Brüssel. . Wer wird Mister Euro? Den politischen Poker um den wichtigen Führungsposten an der Spitze der Europäischen Zentralbank könnte theoretisch noch ein Deutscher für sich gewinnen, trotz des überraschenden Abgangs von Axel Weber.
Der Bundesbank-Präsident galt als natürlicher Anwärter für den EZB-Chefsessel, will aber nicht kandidieren. Er musste Zweifel haben, ob er den vollen Rückhalt der Bundesregierung für seinen strengen Stabilitätskurs gehabt hätte. Damit wird Italiens krisenerprobter Zentralbank-Chef Mario Draghi als Favorit für die EZB-Spitze gehandelt. Entschieden ist noch nichts. Klar ist nur, dass gegen den Willen der zwei größten EU-Länder Deutschland und Frankreich nichts geht.
Vielleicht betonte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) daher am Freitag, dass das Thema EZB-Topjob erst Ende März anstehe. Davor kümmere sich Europa um die geplanten wirtschaftspolitischen Reformen. Bei der Nachfolge-Frage fielen bisher noch zwei deutsche Namen – Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsfonds, und Jürgen Stark, EZB-Chefvolkwirt.
Warum politisch brisant?
Schäuble und seine EU-Ministerkollegen suchen einen Kandidaten für die EZB-Spitze und schlagen ihn den Staats- und Regierungschefs vor. Diese wählen ihn. Zeit genug für die Kandidatenkür bleibt: EZB-Chef Jean-Claude Trichet, ein Franzose, räumt den Chefsessel Ende Oktober.
Warum ist die Besetzung des Topjobs bei der in Frankfurt ansässigen, 1998 gegründeten Europäischen Zentralbank politisch so brisant? Die EZB bestimmt die Geldpolitik in den 17 Staaten, die den Euro haben. Sie soll die Preisstabilität sichern, sprich: die Inflation im Zaum halten. Das fördere ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Die EZB bestimmt die Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken Geld von Zentralbanken borgen. Das beeinflusst Zinssätze, die die Geschäftsbanken dann von Kreditkunden fordern oder Zinsen, die sie für Spareinlagen der Bürger zahlen.
Unabhängigkeit umstritten
Ihre Entscheidungen soll die EZB unabhängig von der Politik treffen. Seit einiger Zeit ist umstritten, ob die EZB wirklich so unabhängig ist. Der Knackpunkt: Wegen der Schulden-Turbulenzen in einigen Euro-Ländern kauft die EZB seit 2010 Schuldverschreibungen (Staatsanleihen), um diese Länder zu unterstützen – eigentlich nicht ihre Aufgabe. Die EZB als Krisenzentrum will aber Spekulationen begrenzen und bedrängten Ländern ermöglichen, zu besseren Bedingungen Geld zu leihen.
Daher hat die Politik Interesse daran, welche Linie ein EZB-Chef verfolgt. Noch ein Problem gibt es. Kann der Italiener Draghi der neue Mister Euro werden, wenn EZB-Vize Vítor Constâncio, ein Portugiese, ebenfalls aus Südeuropa kommt? Denn auch regionale Aspekte sind wichtig bei der hochpolitischen Kandidatenkür.