und der Mutter der verunglückten Sarah S. (25). Das Thema beherrschte über Tage die Schlagzeilen. Als die „Bild“-Zeitung weitere Enthüllungen ankündigte, ließ Guttenberg Kapitän Norbert Schatz per Telefon vom Dienst suspendieren, obwohl er sich kurz zuvor noch gegen jede Vorverurteilung gewandt hatte. Die „Gorch Fock“ lag zu diesem Zeitpunkt vor Feuerland/Argentinien. Seither war sie auf der Heimreise. In einem offenen Brief an Guttenberg wies die Besatzung die gegen sie und Schatz erhobenen Vorwürfe vehement zurück und beklagte fehlenden Rückhalt in der Bundeswehr.

Wer hat jetzt das Kommando?

Der frühere „Gorch Fock“-Kapitän Michael Brühn wurde interimsmäßig mit der Aufgabe betreut. Schatz hofft auf vollständige Rehabilitation, nachdem ihm in einer marine-internen Untersuchung keine elementaren Führungsfehler nachgewiesen wurden.

Welche Vorwürfe standen konkret im Raum?

Ehemalige Besatzungsmitglieder hatten von sexueller Nötigung, übertriebener Schikane beim Aufentern in die Takelage, Alkoholexzessen, allgemeinen Führungsschwächen der Offiziere und unappetitlichen Ritualen (“Äquatorfeier“) berichtet.

Hat sich das bestätigt?

Eine Kommission unter Marine-Inspekteur Axel Schimpf hat nach intensiver Befragung von 192 Mitgliedern der Stammbesatzung und 221 Offiziersanwärtern einen knapp 100-seitigen Bericht verfassen lassen. Fazit: Die Vorwürfe hätten sich zum Großteil als nicht haltbar erwiesen.

Was denkt der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière?

Das Verteidigungsministerium hat sich den Bericht der Marine bisher nicht zu eigen gemacht. Eine eigene Schlussbewertung wird erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und dem offiziellen Havarie-Verfahren zum tödlichen Sturz der Offiziersanwärterin im Juni erwartet. Noch vor der Sommerpause soll das Parlament mit Schlussfolgerungen versorgt werden.

Wird die „Gorch Fock“ ausgemustert?

Über den Weiterbetrieb des Segelschulschiffs ist noch nicht entschieden. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages ist mehrheitlich dafür, dass die „Gorch Fock“ weitermacht. Tenor: Das Schiff sei eine „Botschafterin Deutschlands“. Der Kieler Landtag sieht das parteiübergreifend auch so. Der Wehrbeauftragte des Bundestages verknüpft seine Zustimmung mit veränderten Ausbildungsrichtlinien. So soll etwa mit Hilfe eines Übungsmastes an Land, wie ihn die italienische Marine einsetzt, frühzeitig festgestellt werden, ob ein Anwärter Höhenangst hat oder körperlich eingeschränkt ist. Am Ende könnten die Finanzen entscheiden. Im Zuge der Bundeswehrreform muss de Maizière mit jedem Euro haushalten. Betrieb und Instandhaltung der „Gorch Fock“, deren Wert von der Marine auf 50 Millionen Euro geschätzt wird, schlagen pro Jahr mit rund fünf Millionen Euro zu Buche.