Bengasi. . Die Kämpfe zwischen den Truppen des libyschen Machthabers Gaddafi und seinen Gegnern verschärfen sich weiter. Einige aufständische Kämpfer riefen den Westen auf, ein Flugverbot über Libyen zu verhängen, um Luftangriffe von Gaddafis Truppen zu verhindern.

„Das ist ein echtes Massaker“, sagte ein Arzt in der etwa 60 Kilometer westlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Stadt Sawijah in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. Gaddafis Truppen hätten viele Menschen, darunter seine Tochter, getötet, fügte er hinzu.

Zuvor hatten Augenzeugen berichtet, Gaddafis Truppen seien mit Panzern in Sawijah eingerückt und hätten das Feuer auf Häuser eröffnet. „Der Granatbeschuss hört gar nicht auf“, sagte ein Bewohner. Zuvor war die Stadt laut Augenzeugen in der Hand der Rebellen, wurde jedoch von Gaddafis Truppen belagert.

Widersprüchliche Angaben

Zur Lage in der strategisch wichtigen Hafenstadt Ras Lanuf gab es widersprüchliche Angaben: Während die Aufständischen die Einnahme der Stadt und den Abschuss von zwei von Gaddafis Kampffliegern in der Nähe der Stadt meldeten, erklärte Vize-Außenminister Chaled Kaaim, Ras Lanuf sei weiter unter Kontrolle der Regierungstruppen. Nach Angaben eines Krankenhausarztes in der östlich von Ras Lanuf gelegenen Stadt Brega, wohin einige der Opfer gebracht wurden, wurden bei Kämpfen am Freitag zehn Menschen getötet. Aufständische rückten derweil weiter westwärts in Richtung von Gaddafis Heimatstadt Sirte bis zu dem kleinen Ort Bin Dschawad vor, wie ein AFP-Reporter berichtete.

Die Zahl der Toten bei der Explosion eines Waffendepots in der Nähe von Bengasi stieg auf zwischen 32 und 34. Genaue Angaben seien schwierig, weil einige Menschen in Stücke gerissen worden seien, sagte ein Arzt. Ob die Explosion am Freitagabend durch einen Unfall, Sabotage oder einen Luftangriff ausgelöst wurde, war unklar.

Oppositioneller Rat erklärt sich zum „einzigen Repräsentanten“

Der oppositionelle Nationalrat traf am Samstag in Bengasi zu seiner ersten Sitzung zusammen. Der Rat sei der „einzige Repräsentant Libyens“, erklärte der Ratsvorsitzende, Ex-Justizminister Mustafa Abdel Dschalil, anschließend. Alle libyschen diplomatischen Vertreter im Ausland, die die Erhebung gegen Gaddafi unterstützten, seien die „legitimen Vertreter“ des Nationalrates. Zum Zuständigen für militärische Angelegenheiten wurde Omar el Hariri erklärt, zum Außenbeauftragten der zurückgetretene Botschafter und Ex-Außenminister Ali Abdelasis el Issawi. Er solle sich im Ausland um die internationale Anerkennung des Nationalrates bemühen.

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
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Einige aufständische Kämpfer riefen den Westen auf, ein Flugverbot über Libyen zu verhängen, um Luftangriffe von Gaddafis Truppen zu verhindern. Der französische Außenminister Alain Juppé erklärte, sein Land bemühe sich mit Großbritannien um eine entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrates. Der Sicherheitsrat hatte vor einer Woche umfassende Sanktionen gegen Gaddafi und sein Umfeld verabschiedet. Dazu gehören ein Waffenembargo, Reiseverbote und Kontosperrungen.

In einem Brief an die Vereinten Nationen forderte die libysche Regierung eine Aufhebung der Sanktionen. Es habe nur ein „Minimum“ an Gewalt gegen „Gesetzesbrecher“ gegeben, schrieb Außenminister Mussa Kussa an den UN-Sicherheitsrat. (afp)