Tokio. . Drei Militärhubschrauber haben über den defekten Reaktoren tausende Liter Wasser ausgeschüttet. Der Erfolg war gering. Im Reaktorblock 3 steigt der Druck wieder an.

Die aktuelle Lage im Live-Ticker

Die japanischen Behörden haben mit ersten Kühlversuchen begonnen - offenbar mit wenig Erfolg. Drei Militär-Hubschrauber kippten heute Wasser auf die beschädigten Reaktoren 3 und 4, wie Bilder des Fernsehsenders NHK zeigten. Die drei Hubschrauber vom Typ Chinook CH-47 überflogen die Anlage mehrmals und schütteten tausende Liter Wasser aus. In dem bereits vor dem Erdbeben vom Freitag abgeschalteten Reaktor 4 werden gebrauchte Brennstäbe in Abklingbecken gelagert, die Brennstäbe liegen mangels Kühlwasser inzwischen frei. Die Polizei bereitet sich unterdessen auf den Einsatz von Wasserwerfern vor. Der Druck im Reaktorblock 3 steigt nach Angaben des AKW-Betreibers Tepco jedoch wieder.

Die Zeit wird langsam knapp. Es drohe ein "sehr bedeutender" Austritt von Radioaktivität, sollte es nicht binnen zwei Tagen gelingen, das Wasserniveau in dem Becken für gebrauchte Brennstäbe anzuheben, warnte das französische Institut für Atomsicherheit IRSN am Mittwochabend. Laut der US-Atomsicherheitsbehörde NRC liegen die gebrauchten Brennstäbe im Reaktor 4 frei, sind kaum noch von Wasser bedeckt. Die Strahlenbelastung war daher gefährlich hoch. Mittlerweile sei sie wieder gesunken, wie der Kraftwerksbetreiber Tepco mitteilte.

Kühlanlage bald wieder mit Strom versorgt

Weiter teilte Tepco mit, dass eine zur Wiederherstellung der Kühlsysteme benötigte Stromleitung fast fertig sei. Die Kühlung könne womöglich schon heute Nachmittag japanischer Zeit wieder teilweise in Betrieb genommen werden, sagte ein Sprecher.

Die Zahl der Todesopfer steigt derweil weiter. 5178 Menschen sind tot, mehr als 8606 werden noch vermisst. In den Notlagern haben 450.000 Menschen Unterschlupf gesucht - teilweise sind die Bedingungen dort aber dramatisch. Bei winterlichen Temperaturen und Schnee harren die Betroffenen aus.

Obama sagt Japan volle Unterstützung zu

Die Tokioter Börse geht wieder auf Talfahrt. Der Yen steigt auf ein Rekordhoch. Japans Notenbank stellt dem Finanzmarkt weitere 45 Milliarden Euro (5 Billionen Yen) zur Verfügung. Hilfe kommt auch von den USA. US-Präsident Barack Obama habe Japan volle Unterstützung bei dem Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami im Norden des Landes zugesagt, gab Japans Regierungssprecher Yukio Edano bekannt. Die USA hätten zudem angeboten, Atomexperten zu entsenden, um bei der Krise im AKW Fukishima zu helfen.

Die letzten 50 Helfer schweben in Lebensgefahr

Dankbar und besorgt blickt die Nation auf die letzten 50 Arbeiter im japanischen Atomkraftwerk Fukushima. Unter Einsatz ihres Lebens und mit weißen Schutzanzügen ausgerüstet kämpfen sie auch am Mittwoch weiter gegen den drohenden Super-GAU. Sie versuchen verzweifelt, die Brennstäbe mit Wasser zu kühlen, um irgendwie die Kontrolle zu behalten und eine komplette Kernschmelze doch noch zu verhindern. Noch ist unklar, ob sie Erfolg haben werden. Und es ist ebenso unklar, welche gesundheitlichen Schäden sie gerade erleiden und noch davontragen.

Abbruch der Arbeiten wegen zu hoher Strahlung

Die Strahlung im beschädigten Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi in Japan hat am Mittwoch die Arbeiten zur Kühlung der Brennstäbe gestoppt. Nach einem Anstieg der Strahlenbelastung müsse die Bewässerung der Reaktoren eingestellt werden, teilte der japanische Kabinettssekretär Yukio Edano mit. Medienberichten zufolge stieg über dem Reaktorblock 3 der Atomanlage weißer Rauch auf. Nach Regierungsangaben ist der innere Reaktormantel aber wahrscheinlich nicht beschädigt. Zunächst sollte Wasser mit Helikoptern auf die Reaktoren abgeworfen werden. Der Einsatz scheiterte jedoch an der hohen Strahlenbelastung. Dieser Reaktor verwendet das hochgiftige Plutonium als Brennstoff. Das extrem krebserregende Schwermetall hat eine Halbwertzeit von 24.110 Jahren.

