München. . Unter dem Druck anhaltender Proteste in Ägypten mehren sich die Hinweise auf eine mögliche Ausreise des Präsidenten. Die Amerikaner halten es für möglich, dass er in Deutschland Zuflucht nehmen könnte. Die deutsche Regierung signalisiert vorsichtige Zustimmung.

Zu den vielen Szenarien über eine Lösung in Ägypten, die auf der Sicherheitskonferenz in München gehandelt werden, gehört auch die Idee, Staatspräsident Hosni Mubarak für eine längere Zeit nach Deutschland zu bringen.

Entsprechende Überlegungen in amerikanischen Regierungskreisen, die von der „New York Times“ öffentlich gemacht wurden, wurden „DerWesten“ am Rande der Konferenz bestätigt. Der Hintergrund: Mubarak war in den vergangenen zehn Jahren zwei Mal ausgedehnt bei deutschen Ärzten in Behandlung – und dem Vernehmen nach sehr zufrieden. 2004 wurde er in der Orthopädischen Klinik München-Harlaching wegen eines Bandscheibenvorfalls behandelt.

Erst im vergangenen Frühjahr lag der Nachfolger des früheren Staatschef Sadat sechs Wochen in der Heidelberger Universitätsklinik. Die offizielle Erklärung lautete damals, ihm seien die Gallenblase und ein harmloses Geschwür im Verdauungstrakt entfernt worden. Die Ärzte ließen seinerzeit offen, warum Mubarak wegen der vergleichsweise einfachen Gallenoperation eineinhalb Monate im Krankenbett liegen musste. Seither halten sich Gerüchte, wonach Mubarak, über dessen Gesundheit in Ägypten seit langem geredet wird, eine schwere Krebserkrankung hat.

Regierung will friedlicher Lösung keine „Steine in den Weg legen“

Als erster Bundespolitiker ließ der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, Sympathie für eine Aufnahme Mubaraks in Deutschland erkennen, wenn damit der Machtkampf in dessen Heimatland beigelegt werden könne. „Wir brauchen einen friedlichen Übergang in Ägypten. Wenn Deutschland damit einen konstruktiven Beitrag im internationalen Rahmen leisten kann, dann sollten wir Husni Mubarak aufnehmen, wenn er das will“, sagte Schockenhoff der „Bild am Sonntag“.

Sollte Mubarak tatsächlich einen längeren Krankenaufenthalt in Deutschland anstreben, werde ihm „kein Stein in den Weg gelegt“, hieß es aus Regierungskreisen.

Vorerst setzen die USA in der Übergangsphase hin zu einer Demokratie aber weiter auf Mubarak als Präsidenten. "Ich glaube, dass die Führerschaft von Mubarak weiter von Bedeutung ist", sagte der US-Sondergesandte für Ägypten, Frank Wisner, in einer Videoschaltung zur Münchner Sicherheitskonferenz. Der Staatschef stehe vor der "großen Aufgabe", dem Übergang Gestalt zu geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte ebenfalls vor den Gefahren im Fall einer überstürzten Ablösung Mubaraks. "Man muss einen geordneten Übergangsprozess hinbekommen, in dem ein totales Machtvakuum auch schwierig ist", sagte die Kanzlerin. "Die ganz schnelle Wahl als Beginn eines Demokratisierungsprozesses halte ich für falsch."

Unterdessen bröckelt die Macht des ägyptischen Regimes weiter: Offenbar unter dem Druck der Oppositionsproteste hat Ägyptens angeschlagener Staatschef Husni Mubarak die Spitze seiner Partei umgebildet. Wie das Staatsfernsehen berichtete, ernannte Mubarak am Samstag Hossam Badrawi zum neuen Generalsekretär der Nationaldemokratischen Partei, blieb aber selbst als Parteichef im Amt. Eine Meldung, wonach er den Parteivorsitz abgegeben habe, wurde dementiert. Das gesamte Exekutivkomitee der Partei trat zurück, darunter auch Mubaraks Sohn Gamal.

