Brüssel. . Die EU hat sich nur auf eine weichgespülte Forderung an die ägyptische Regierung einigen können. Weder von Rücktritt noch Neuwahlen ist in der Erklärung die Rede.

Trotz der dramatischen Entwicklung in Ägypten hat sich die EU am Freitag nicht zu einer Rücktrittsforderung an Staatschef Husni Mubarak durchgerungen. Selbst auf eine Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen konnte sich der Gipfel in Brüssel nicht einigen.

In einer gemeinsamen Erklärung hieß es lediglich, der „geordnete Übergangsprozess“ müsse sofort beginnen. Zudem betonten die 27 Staats- und Regierungschefs, dass auf das Demokratiestreben der Bevölkerung mit Dialog und nicht mit Repression geantwortet werden müsse.

Diplomaten hatten zuvor von dem Willen gesprochen, Mubarak nicht bis zum regulären Wahltermin im September Zeit zu geben. So lange könne der Demokratisierungsprozess nicht hinausgezögert werden, hieß es. Doch in die gemeinsame Erklärung rückte dieser Druck nicht. Darin wird nur allgemein zu Reformen und „freien und fairen Wahlen“ aufgerufen - ohne Zeitbezug.

Es sei entscheidend, dass die Regierung und die Bevölkerung in Ägypten „gemeinsam vorangehen“, hatte EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton zuvor erklärt. Sie wurde vom Gipfel beauftragt, nach Kairo und auch nach Tunesien zu reisen und dort die Botschaft der EU zu übermitteln. Das Angebot Europas ist eine „neue Partnerschaft“, die den Ländern im demokratischen Umbruch „effektivere Unterstützung“ bringen soll. Wie diese Partnerschaft aussehen soll, blieb aber im Ungefähren.

Keine einheitliche Haltung Europas

Damit bleiben die Europäer deutlich hinter den USA zurück, die Mubarak zum sofortigen Rücktritt bewegen wollen. Hinter den Kulissen liefen Verhandlungen zwischen den USA und ägyptischen Regierungsvertretern über einen sofortigen Rückzug Mubaraks und die Bildung einer Übergangsregierung, die freie und faire Wahlen im Laufe dieses Jahres vorbereiten solle, sagten US-Vertreter. Die Zeitung "New York Times" berichtete, Washington dringe hinter den Kulissen auf die Bildung einer Übergangsregierung unter Führung Suleimans, dem Stellvertreter Mubaraks.

Allerdings gibt es auch unter den EU-Partnern unterschiedliche Stimmen. So äußerte sich der britische Premierminister David Cameron deutlich kritischer als Ashton: „Wenn wir in den Straßen Kairos vom Staat unterstützte Gewalt gegen Demonstranten sehen, angeheuerte Schläger, dann verliert das Regime die letzte Glaubwürdigkeit und die letzte Unterstützung.“

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte sagte dagegen, es wäre „überflüssig und arrogant“, einen Rücktritt Mubaraks zu fordern. Wenn die Alternative sei, dass die Muslimbruderschaft in Kairo an die Macht komme, „dann will ich einen geordneten Übergang“. Die EU müsse abwarten und sehen, ob das Land aus eigener Kraft den demokratischen Weg beschreiten könne.

Berlusconi provoziert

Unterdessen hat Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi heftige Kritik mit seiner Einschätzung hervorgerufen, der umstrittene ägyptische Präsident Husni Mubarak sei ein "weiser Mann". Mubarak habe die regierungskritischen Demonstranten in seinem Land "auf brutale Weise zusammenknüppeln lassen", sagte die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Rebecca Harms. Indem er weiter an der Macht hänge, "ist er verantwortlich für die Toten, und da zu sagen, das ist ein weiser Mann, das ist übel".

Berlusconi forderte auf dem EU-Gipfel in Brüssel einen politischen Wechsel in Ägypten "ohne Bruch" mit Mubarak, den "der Westen, allen voran die USA, als weisen Mann" betrachteten. "Ich glaube, dass alle westlichen Länder ebenso denken", fügte Berlusconi hinzu.(dapd/afp)