Fernsehberichten zufolge verfolgt die Polizei jetzt den Plan, das Abkühlbecken in Reaktor IV mit Wasserwerfern zu kühlen.

„Wegen des Strahlenrisikos können die Arbeiter (in Fukushima-Daiichi) im Moment noch nicht einmal geringfügige Tätigkeiten durchführen“, sagte Edano. Zuvor war die Strahlenbelastung in unmittelbarer Nähe des Atomkraftwerks auf 1.000 Millisievert pro Stunde gestiegen. Ab 10 Millisievert pro Woche werde Menschen geraten, in Häusern zu bleiben. Generell ist laut Experten bei nicht-akuter Niedrigstrahlung unter anderem mit gesundheitliche Schäden wie einem langfristig erhöhten Krebsrisiko zu rechnen. Auch Herz-Kreislauferkrankungen und andere Krankheiten können in der Folge anscheinend häufiger auftreten. Der Strahlungsanstieg war Beamten der japanischen Atomsicherheitsbehörde zufolge offenbar durch ein Ablassen des Drucks aus einem der Reaktorblöcke verursacht worden.

Zwischenzeitlich mussten die Arbeiter im Atomkraftwerk Fukushima evakuiert werden. Die Anordnung wurde nach Angaben der Atombehörde kurze Zeit später wieder aufgehoben, da die Strahlung wieder gesunken sei.

Risiko für die Hubschrauber-Piloten

Die Behörden wollten ursprünglich Hubschrauber und Löschfahrzeuge einsetzen, um Wasser in die Reaktoren zu sprühen und einen weiteren Strahlungsaustritt zu verhindern. Edano erklärte jedoch, Wasserlieferungen von oben seien mit einem Risiko verbunden. „Wir müssen auch die Sicherheit der Hubschrauber oben (in der Luft) berücksichtigen“, sagte er.

Edano zufolge erwägt die japanische Regierung, das US-Militär um Hilfe zu bitten. Nähere Angaben machte er nicht. Die Regierung von Japan überlege, ob und wie sie die Hilfsangebote aus anderen Ländern annehmen solle.

Große Löcher in der Außenwand

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Um einem weiteren Strahlungsaustritt vorzubeugen, wollte TEPCO mit Borsäure versetztes Wasser in den Reaktorblock 4 sprühen. Die Lösung solle von Hubschraubern und Feuerwehrfahrzeugen in die Anlage gesprüht werden, teilte ein Sprecher der Atomsicherheitsbehörde, Masami Nishimura, mit. Der Sender NHK berichtete, TEPCO habe ein Foto von Reaktorgebäude 4 veröffentlicht. Demnach war auf dem Foto vom Dienstag zu erkennen, dass die äußere Gebäudewand eingestürzt war. Im vierten Stockwerk sei ein acht Meter breites Loch zu sehen, hieß es. In der Außenwand des Reaktorgebäudes wurde NHK zufolge ein weiteres acht Meter breites Loch bestätigt. Über Reaktor berichtet die Agentur Kyodo unter Berufung auf die japanische Regierung, es sei unwahrscheinlich, dass die Hülle des Reaktors drei im AKW Fukushima schwere Schäden hat

Die japanische Atomsicherheitsbehörde teilte mit, in Reaktor 1 seien möglicherweise 70 Prozent der Brennstäbe beschädigt. Die Art des Schadens sei aber unbekannt. Die Brennstäbe könnten entweder dabei sein, zu schmelzen oder sie könnten Löcher haben, erklärte Sprecher Minoru Ohgoda. In Tokio herrscht weiter Angst vor dem Super-GAU durch eine Kernschmelze.

Die Menschen in der japanischen Präfektur Fukushima sind angesichts der katastrophalen Lage in dem naheliegenden Akw nach den Worten der dortigen Regierung zutiefst besorgt und wütend. "Dieser nukleare Unfall hat die Menschen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, und ich will, dass das ganze Land Verständnis für sie zeigt", sagte der Gouverneur der Region, Yuhei Sato, am Mittwoch dem Fernsehsender NHK. "Die Sorge und Wut der Menschen in Fukushima haben ihre Grenze erreicht."

Nach dem Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami am Freitag ist die Zahl der Toten und Vermissten in Japan inzwischen auf mehr als 12.000 gestiegen. Offiziell wurden am Mittwoch über 8200 Menschen vermisst, wie die Polizei mitteilte. Die Zahl der bestätigten Toten lag bei 4277, verletzt wurden demnach 1990 Menschen. Am Sonntag hatte der Polizeichef der besonders schwer getroffenen Präfektur Miyagi erklärt, allein in dieser Region rechne er mit 10.000 Toten. (dapd/rtr/afp)

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