„Als Präsident der Nationaldemokratischen Partei hat Präsident Husni Mubarak entschieden, Hossam Badrawi zum Generalsekretär der Partei zu ernennen“, berichtete das Staatsfernsehen und widersprach damit dem Gerücht, der Staatschef habe den Parteivorsitz abgegeben. Badrawi, der für seine guten Beziehungen zur ägyptischen Opposition bekannt ist, löst den bisherigen Generalsekretär Safuat el Scherif ab. Zugleich ersetzt er laut dem Fernsehbericht Gamal Mubarak als Vorsitzender des politischen Komitees der Partei und damit auf Platz zwei in der parteiinternen Rangfolge.

Gamal Mubarak wurde bislang als Nachfolger seines 82-jährigen Vaters gehandelt. Vize-Präsident Omar Suleiman hatte jedoch bereits am Donnerstag erklärt, weder der ägyptische Präsident noch sein ältester Sohn würden bei den Präsidentschaftswahlen im September antreten. Der Staatschef selbst hatte vor einem Abgleiten seines Landes ins Chaos gewarnt, sollte er sofort zurücktreten.Allerdings werde er Beratungen über eine Nachfolgeregelung nicht mehr im Wege stehen.

Am Samstag wurden die Demonstrationen indes friedlich fortgesetzt. Regierungskritische Demonstranten versuchten auf dem Tahrir-Platz, aus Angst vor neuer Gewalt von Mubarak-Anhängern den Abzug von Panzern der Armee zu verhindern. Die Menschen setzten und legten sich um die Panzer herum auf den Boden, wie AFP-Korrespondenten berichteten. In Sprechchören forderten sie Mubaraks Rücktritt. Mubarak traf am Samstag erstmals seit der Umbildung seiner Regierung vergangene Woche mit dem Kabinett zusammen.

Unruhen nach Explosion einer Pipeline

Für Unruhe im Land sorgte zusätzlich die Explosion einer Gaspipeline auf der ägyptischen Halbinsel Sinai. Der Gouverneur der Region, Abdel Wahab Mabruk, sprach zunächst von Sabotage. Der Leiter des nationalen Gasversorgers erklärte hingegen am Nachmittag, die Explosion sei durch ein Leck verursacht worden. Allerdings sagte ein Sicherheitsbeamter vor Ort, in dem Gasterminal sei ein Sprengsatz detoniert. Verletzte gab es offenbar nicht. Mabruk sagte einem ägyptischen Fernsehsender, das Feuer sei am späten Vormittag unter Kontrolle gebracht worden. Das betroffene Gasterminal befindet sich in der Nähe der Ortschaft El Arisch. Von der Station führen Pipelines nach Jordanien und Israel. El Arisch liegt etwa 70 Kilometer vom Gazastreifen entfernt.

Die Pipeline war in der Vergangenheit Ziel von Angriffen. Beduinen hatten im vergangenen Juli versucht, die Leitung zu sprengen. Sie werfen der ägyptischen Regierung Diskriminierung und Untätigkeit vor. Es kam wiederholt zu Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und den Bewohnern der Region.

Lieferungen nach Israel eingestellt

Die Pipeline transportiert Gas vom ägyptischen Port Said am Mittelmeer nach Israel und Jordanien. Auf israelischer Seite hieß es, es sei nicht klar, ob die Explosion die Leitung nach Israel betreffe. Derzeit seien die Lieferungen aus Sicherheitsgründen eingestellt worden, sagte ein Sprecher des Infrastrukturministeriums.

Israel ist auf die Gaspipeline angewiesen, um seinen Energiebedarf zu decken und gibt Milliarden für das Erdgas aus Ägypten aus. Ägypten beliefert Israel seit Februar 2008 mit Erdgas. Der Vertrag wurde in Ägypten teilweise scharf kritisiert. Die Opposition erklärte, das Gas werde unter Marktpreis an Israel verkauft. (mit dapd)