Bengasi/Berlin. . Von Tausenden Toten bei den Protesten in Libyen berichtet der libysche Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen. Staatschef Muammar el Gaddafi hat seine Anhänger derweil aufgefordert, “Libyen zu verteidigen“.
Der libysche Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen hat von Tausenden Toten bei den Protesten in seinem Land gesprochen. Ibrahim Dabbaschi sagte am Freitag während einer Pressekonferenz in New York, die Zahl der während der Proteste gegen Staatschef Muammar el Gaddafi getöteten Menschen gehe in die Tausenden und nicht in die hunderte. Bislang gingen Menschenrechtsorganisationen von mehreren hundert Toten aus.
Libyens Staatschef Muammar el Gaddafi hat sich am Freitag Fernsehberichten zufolge erneut öffentlich gezeigt. Der libysche Machthaber trat auf dem Grünen Platz in der Hauptstadt Tripolis auf und rief seine Anhänger auf, "Libyen zu verteidigen". Am Dienstag hatte sich Gaddafi in einer telefonischen Ansprache im Staatsfernsehen an das Volk gewandt, in der er erklärte, "Revolutionsführer" in Libyen zu bleiben.
Die libysche Oppositionsbewegung rechnet in der von ihr besetzten östlichen Stadt Bengasi mit einem bevorstehenden Gegenangriff der Truppen von Machthaber Muammar el Gaddafi. "Wir erwarten jeden Moment eine Attacke gegen Bengasi", sagte ein desertierter Oberst namens Said am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Bengasi steht unter der Kontrolle der Gegner von Gaddafi. Dort wird auch ein sogenannter Marsch auf Tripolis vorbereitet, um den Machthaber zu vertreiben. Allerdings sind die abtrünnigen Militärs schlecht ausgerüstet. In Bengasi verfügt die Oppositionsbewegung gerade einmal über zwei Helikopter, zwei Flugzeuge sowie einige Waffen.
"Unser Plan ist es, in Libyen zu leben und zu sterben"
Ein Sohn Gaddafis untermauerte am Freitag den Machtanspruch seiner Familie. Die Anhänger der Oppositionsbewegung bezeichnete Seif El Islam im Interview mit dem türkischen Sender CNN-Türk als "Terroristen", denen seine Familie "keine Handbreit Kontrolle" über einen Teil des Landes gewähre. Die libyschen Behörden würden bald die Kontrolle über die Region im Osten des Landes zurückgewinnen, sagte er. Auf die Frage, ob es für die Familie einen "Plan B" für eine Flucht gebe, antwortete er: "Unser Plan A ist es, in Libyen zu leben und zu sterben. Auch Plan B ist es, in Libyen zu leben und zu sterben."
Angesichts dieser anhaltenden Gewalt gegen Regierungsgegner in Libyen hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) internationale Sanktionen gegen Machthaber Muammar al Gaddafi gefordert.
„Dieses Regime schlägt in Libyen wie wahnwitzig um sich, es führt einen Krieg gegen das eigene Volk. Das kann nicht hingenommen werden“, sagte Westerwelle am Freitag auf WDR2. Der UN-Sicherheitsrat müsse sich deshalb erneut mit der Lage in dem nordafrikanischen Land befassen. „Und wir müssen jetzt auch gemeinsam Sanktionen beschließen“, ergänzte der Minister. Er schlug Einreisesperren für Gaddafis Familie und das Einfrieren von Vermögenswerten vor.
Muammar al Gaddafi
Im UN-Sicherheitsrat ist für Freitag eine erneute Sitzung zu Libyen geplant. Nach Angaben von Diplomaten will sich dabei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an die Vertreter der 15 dort vertretenen Staaten wenden. Der Sicherheitsrat hatte bereits am Dienstag ein Ende der Gewalt in Libyen gefordert, am Donnerstag führten Diplomaten inoffizielle Gespräche. Nach Angaben von westlichen Diplomaten sollen nun auch Sanktionen geprüft werden, genauere Angaben gab es aber vorerst nicht. Die EU dürfte nach Angaben aus Diplomatenkreisen zu Beginn nächster Woche einen Beschluss über Sanktionen gegen Libyen fassen.
Massaker in einer Moschee
Ebenfalls am Freitag soll der UN-Menschenrechtsrat in Genf über die Lage in Libyen beraten. Dabei geht es um einen möglichen Ausschluss des Landes aus dem Gremium. Dies fordert unter anderem die US-Regierung. Es wäre das erste Mal, dass der Menschenrechtsrat mit einem solchen Schritt gegen eines seiner Mitglieder vorgeht.
Ausländische Söldner und bewaffnete Anhänger des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi sind am Donnerstag mit äußerster Brutalität gegen Aufständische vorgegangen. In der Stadt Sawija verübten sie ein Massaker in einer Moschee, bei dem nach Angaben von Ärzten mindestens zehn Menschen getötet und rund 150 weitere verletzt wurden.
Hungersnot droht
Unterdessen setzen mehrere Länder die Evakuierung von mehreren Tausend Menschen aus Libyen fort. Die USA erklärten zudem ihre Unterstützung für eine Initiative der EU, Libyen aus dem UN-Menschenrechtsrat auszuschließen. Die Schweiz fror das im Land deponierte Vermögen Gaddafis ein.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen droht zudem bald eine Hungersnot, da wegen der Gewalt notwendige Lebensmittellieferungen das Land nicht mehr erreichten. Die Lieferkette für Nahrungsmittel stehe angesichts der Kämpfe vor dem Kollaps, sagte eine Sprecherin des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Genf. Wichtige Lieferungen kämen derzeit nicht mehr in den Häfen des Landes an. (afp/dapd/rtr)