Kairo. . Schwere Ausschreitungen in Ägyptens Hauptstadt Kairo: Das Auswärtige Amt hat deshalb am Donnerstagabend erstmals vor Reisen nach Kairo gewarnt. Die Warnung gilt außerdem für zwei weitere Städte.
Nach der Eskalation der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Ägypten hat das Auswärtige Amt in Berlin erstmals Reisewarnungen für das Land herausgegeben. Wie die Behörde am Donnerstagabend in Berlin mitteilte, wird nun vor Reisen nach Kairo, Alexandria und Suez gewarnt. "Von Reisen in die übrigen Landesteile einschließlich der Urlaubsgebiete am Roten Meer wird weiterhin dringend abgeraten", hieß es.
Deutschen Staatsangehörigen wird nachdrücklich geraten, die Ausgangssperre strikt zu beachten und möglichst auch außerhalb der Sperrzeiten, insbesondere am Freitag, dem 4. Februar, in sicheren Unterkünften zu bleiben.
Darüber hinaus empfiehlt das Auswärtige Amt, eine Ausreise aus Kairo, Alexandria und Suez ernsthaft in Erwägung zu ziehen, sofern dies sicher möglich sei. Dazu sollten die Angebote der Fluggesellschaften genutzt werden.
Der Mitteilung zufolge berät die deutsche Botschaft in Kairo Ausreisewillige und organisiert nach Möglichkeit gesicherte Konvois zum Flughafen.
Reisen bis Monatsende abgesagt
Angesichts der eskalierenden Gewalt sagten deutsche Tourismusunternehmen weitere Urlaubsreisen in das Land ab und erweiterten die Umbuchungsmöglichkeiten für Kunden. Der Reiseveranstalter FTI teilte in München mit, dass alle Reisen mit Abflügen bis zum 28. Februar abgesagt würden. Dies gelte auch für Buchungen bei den Tochterunternehmen 5vorFlug sowie BigXtra. Den betroffenen Kunden werde der Reisepreis erstattet. Da die Lage am Roten Meer bisher ruhig sei, müssten bereits angetretene Urlaube jedoch nicht abgebrochen werden. Reisen mit Abflügen zwischen dem 1. und dem 31. März könnten kostenfrei umgebucht werden.
Das Unternehmen Thomas Cook erklärte in Oberursel, dass alle geplanten Reisen mit Abflügen zwischen dem 14. und dem 28. Februar gebührenfrei auf andere Reiseziele umgebucht werden könnten. Der Anbieter TUI teilte in Hannover mit, Urlaubsreisen mit Abflügen bis zum 28. Februar könnten kostenlos storniert werden. Bis zu diesem Datum gebuchte innerägyptische Ausflüge nach Kairo und Luxor würden abgesagt. Beide Unternehmen fliegen Ägypten bis zum 14. Februar generell nicht an.
Zehn Tote
In Ägypten standen sich auch am Donnerstag Anhänger und Gegner des auch international isolierten Präsidenten Husni Mubarak unversöhnlich gegenüber. Selbst die Armee, die am Donnerstag auf dem Tahrir-Platz in Kairo erstmals einen Puffer zwischen den verfeindeten Gruppen bildete, konnte die Gewalt nicht stoppen. Ärzten zufolge kamen zehn Menschen bei den stundenlangen Straßenschlachten ums Leben. Nach Angaben von Rettungskräften und einem Augenzeugen wurde auch ein Ausländer auf dem Tahirplatz zu Tode geprügelt. Mit Sorge wird nun auf Freitag geschaut, für den die Opposition zu einem Sternmarsch nach Kairo aufgerufen hat. Die von Mubarak neu gebildete Regierung bat für den Gewaltausbruch um Entschuldigung, übernahm dafür aber nicht die Verantwortung.
In einem Interview mit dem US-Fernsehen warnte der ägyptische Präsident Husni Mubarak für den Fall seines Rücktritts vor den Abgleiten seines Landes ins Chaos. Er sei zwar zur Aufgabe des Amts bereit, sagte Mubarak am Donnerstag dem Sender ABC. Ein sofortiger Rückzug würde die Lage in Ägypten aber noch instabiler machen. "Wenn ich heute zurücktrete, wird es Chaos geben", zitierte ABC den Präsidenten in einer Presseerklärung.
Angesichts der Gewalt auf den Straßen habe sich Mubarak besorgt geäußert. "Ich war sehr unglücklich über das, was gestern geschehen ist", zitierte ihn der Sender weiter. "Ich will nicht, dass Ägypter gegen Ägypter kämpfen."
Ein Einlenken angesichts der wütenden Straßenproteste gegen ihn lehnte Mubarak ab. Angesprochen auf die Demonstranten entgegnete er laut ABC: "Mir geht es nicht darum, was die Leute über mich sagen. Mir geht es um mein Land, mir geht es um Ägypten."
Schlägertrupps heizen die Stimmung auf
In Kairo kam es den zweiten Tag in Folge zu Straßenschlachten zwischen Gegnern und Anhängern Mubaraks, die aber tagsüber geringere Ausmaße annahmen als in der Nacht zuvor. Zudem machten Anhänger des Präsidenten nach einem Fernsehbericht Jagd auf ausländische Journalisten. Menschenrechtsgruppen und ausländische Regierungen riefen die Regierung zur Einhaltung der Pressefreiheit auf.
Nach Darstellung der Opposition wurden die Krawalle von staatlich bezahlten Schlägertrupps angezettelt. Es seien auch Polizisten in Zivil darunter gewesen. Das Innenministerium wies dies zurück. Der neue Ministerpräsident Ahmed Schafik versprach aber zu ermitteln, ob die Ausschreitungen gesteuert worden seien. Dies dürfe sich nicht wiederholen.
Auch auf politischer Ebene zeichnete sich ein Ende des Machtkampfes zwischen Regierung und Opposition nicht ab: Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei und die einflussreiche Muslimbruderschaft wiesen Verhandlungsangebote der Führung zurück. Ohne den sofortigen und bedingungslosen Rücktritt Mubaraks, der erst im September abtreten will, hätten Gespräche keinen Sinn, sagte ElBaradei. Die Regimegegner fordern freie Wahlen und eine Ende der Korruption und Unterdrückung.
Merkel - Angriffe auf Demonstranten in Ägypten müssen aufhören
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die ägyptische Regierung aufgefordert, die Angriffe gegen die Demonstranten zu unterbinden. Die Attacken müssten unverzüglich aufhören, auch dafür sei die Regierung verantwortlich, sagte die Kanzlerin am Donnerstag in Madrid nach einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero. In Ägypten müsse ein Neuanfang gemacht werden. Es sei ganz wichtig, dass der politische Dialog zwischen allen demokratischen Kräften schnell beginne. Sie habe mit Präsident Husni Mubarak gesprochen und ihn aufgefordert, den Dialog zu beginnen.
Panzer in Stellung
Nach den Straßenschlachten in der Nacht zum Donnerstag in Kairo waren die Streitkräfte am Vormittag zwischen Anhängern und Gegnern von Staatspräsident Husni Mubarak in Stellung gegangen. Vier Panzer räumten eine Überführung am Tahrir-Platz, von der Mubarak-Anhänger Steine und Brandsätze auf Demonstranten geschleudert hatten. Soldaten bezogen Position zwischen den verfeindeten Lagern. Hunderte weitere Soldaten bewegten sich auf die Kampfzone am Nordrand des Platzes in der Nähe des Ägyptischen Museums zu.
Auf dem Platz der Befreiung gab es nach Angaben eines Augenzeugen am frühen Donnerstag drei Tote bei einer Schießerei. Bei den Opfern handele es sich um Gegner der Regierung von Präsident Mubarak, sagte Mustafa al Naggar, ein Organisator der Proteste. Er habe gesehen, wie drei Leichen vor Morgengrauen weggebracht worden seien, sagte al Naggar. Ab vier Uhr morgens (Ortszeit) waren immer wieder Schüsse - teilweise aus automatischen Waffen - zu hören. Bei Tagesanbruch kam es am Nordrand des Platzes noch immer zu Straßenschlachten. Auf dem Platz harrten rund 4.000 Demonstranten aus.
Drei Menschen bereits am Mittwoch gestorben
Die Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern Mubaraks kosteten am Mittwoch nach Angaben des ägyptischen Gesundheitsministeriums drei Menschen das Leben, mehr als 600 wurden verletzt. Die Gegner Mubaraks warfen der Regierung vor, bezahlte Schlägertruppen und Polizisten in Zivil auf friedliche Demonstranten angesetzt zu haben.
Journalisten bedroht
Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden am Mittwoch auch zahlreiche ausländische Journalisten von Anhängern Mubaraks bedroht oder geschlagen. „Wir verurteilen diese Angriffe und fordern alle Parteien dazu auf, Gewalt gegen lokale und ausländische Journalisten zu unterlassen, die lediglich im Interesse der Öffentlichkeit versuchen, von den Demonstrationen und Zusammenstößen zu berichten“, teilte Anthony Mills vom Internationalen Presseinstitut (IPI) in Wien mit. „Insbesondere sind wir über Hinweise besorgt, dass es bei den Angriffen möglicherweise Verbindungen zu den Sicherheitskräften gibt“, sagte er weiter.
Regierungssprecher Magdi Radi wies diesen Vorwurf als Erfindung zurück. Die Regierung begrüße eine objektive Berichterstattung. Allerdings seien nicht alle Medien unvoreingenommen, und einige ergriffen Partei „gegen Ägypten“, sagte Rady der Nachrichtenagentur AP. (rtr/dapd/afp)